Werbung mit "Frische" lässt Lebensmittelhersteller alt aussehen

Marktcheck und Umfrage der Verbraucherzentrale Hessen

Wer glaubt, „Brötchen – frisch gebacken“ und „Orangensaft – kühlfrisch“ seien gerade erst hergestellt worden oder „Cordon Bleu – Frisch vom Schwein“ sei schlachtfrisch, kann sich gewaltig irren.

Das belegt eine Marktstichprobe der Verbraucherzentrale Hessen:
Die geprüften,  als „frisch …“ beworbenen Lebensmittel sind vorgefertigt, hitzebehandelt oder konservierend verpackt. „Dieses Ergebnis entspricht nicht der gängigen Definition von „frisch“ und damit nicht den Erwartungen der Verbraucher“, so Wiebke Franz, Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale.

„Diese Sichtweise wird auch durch unsere Umfrage auf verbraucher.de unterstützt. Danach lehnen gut zwei Drittel der Teilnehmenden Zusätze und andere die Haltbarkeit verlängernde Maßnahmen für ‚frische‘ Lebensmittel ab.“

Die Experten der Verbraucherzentrale Hessen prüften in ihrer Marktstichprobe bei 19 Lebensmitteln die Verpackungsangaben zur Herstellung, Haltbarkeit und auf Erläuterungen zur Frische-Werbung. Fehlten Angaben zum Herstellungsprozess oder blieben sie unklar, hakten die Verbraucherschützer bei den Herstellern nach.

Miserables Ergebnis:
In sieben Fällen waren die als „frisch …“ beworbenen Lebensmittel wärmebehandelt, fünf-mal konservierend verpackt und in zwölf Fällen war kein Unterschied bezüglich Herstellung und Haltbarkeit gegenüber vergleichbaren Lebensmitteln ohne Frische-Werbung erkennbar.

Rund dreiviertel der geprüften Lebensmittel stammen zudem aus der Kühltheke, wo die Erwartung an wirklich frische Lebensmittel besonders hoch ist. So liegt bei „kühlfrischem“ Orangensaft die Vermutung nahe, dass er unbehandelt und lediglich gekühlt ist.

Weit gefehlt:
Der Blick ins Kleingedruckte und Nachfragen entlarvten ihn als tiefgekühlt gelagert, pasteurisiert und dadurch länger haltbar gemacht.

Häufig unterstellen die Hersteller mit dem Werbeslogan „frisch …“ einen Qualitätsvorteil, der nicht erkennbar ist. So stammen der „frisch“ geschnittene oder „frisch“ verpackte Schnittkäse und der Wurstaufschnitt „Qualität frisch vom Stück“ eben nicht von der Wurst- oder Käsetheke. Tatsächlich stecken sie ebenso wie die Ware der Konkurrenz ohne Werbeversprechen in einer Fertigpackung unter Schutzatmosphäre und sind dadurch länger haltbar.

Andere Produktbeispiele wie das Teefertiggetränk „Grüner Tee Zitrone aus frisch aufgebrühtem Tee“ zeigen, dass der inflationäre Einsatz der „Frische-Werbung“ die Qualitätseigenschaft „frisch“ insgesamt entwertet. Denn durch Hocherhitzen lange haltbar gemachte Tee- oder Kaffeefertiggetränke haben qualitativ nichts mehr mit den frisch aufgebrühten Getränken zu tun.

Möglich ist die Werbung mit „frisch...“ nach dem Gießkannenprinzip, weil eine allgemeingültige rechtliche Definition des Begriffs „frisch“ für Lebensmittel fehlt. Lediglich für einzelne Lebensmittelgruppen ist verbindlich definiert, welche Verarbeitungsverfahren für die Kennzeichnung als frisch erlaubt sind.

So sind bei „frischem“ Fleisch vorheriges Einfrieren und Verpacken unter kontrollierter Atmosphäre erlaubt. Das dürften die meisten Verbraucher jedoch weder wissen noch erwarten.

Zudem können die Hersteller den Hinweis „aufgetaut“ unterschlagen, wenn das Fleisch nach dem Auftauen weiterverarbeitet, beispielsweise mariniert wurde.

Das Verpacken unter Schutzatmosphäre ist zwar grundsätzlich deklarationspflichtig. Es verlängert aber die Haltbarkeit und stabilisiert die rote Farbe, was das Fleisch länger frisch erscheinen lässt.

„Dass sich all diese Möglichkeiten zur Haltbarkeitsverlängerung hinter „Frischfleisch“ verstecken können, widerspricht dem mehrheitlichen Verbraucherverständnis von „frisch“, beanstandet Franz.

Die parallel auf www.verbraucher.de  durchgeführte nicht repräsentative Umfrage zu Forderungen an die Werbung mit „Frische“ bei Lebensmitteln hat klar gezeigt: 68 Prozent der Teilnehmenden erwartet bei „frischen“ Lebensmitteln keinerlei Haltbarkeitsverlängerung. Lediglich 26 Prozent der Umfrageteilnehmer akzeptieren für frische Lebensmittel bestimmte Verfahren wie die Lagerung von Fleisch unter Schutzatmosphäre, aber nicht konservierende Zusätze.

Deshalb fordert die Verbraucherzentrale Hessen:
Der Gesetzgeber muss das Qualitätskriterium „frisch“ für Lebensmittel rechtlich allgemeingültig dem Verbraucherverständnis entsprechend definieren.
Die Anbieter müssen Herstellungs- und Verarbeitungsverfahren und Herstellungszeitpunkt klar und verständlich auf den Lebensmittelverpackungen erläutern und missverständliche Werbung unterlassen.

Die Liste der überprüften Produkte mit Bewertung und das Ergebnis der Umfrage stehen unter www.verbraucher.de.