Wenn Liebe krank macht
Toxische Beziehungen erkennen und sich daraus befreien
Beziehungen sollen stärken, Halt geben und das Leben bereichern. Doch was, wenn das Gegenteil der Fall ist? Toxische Beziehungen – also Partnerschaften, die von emotionaler Manipulation, Abhängigkeit und einem ungleichen Machtverhältnis geprägt sind – hinterlassen oft tiefe seelische und körperliche Spuren.
„Besonders oft leiden Frauen unter solchen Partnerschaften, die nicht selten zu psychischen und körperlichen Beschwerden führen. So entwickeln Betroffene häufig Depressionen, Angststörungen, Schlafprobleme oder psychosomatische Beschwerden wie Magen-Darm-Probleme oder Herzrasen – alles Ausdruck seelischer Dauerbelastung“, weiß Dr. med. Steffen Häfner, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und Ärztlicher Direktor der Klinik am schönen Moos.
„Vielleicht kann ich meinen Partner ändern“
Die Gründe, warum Menschen in destruktiven Partnerschaften verharren, sind vielfältig. Einige von ihnen haben in ihrer Kindheit wenig emotionale Sicherheit erlebt oder wurden früh auf Leistung und Anpassung konditioniert. In späteren Beziehungen entwickelt sich daraus häufig eine tief verwurzelte Angst vor dem Verlassenwerden.
„Betroffene ordnen sich unter, passen sich an und versuchen, durch noch mehr Liebe das Verhalten ihres Partners zu ändern – meist vergeblich“, erklärt Dr. Häfner. Der toxische Kreislauf aus Hoffnung, Enttäuschung und emotionaler Abhängigkeit wird zur psychischen Falle. Das Perfide daran ist: Je schlechter es einem geht, desto abhängiger wird man oft von der vermeintlichen Liebe des anderen.
Wie lassen sich toxische Beziehungen erkennen?
Toxische Beziehungen sind nicht immer laut oder dramatisch. Viel häufiger schleichen sie sich leise in den Alltag ein. Die Betroffenen verlieren nach und nach das Vertrauen in sich selbst und beginnen, ihr Verhalten ständig zu hinterfragen. Eine harmlose Nachricht auf dem Handy kann zu endlosen Diskussionen führen. Kritik wird mit Schweigen oder emotionaler Distanz bestraft.
Kommt es zu Nähe, folgt oft ein jäher Rückzug.
Diese emotionale Unberechenbarkeit zermürbt. „Viele Patientinnen berichten, dass sie sich zunehmend leer, wertlos oder unsichtbar fühlen – und gleichzeitig nicht verstehen, warum sie nicht gehen können“, sagt Dr. Häfner.
Ein deutliches Warnsignal ist, wenn der Kontakt zum Partner mehr Energie raubt als gibt
Wer sich ständig schuldig fühlt, soziale Kontakte vernachlässigt, sich selbst verliert oder immer häufiger körperliche Beschwerden ohne organische Ursache entwickelt, sollte innehalten. „Auch das systematische Infragestellen der eigenen Wahrnehmung ist typisch. Wenn man sich am Ende selbst nicht mehr glaubt, ist die Beziehung längst zur Gefahr für das eigene Ich geworden“, so der Facharzt.
Der erste Schritt: Klarheit gewinnen
Wer sich in einer toxischen Beziehung wiedererkennt, sollte sich zunächst bewusst machen, dass die Veränderung nicht über Nacht geschieht und auch nicht ohne innere Arbeit. „Es braucht den Mut zur Selbstreflexion: Was halte ich aus? Was lasse ich mit mir machen – und warum? Der Austausch mit vertrauten Menschen kann helfen, die eigene Situation aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten“, betont Dr. Häfner.
Noch hilfreicher ist oft eine professionelle Begleitung durch Psychotherapeuten oder psychosomatische Kliniken. Dort geht es nicht nur um die Trennung an sich, sondern auch um die tieferliegenden Muster, die immer wieder in ähnliche Beziehungsdynamiken führen.
Stärke statt Schwäche
„Sich aus einer toxischen Beziehung zu lösen, ist selten ein klarer Schnitt, sondern meist ein innerer Prozess in Etappen“, so Dr. Häfner und erläutert: „Schuldgefühle, Zweifel und Rückfälle gehören oft dazu. Deshalb ist es entscheidend, sich selbst nicht zu verurteilen, sondern geduldig mit sich zu sein. Jede noch so kleine Entscheidung für das eigene Wohlergehen – ein klärendes Gespräch, ein Tag Abstand, ein offenes Wort mit einer Freundin – kann ein Schritt Richtung Freiheit sein.“
Es stellt sich nicht nur die Frage, ob man mit dem Partner zusammenbleiben sollte, sondern vielmehr: Wie will ich geliebt werden? Und was bin ich bereit, dafür aufzugeben? „Eine gesunde Beziehung basiert auf Respekt, Vertrauen und einem Gefühl von Sicherheit“, sagt Dr. Häfner. „Wenn diese Grundpfeiler über längere Zeit fehlen, ist es kein Zeichen von Schwäche, sich zu lösen – sondern von innerer Stärke.“
Weitere Informationen unter www.klinik-a-s-moos.de