Wenn es Zeit ist, allein zu sein

 Was es mit der sozialen Batterie auf sich hat

Nach einem intensiven Wochenende voller Treffen, Gespräche und gemeinsamer Aktivitäten spüren viele Menschen das Bedürfnis, sich zurückzuziehen und etwas Zeit allein zu verbringen.

Der Grund: Ihre sogenannte soziale Batterie ist leer. „Je mehr wir uns in großen Gruppen bewegen, Gespräche führen oder Konflikten ausgesetzt sind, desto mehr sinkt der Energiepegel, ähnlich wie bei einem Smartphone-Akku bei vermehrter Nutzung.

Erst durch Rückzug, Ruhe oder entspannende Aktivitäten kann sie sich wieder aufladen“, erklärt Dr. med. Steffen Häfner, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und Ärztlicher Direktor der Klinik am schönen Moos.

Während dieses Phänomen zwar bei allen Menschen vorkommt, kann es sich in seiner Ausprägung deutlich unterscheiden – und auch Hinweise auf psychische Erkrankungen liefern.

Zwischen Erholung und Erschöpfung

Im Alltag leert sich die soziale Batterie, sie lässt sich aber in der Regel zuverlässig wieder laden – sei es durch erholsamen Schlaf, Spaziergänge, kreative Tätigkeiten oder ein gutes Gespräch, in dem man sich verstanden fühlt. „Schwankungen sind dabei nicht ungewöhnlich.

Beispielsweise sorgen Stress bei der Arbeit oder Konflikte im privaten Umfeld dafür, dass sich der Akku schneller entlädt als an einem Tag mit wenig sozialer Interaktion“, weiß Dr. Häfner.

Ein weiterer Unterschied: Während sich introvertierte Menschen oftmals schon nach zwei Stunden auf einer lauten Party fühlen, als würde ihr innerer Akku rot blinken, erleben extrovertierte Menschen die Gesellschaft anderer manchmal wie einen Stromanschluss, der sie geradezu auflädt – aber auch sie benötigen ein Gleichgewicht zwischen Aktivität und Regeneration, um Überlastung zu vermeiden.

Defekte Ladefunktion

Wer sich bewusst Auszeiten nimmt, kann die soziale Batterie meist problemlos wieder in den grünen Bereich bringen. Etwas anders verhält es sich bei psychischen Erkrankungen. Denn bei Betroffenen ist der Akku nicht nur schneller leer, sondern oft auch deutlich schwerer wieder aufladbar.

„Menschen mit Depressionen erleben häufig, dass selbst kleine Begegnungen, die früher Freude bereitet haben, zur Belastung werden – sei es das Gespräch mit einem Freund oder der kurze Einkauf im Supermarkt“, so Dr. Häfner.

Bei Menschen mit Angststörungen – insbesondere bei sozialer Angst – tritt die Erschöpfung manchmal schon ein, bevor es überhaupt zu einer Begegnung kommt.

Der Facharzt erläutert: „Die bloße Vorstellung einer Verabredung kann Stress, Herzklopfen und kreisende Gedanken auslösen, sodass ein großer Teil der Energie bereits verbraucht ist, bevor sie überhaupt das Haus verlassen haben.“ Auch Menschen mit Burn-out schildern, dass ihre Batterie dauerhaft schwach bleibt. Selbst längere Erholungsphasen scheinen dann nicht mehr auszureichen, um das innere Gleichgewicht zurückzugewinnen. „Es ist, als wäre ein Smartphone zwar an eine Steckdose angeschlossen, aber das Ladekabel ist defekt“, erklärt Dr. Häfner.

Warnsignale erkennen

Es ist wichtig, zwischen einer gewöhnlichen, vorübergehenden Erschöpfung und krankhafter Überlastung zu unterscheiden. Während es gesund ist, sich nach einer intensiven sozialen Phase eine Auszeit zu gönnen, leidet bei einer dauerhaft leeren Batterie die Lebensqualität erheblich.

Aspekte wie Beruf, Familie und Freundschaften können unter der ständigen Müdigkeit und Gereiztheit leiden, das Selbstwertgefühl sinkt und körperliche Symptome wie Schlafstörungen oder Kopfschmerzen treten hinzu.

„Anzeichen wie eine permanente Überforderung, der Rückzug aus sozialen Kontakten oder das Ausbleiben von Erholung trotz Pausen sind Warnsignale, dass möglicherweise mehr dahintersteckt als bloße Alltagserschöpfung“, betont Dr. Häfner. „In solchen Fällen ist es ratsam, professionelle Unterstützung zu suchen. Gemeinsam lässt sich daran arbeiten, Ressourcen zu stärken, Stressreaktionen abzumildern und wieder eine gesunde Balance zwischen Rückzug und sozialer Aktivität zu finden.“

Weitere Informationen unter www.klinik-a-s-moos.de