Schnörkellos kommunizieren, bitte!

„Ich weiß nicht mehr, wie ich etwas formulieren soll, das von meinen Teamkollegen nicht zurückgewiesen wird mit dem Hinweis, ich sei nicht genügend wertschätzend oder empathisch“, klagt die erfahrene Projektleiterin.

Die Klage steht für einen Zusammenhang von Haltung, Erwartung und Nutzung von Sprache, der für Unternehmen zunehmend problematisch wird.

Sprachliche Empfindsamkeit
Will ein Unternehmen attraktiv erscheinen, gute Noten in sozialen Netzwerken, Arbeitgeberrankings und dergleichen erhalten, muss es heutzutage nachweisen, dass es ein „rundum gutes“ Unternehmen ist.

Als Nachweis zählt neben der Übernahme sozialer Verantwortung, demokratischen Strukturen und Abläufen ein Sprachgebrauch, der psychologischen und psychotherapeutischen Konzepten und moralischen Kategorien eingrenzbarer Lebenswelten entspringt und der vor allem Empfindsamkeit bedient.

Keine Firmen-Repräsentation ohne Betonung des Mitfühlens und der Wertschätzung. Auch in Unternehmen weht das Pathos eines Verständnisses von Empathie und Wertschätzung, das hochgradig psychologisiert ist und mit dem Impetus einer unabdingbaren und anthropologisch notwendigen Norm lautstark proklamiert wird.

Da Menschen vor allem verbalsprachlich kommunizieren, färbt das Pathos notwendig die Redeweisen. Die gebrauchte Sprache muss einfühlsam, sozial und individuell, politisch und moralisch korrekt sein.

Die dafür geltenden Kriterien liefern neben so genannten Fachleuten vor allem öffentliches Reden über Empathie, Inklusion, Gender und Egalisierung im Rahmen des Hypes um demokratische Unternehmensführung, die eine empathische Sprache bedingten.

Das Problem der Leistbarkeit
Der Einfluss der Forderung nach allseitiger Empathie im Sinn des Ein- und Mitfühlens steht in deutlichem Kontrast zu Leistbarkeit, Anzahl der Denkfehler und empirischer Bestätigung der funktionalen Wirkung.

Leistbar ist Empathie als Hineinfühlen in die Seelen/Gefühlswelt des Gegenübers a) nur unter der Bedingung der Ähnlichkeit (weil mensch Anknüpfungspunkte braucht), b) selbst dann nur annäherungsweise (weil mensch in das Innerste eines anderen nicht eintauchen kann, sondern auf Annahmen angewiesen ist) und ist c) irrtumsanfällig (aus den genannten Gründen und deren Implikationen).

Einer der Denkfehler liegt darin, einen Mangel an Empathie mit dem Mangel an Partnerorientierung oder schlicht Freundlichkeit zu identifizieren. Das ist insofern unangemessen, als Empathie über eine emotional distanzierte, die Individualität des Gegenübers respektierende Zuwendung hinausgeht und durchaus als „intrusive“ gelten kann, Distanzgrenzen überschreitend.

Empathie wird zudem als Bedingung der Möglichkeit für Verstehen und angemessenes Eingehen auf die Anliegen des Gegenübers propagiert sowie für eine wertschätzende Atmosphäre. Empirisch zeigt sich inzwischen allerdings, dass es der Mangel an emotionaler Distanz ist, der die Hoffnung auf das Erfüllen dieser Funktionen relativiert.

Es ist die kognitive Übernahme von Perspektiven, der mentale Rollen- oder Seitenwechsel, der Verstehen und entsprechendes Anschlussverhalten in Aussicht stellt. Dass diese intellektuellen Akte neurophysiologisch emotional eingebettet sind, schränkt das Plädoyer für mehr Kognition statt Emotion und analog für mehr nüchterne statt emotionalisierte Sprache nicht ein. Es geht um die Verschiebung des Fokus`. Und die ist dringend geboten.

Umdenken?
Auch wenn Rhetorik und Praxis im Horizont von Industrie 4.0, Führung 4.0, Internet der Dinge mantraartig Empathie zur Conditio für Kooperation und Erfolg stilisiert wird, zielen die Ausführungen weniger auf das Erfordernis von mehr Emotionalität, sondern von kognitiv geleiteter Multiperspektivität und mentaler Offenheit. Diese Erkenntnis hat sich indes noch nicht durchgesetzt.

Das ist aber nötig; denn Emotionalisierung und Psychotherapeutisierung von Empathie und Sprachpraxis mindern Effizienz und Effektivität – und häufig auch Engagement: „Wenn ich kritisches Feedback gebe, habe ich unzählige Gesprächsrunden vor mir, weil mir mangelnde Wertschätzung vorgeworfen wird! Also lasse ich das lieber.“

Zielhorizont empathischer Sprache sind psychische Zustände. Kernanliegen ist, das Wohlbefinden des Angesprochenen zu erhalten (wenn auch mit der Absicht, die eigene Intention durchzusetzen). Als Devise: „Sprich so, dass das Gegenüber sich keinesfalls verletzt, mindergeschätzt oder außerhalb von Augenhöhe angesprochen fühlen kann.“

Zielhorizont kognitiv geleiteter, nüchterner und verbindlicher Sprache ist, in der beruflichen Kommunikation das sachliche oder inhaltliche Anliegen akkurat zu formulieren. Weniger das Wie (empathisch) als das Was (inhaltlich), weniger Gefühl als kognitives Verständnis stehen im Lichtkegel.

Direkt, freundlich, klar
Es geht nicht darum, das empathische Momentum auszuschalten, sondern aus dem Zentrum zu nehmen. Je intensiver Menschen sich bemühen, empathisch zu formulieren, desto mehr Zeit und psychische Energie benötigen und desto mehr sprachliche Weichmacher, Umwege, Verschwurbelungen nutzen sie.

Psychologisiertes Reden geht einher mit Vagheiten, die weiten Deutungsspielraum lassen. Das mag in therapeutischen Kontexten berechtigt sein, in andersartiger beruflicher Kommunikation erschwert es zielführende Kooperation. Bei im obigen Sinn versachlichter Kommunikation wird der Deutungsspielraum zumindest verengt.

Beispielsweise:
„Es wäre sehr nett von Ihnen, wenn Sie xy täten“: eine verschleierte Anweisung, die – wie insbesondere Irving Goffman unnachahmlich demonstriert hat – ich ignorieren kann, wenn ich nicht nett sein will.

Direkt, freundlich, klar:
„Bitte tun Sie xy.“

Da sich Menschen mit mentalen Veränderungen schwer tun, können bereits kleine praktische Schritte in der sprachlichen Kommunikation helfen, freundlich, partnerorientiert und nüchtern zu formulieren.

Satzzeichen
Etwa hilft bereits, Satzzeichen ernst zu nehmen bzw. sich mental von ihnen bahnen zu lassen.

Unter den Interpunktionszeichen essentiell sind:
Punkt für eine Aussage, Fragezeichen für eine Frage, Ausrufungszeichen für eine (nicht diskutierbare) Anweisung. Wer sich überlegt, welche Art von Mitteilung er wem gegenüber mit welchem Effekt machen möchte, erhält durch das damit verbundene Satzzeichen Hinweise für klare Formulierungen.

Der Sprachgebrauch gewinnt durch diese kognitive Steuerung an Präzision und Verbindlichkeit, ohne die Partnerorientierung aufzugeben.

Klare Botschaft
Man kann sich auch vom Stil jener Literaten inspirieren lassen, die Füllwörter, Adjektive, psychologische Nabelschau, Attributionen, epische Beschreibungen meiden und Sprache puristisch nutzen, sozusagen fokussiert auf die inhaltliche Aussage verschlanken. Der Lerneffekt besteht in der Beschränkung auf jene Worte und Sätze, die nötig sind, um die beabsichtigte Mitteilung zu formulieren.

Voraussetzung für das Gelingen ist auch hier, dass man sich vor (!) Redebeginn überlegt, welche Botschaft man wem gegenüber mit welchen erwünschten Wirkungen verbal transportieren möchte.

Und was ist mit kritischen Anmerkungen? Auch die können freundlich-nüchtern und Sie- oder Du-orientiert sprachlich eingekleidet werden. Da die Furcht vor einem Konflikt häufig der Anlass für verbale Weichmacher und ausweichende Formulierungen ist, kann es helfen, das eigene Unwohlsein verbal zu adressieren, vorauszuschicken und im Anschluss das Anliegen prägnant zu kommunizieren.

Bevor man diese ersten Anregungen für eine kognitiv statt emotional geleitete Sprachpraxis als Intellektualisierung oder Kälte verächtlich wegwischt, kann man das ihnen innewohnende Potenzial zu mehr gedanklicher Vorarbeit und Nüchternheit in der Kommunikation hervorheben.

Wer vor Augen hat, was er wem aus welchen Gründen mit welchen erwünschten Wirkungen nahebringen möchte und Ideen dazu hat, wie die Wünsche oder Perspektive des Gegenüber eingespeist werden können (kognitive partnerorientierte Klärung), hat gute Chancen, ohne Gefühlsemphase und psychologisierte Schnörkel Sprache gewinnend zu kommunizieren. Und das kann sehr wohl freundlich und „auf Augenhöhe“ geschehen.

Nicht zufällig genießt die Kombination „freundlich und bestimmt“ hohes Ansehen.

Über die Autorin:
Dr. Regina Mahlmann unterstützt Führungskräfte und Mitareitende professionell mit Beratung, Coaching, Schulung und Vorträgen.

Ihr Ziel ist es, Unternehmen zu einem nachhaltigen und verantwortungsvollen Erfolg zu verhelfen.

Quelle:
PT-Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft - http://www.pt-magazin.de/