Trotz verzögerter Erbscheinerteilung: Miterbe muss über 30.000 Euro Steuerzinsen zahlen
Erben aufgepasst ...
... denn Zinsen aus Steuernachzahlungen müssen selbst dann an den Fiskus überwiesen werden, wenn das Nachlassgericht erst Jahre nach dem Tod des Erblassers den Erbschein ausstellt und damit die Erbfolge verbindlich festlegt.
Nach einer neuen Grundsatzentscheidung des Bundesfinanzhofs können die Erben auch nicht auf Gnade vor Recht hoffen. Die Bundesfinanzrichter lehnten es ab, die Steuernachzahlungszinsen wegen der Erbscheinverzögerung aus Billigkeitsgründen unter den Tisch fallen zu lassen.
Sechs Jahre dauerte ein Erbscheinverfahren vor einem rheinischen Nachlassgericht, weil der Verstorbene mehrere Testamente errichtet hatte und das Gericht jeweils prüfen musste, ob der Erblasser überhaupt testierfähig war.
Am Ende stellte das Nachlassgericht drei Miterben einen Erbschein aus.
Einem der Erben, der die Hälfte der Erbschaft zugesprochen bekam, erhielt wenig später Post vom Finanzamt. Über die Jahre waren hinsichtlich der Erbschaft Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Vermietung entstanden. Das Finanzamt änderte die Einkommensteuerbescheide des Erben entsprechend ab und stellte ihm über 30.000 Euro Nachzahlungszinsen in Rechnung.
Finanzamt hätte Steuern früher schätzen können
Die muss er nach einem neuen Urteil des Bundesfinanzhofs auch zahlen (Az.: X R 12/21). Das berichtet die Firma ErbTeilung aus Weilheim unter Berufung auf die Entscheidung.
Der steuerpflichtige Erbe hatte argumentiert, dass er ja erst sechs Jahre nach dem Erbfall mit Erteilung des Erbscheins erfahren habe, Erbe geworden und damit steuerpflichtig zu sein.
Vorher habe er ohne Erbschein keine Möglichkeit gehabt, sich ein Bild über die Finanzlage des Verstorbenen zu machen. Deshalb verlangte er vom Finanzamt, die Zinsentscheidung aus Billigkeitsgründen zurückzunehmen.
Dem Finanzamt warf der Erbe vor, die Steuerbescheide grob fahrlässig verspätet erlassen zu haben. Das Finanzamt sei über die finanzielle Situation des Erblassers zumindest in der Vergangenheit informiert gewesen und hätte die entsprechenden Steuern auf dieser Basis schätzen und einem Erbschaftspfleger zustellen können. Dadurch hätten sich erst gar keine Zinsnachteile entwickelt.
Gesetzgeber darf Zinsvorteil unterstellen
Doch auf diese Argumente ließen sich die Bundesfinanzrichter gar nicht ein, zumal das zuständige Nachlassgericht keinen Erbschaftspfleger bestellt hatte, an den die Steuerbescheide hätten zugestellt werden können. Die Richter hoben vielmehr allgemein darauf ab, dass dem Miterben ein Zinsvorteil entstanden sei.
Im Unterschied zu einem Steuerpflichtigen, der seine Steuern jährlich abführt, musste der Miterbe die Steuern erst sechs Jahre nach dem Erbfall zahlen. Ob der Zinsvorteil tatsächlich bei ihm eingetreten ist, kommt es laut Richterspruch nicht an, weil der Gesetzgeber zulässigerweise einen Zinsvorteil vermute und keine Ausnahmeregelungen geschaffen habe.
Auch der Umstand, dass der Steuerpflichtige aufgrund der unklaren Erbrechtssituation nicht in der Lage gewesen war, eine Vorauszahlung auf die zu erwartenden Steuern zu leisten, um die Zinsentstehung zu verhindern, begründet laut Bundesfinanzhof keinen Grund, die Steuerzinsen zu erlassen.
Erben verlieren bei komplexen Nachlässen schnell den Überblick
„Das Urteil zeigt einmal mehr, dass jahrelange Erbstreitigkeiten unvorhergesehene finanzielle Nachteile mit sich bringen. Gerade bei komplexen Nachlässen in Erbengemeinschaften kann der einzelne Erbe die rechtlichen und steuerlichen Konsequenzen kaum noch überblicken“, sagt Manfred Gabler.
Der Geschäftsführer der Fa. ErbTeilung begleitet Erben bei der Abwicklung von zerstrittenen Erbengemeinschaften und stellt ihnen im Bedarfsfall qualifizierte Rechts- und Steuerberater an die Seite. Seiner Beobachtung nach verlieren viele Erben auch in steuerlichen Angelegenheiten den Überblick, wenn die Erbengemeinschaften über viele Jahre bestehen und sich nicht auf eine Teilung des Erbes einigen können.
Das Unternehmen ErbTeilung hat zusammen mit dem Deutschen Institut für Altersvorsorge im Rahmen einer Studie herausgefunden, dass zwar 38 Prozent der Erbengemeinschaften innerhalb eines Jahres aufgelöst werden – in 35 Prozent der Fälle dauert das allerdings zwei bis fünf Jahre. Besonders brisant: Jede vierte Eigentümergemeinschaft benötigt dafür sechs bis über 30 Jahre.
„In dieser Zeit kann viel Unheil angerichtet werden, wenn die Erben untereinander streiten und die falschen Experten mit im Boot sitzen“, hat Gabler beobachtet.
Finanzamt über Erbschaft informieren
Nur etwa 20 Prozent aller Erben sind Alleinerben. Die große Mehrheit findet sich in einer Erbengemeinschaft mit zwei und mehr Erben wieder.
Und die quält vor allem eine Frage: „Wann fallen Erbschaftsteuern oder andere Steuerarten an und wer muss sie zahlen“, weiß Manfred Gabler.
Grundsätzlich ist die Erbengemeinschaft selbst mangels Rechtsfähigkeit nicht steuerpflichtig. Die Erbschaftsteuer fällt deshalb bei jedem Erben an. Deshalb muss jeder Erbe das Finanzamt über die Erbschaft informieren – und zwar in einem formlosen Schreiben innerhalb von drei Monaten seit dem Erbfall. Wichtig zu wissen: Auch die Freibeträge entbinden einen Erben oder eine Erbin nicht von ihrer Pflicht, das zuständige Finanzamt über die Erbschaft oder Schenkung zu informieren.
„Solange allerdings aufgrund mehrerer Testamente nicht sicher ist, wer Erbe wird und wer nicht, besteht auch keine Anzeigepflicht gegenüber dem Finanzamt“, sagt Manfred Gabler.
Steuererklärung für den Verstorbenen abgeben
Unterlässt man allerdings nach einer feststehenden Erbschaft die Mitteilung an das Finanzamt, kann das unter Umständen unangenehme Folgen haben. Schlimmstenfalls kann der Fiskus ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung oder versuchter Steuerhinterziehung einleiten.
„Das Verschweigen einer Erbschaft hat auch deshalb keinen Sinn, weil das Finanzamt in jedem Fall Kenntnis von einem Todesfall erhält - und zwar über das Standesamt, das Nachlassgericht, den Notar oder über Banken und Versicherungen, die nach der Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung, dazu verpflichtet sind, dem Finanzamt innerhalb eines Monats nach dem Tod des Erblassers Konten, Schließfächer, Versicherungen etc. zu melden“, erläutert Gabler.
Mancher Erbe wird auch mit der Vergesslichkeit des Erblassers in Steuerangelegenheiten am Ende des Lebens konfrontiert. Haben alte Menschen keinen Steuerberater oder hat dieser keinen entsprechenden Auftrag erhalten, bleiben auch die Steuern liegen. Oder der Erblasser vergisst steuerrelevantes Auslandsvermögen.
Für die Erben wichtig zu wissen: Die Einkommenssteuerklärungen sind von den Erben auch für den verstorbenen Erblasser abzugeben, falls er dies selbst nicht mehr in die Wege leiten konnte.
Quelle:
Erbschützer - Marcus Creutz - www.marcus-creutz.de