Pflegeheimbewohner müssen bei Preisanpassungen gefragt werden

Erstes Oberlandesgericht kippt einseitige Entgelterhöhungen

Vertragsklauseln, die Pflegeeinrichtungen Preisanpassungen ohne Zustimmung der Betroffenen gestatten, sind unzulässig. Das hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden. Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gegen einen Pflegeanbieter aus Nordrhein-Westfalen.

Will ein Pflegeheim gestiegene Kosten auf seine Bewohnerinnen und Bewohner umlegen, müssten diese zwingend vorher zustimmen. Behält sich der Unternehmer im Vertrag jedoch vor, Preise in diesen Fällen einseitig zu erhöhen, widerspreche dies sowohl dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) als auch allgemeinen juristischen Prinzipien.

Das Oberlandesgericht Hamm folgt damit den Argumenten der Verbraucherschützer.

„Gerade wenn es um die ausufernden Investitionskostenpauschalen geht, bedeutet dieses Urteil einen Schutz vor überzogenen Forderungen“, so Heiko Dünkel, Projektleiter beim Verbraucherzentrale Bundesverband. „Betroffene zahlen meist einen Löwenanteil der Kosten aus eigener Tasche. Der Gesetzgeber wollte die Selbstbestimmungsrechte von Verbrauchern in Pflege- und Betreuungseinrichtungen mit dem WBVG deutlich stärken“.

Die Gerichte sind in der Frage der Entgelterhöhungen (Paragraf 9 WBVG) bisher uneins.

  • So hatte die Vorgängerinstanz, das Landgericht Dortmund, noch geurteilt, eine Zustimmung der Betroffenen sei nicht notwendig.

  • Im Juni hatte das Landgericht Düsseldorf hingegen eine generelle Zustimmung zu Preisanpassungen verlangt.

  • Die Zivilgerichte in Berlin und Mainz fordern diese zumindest bei Selbstzahlern, die noch keine Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten.

Das Oberlandesgericht Hamm verwarf im aktuellen Urteil nun auch eine Vertragsklausel, die der Einrichtung unangemessene Zugriffsrechte auf Möbel und andere persönliche Sachen des Bewohners, etwa nach dessen Versterben, einräumte.

Die Kammer folgt damit der Linie anderer Gerichte.

Die weit verbreitete kostenpflichtige Räumung der Zimmer ohne Rücksicht auf trauernde Angehörige und ohne Kostentransparenz wird mit dieser Entscheidung weiter erschwert.

Projekte zum Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz
Der vzbv nimmt seit 2010 gemeinsam mit den Verbraucherzentralen die Vertragstexte von Pflegeanbietern unter die Lupe. Das seit Juni 2013 laufende Projekt

„Höherer Verbraucherschutz nach dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz“ nimmt insbesondere neue Wohnformen und Einrichtungen der Behindertenhilfe in den Fokus. Die Maßnahmen werden gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).

Erwähnte Gerichtsentscheidungen:

• Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 22.08.2014, Az. 1-12 U 127/13, nicht rechtskräftig

• Landgericht Dortmund (Vorgängerinstanz), Urteil vom 27.08.2013, Az. 25 O 135/13

• Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 25.06.2014, Az. 12 O 273/13, nicht rechtskräftig

• Landgericht Mainz, Urteil vom 31.05.2013, Az. 4 O 113/12, rechtskräftig

• Landgericht Berlin, Urteil vom 13.11.2012, Az. 15 O 181/12, rechtskräftig

• Berliner Kammergericht, Hinweisbeschluss vom 17.05.2013, Az. 23 U 276/12

Wenn Sie gern mehr erfahren möchten, finden Sie unter http://www.vzbv.de/13972.htm auch das Urteil zum downloaden bzw. nachlesen