Fahrerflucht: Welche Strafen drohen und wie Sie reagieren sollten

Verkehrsteilnehmer, die einen Unfall verursacht und bemerkt haben bzw. den Unfall hätten bemerken können, aber dennoch weiterfahren, begehen Fahrerflucht.

Als Experten geben Herr Rechtsanwalt Dr. jur. Sven Hufnagel und Rechtsanwalt Dr. jur. Sven Hufnagel die Antworten

Das Gesetz spricht hier von „unerlaubtem Entfernen von einem Unfallort“ – was auch schon nach leichtem Touchieren eines geparkten Autos eine Straftat sein kann und deswegen nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollte.

Wann ein Verlassen des Unfallortes eine Fahrerflucht ist, wie Sie sich richtig verhalten, um keine Strafanzeige wegen Unfallflucht zu riskieren, und welche Strafen drohen können, wenn Sie eine Fahrerflucht begehen, erklären Dr. jur. Sven Hufnagel und Sandra Baumann in diesem Experten-Ratgeber.

Die maßgebliche Vorschrift des § 142 des Strafgesetzbuches (StGB), in der es offiziell um „unerlaubtes Entfernen vom Unfallort“ geht, ist an solche Verkehrsteilnehmer gerichtet, die an einem Unfall beteiligt sind, also an jeden, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung eines Unfalls beigetragen haben kann (§ 142 Abs. 5 StGB).  

Wer an einem Unfall beteiligt ist, hat nach § 34 der Straßenverkehrsordnung (StVO) eine ganze Reihe an Pflichten zu erfüllen, u. a. seine Beteiligung und Personalien anzugeben und für derartige Feststellungen am Unfallort zu bleiben.

In der Praxis kommt es sehr häufig dazu, dass diese Pflichten missachtet werden – sei es aus Aufregung oder Unwissenheit oder auch ganz bewusst. Nicht selten jedenfalls geschieht dies aber allein deswegen, weil der Verkehrsteilnehmer von einer Kollision gar nichts bemerkt hat.  

In den letztgenannten Fällen kommt es häufig zu strafrechtlichen Ermittlungen, insbesondere wenn es Augenzeugen gibt, die bestätigen, dass es bei der Kollision einen Knall o. Ä. gegeben hat. Dann müsste doch auch der Fahrer des Verursacher-Fahrzeugs die Kollision ebenfalls bemerkt haben? Derartige Behauptungen der akustischen, optischen und taktilen Wahrnehmbarkeit sind aber häufig mit anwaltlicher Unterstützung zu widerlegen.

Wartepflicht beachten!

Wer sich gewiss ist, dass er Unfallbeteiligter ist, und trotzdem wegfährt, ohne anderen die erforderlichen Feststellungen zu seiner Beteiligung zu ermöglichen oder wenigstens eine angemessene Zeit zu warten, macht sich strafbar. Dabei gibt es keine feste Maßgabe dafür, wie lange eine solche Verweildauer ist, denn sie hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. In extremen Fällen kann sie durchaus auch bis zu etwa 1,5 Stunden betragen. Dies wird häufig unterschätzt.

Der oft verwendete Zettel an der Windschutzscheibe ist übrigens nicht ausreichend. Anzuraten ist daher grundsätzlich ein Anruf bei der Polizei, wenn am Unfallort keine zum Personalienaustausch bereiten Unfallbeteiligten anzutreffen sind. Dies gilt auch dann, wenn es um vermeintlich kleinere Blechschäden oder Lackkratzer geht. Denn auch geringe Schäden ändern regelmäßig nichts an den grundsätzlichen Verpflichtungen eines Unfallbeteiligten, sondern wirken sich allenfalls in milderen Rechtsfolgen aus.  

Zu einer strafbaren Fahrerflucht können nur Unfälle im öffentlichen Straßenverkehr führen. Dies kann schwierige Abgrenzungen nach sich ziehen. Parkrempler auf Supermarkt-Parkplätzen können ausnahmslos diese unschönen Erfahrungen bewirken, auf einem nicht jedermann zugänglichen Mitarbeiterparkplatz eines Unternehmens oder in einer privaten Tiefgarage hingegen unter Umständen nicht.

Was zählt nicht als Fahrerflucht

Auch wenn das Risiko eines strafrechtlich relevanten Fehlverhaltens aufgrund der berichteten Unwägbarkeiten und rechtlichen Fehlvorstellungen (Wahrnehmbarkeit des Unfalls, angemessene Wartezeit, Zettel an der Windschutzscheibe etc.) groß ist, ist freilich nicht stets der Vorwurf einer Fahrerflucht zu rechtfertigen.  

  •  Straflos ist es beispielsweise, wenn ein Unfallbeteiligter eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne dass jemand bereit war, die Feststellungen zu seiner Beteiligung zu treffen – vorausgesetzt, dass er diese Feststellungen unverzüglich nachträglich ermöglicht, was jedenfalls umgehendes Handeln erforderlich macht.

  •  Ebenso hat sich nicht strafbar gemacht, wer sich schon vor Ablauf einer solchen Wartefrist vom Unfallort entfernt hat, dafür aber auf Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe verweisen kann, sofern er die notwendigen Feststellungen unverzüglich nachträglich ermöglicht.

    Rechtlich anerkannte Gründe sind dabei allerdings höchst selten und es bestehen vielfach Fehlvorstellungen über die strengen Anforderungen hieran.

    So genügt es beispielsweise in der Regel nicht, dass ein Unfallbeteiligter sein Kind von der Schule abholen musste und deswegen weggefahren ist.

    Hingegen kann die dringende Verbringung eines schwer Unfallverletzten ins Krankenhaus wohl ein frühes Entfernen vom Unfallort rechtfertigen. Ebenso gilt dies wohl auch für die vorangehende Suche nach Hilfe für Verletzte oder für Bemühungen um die Beseitigung von Gefahren für die Allgemeinheit (Trümmerteile etc.).

  • Die Fahrt zu einer nahe gelegenen Polizeidienststelle führt übrigens nicht zwangsläufig dazu, dass eine Fahrerflucht ausscheidet. Im Einzelfall erscheint es aber denkbar, dass ein solcher Fahrtzweck auch bei zu frühem, nicht gerechtfertigtem und auch nicht entschuldigtem Verlassen der Unfallstelle zu einer Verfahrenseinstellung führen kann.

Wann kann eine Fahrerflucht straflos sein?

  • Bei einer bloßen Selbstschädigung scheidet eine Fahrerflucht aus.

    Die Feststellungs- und Wartepflicht und damit auch das Risiko einer Fahrerflucht beschränkt sich somit auf Fälle, in denen zulasten eines anderen ein Fremdschaden verursacht wurde.

    Ausreichend ist es dabei ohne Weiteres auch, wenn man „nur“ ein Straßenschild, eine Laterne oder eine Leitplanke angefahren hat.

    Da in der Regel auch bei noch so langem Warten in solchen Fällen kein Geschädigter vor Ort angetroffen werden kann, sollte stets die Polizei hinzugerufen werden.

Wer sich nicht so verhält, wie es der Gesetzgeber vorschreibt, hat sowohl mit strafrechtlichen als auch verkehrsrechtlichen Folgen zu rechnen:  

Eine Freiheitsstrafe von bis zu dreijähriger Dauer wird dabei für einen Ersttäter allenfalls in krassen Ausnahmefällen (z. B. der Tötung eines Unfallbeteiligten) in Betracht kommen oder bei entsprechend vorbelasteten Beschuldigten.  

In der Regel kommt es vielmehr bei nachweisbarer Fahrerflucht zur Verhängung von Geldstrafen.

Deren Höhe ist stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig, insbesondere von der Höhe des entstandenen Schadens, aber auch von regionalen Gegebenheiten. Bei Ersttätern ist meist von etwa 30 bis 50 Tagessätzen auszugehen, wobei 30 Tagessätze einem Monatsnettoeinkommen entsprechen.

Eintragungen im allgemeinen Strafregister (Bundeszentralregister) sind die zwangsläufige Folge. Im Führungszeugnis werden hingegen bei Ersttätern nur solche Taten eingetragen, die zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als dreimonatiger Dauer geführt haben.

Für Ersttäter ist dies daher in der Regel auszuschließen. Wer hingegen im Bundeszentralregister bereits einen Eintrag aufweist, bekommt nach rechtskräftiger Verurteilung wegen Fahrerflucht auch einen Eintrag im Führungszeugnis hinzu (§ 32 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 BZRG). 

Zu milderen Rechtsfolgen oder gar einem Absehen von Bestrafung kann es dann führen, wenn es beispielsweise bei reinen Parkremplern nur zu einem unbedeutenden Sachschaden (bis etwa 1.500 €) * gekommen ist und der Unfallbeteiligte freiwillig die Feststellungen nachträglich ermöglicht.

Der dann einsetzende „Wettlauf gegen die Zeit“ kann aber diese Milderungsoption verwehren, wenn der Geschädigte oder die Polizei bereits auf anderem Weg Kenntnisse über den Verursacher erhalten hat. Auch losgelöst davon können es insbesondere geringfügige Sachschäden dem Verteidiger eines Beschuldigten ermöglichen, z. B. eine Verfahrenseinstellung mit einer milden Geldauflage zu bewirken.

Höchstbelastend ist es für Beschuldigte, dass sehr schnell die Mobilität gefährdet wird.

Regelmäßig kommt es nämlich in Fällen der Fahrerflucht zur Entziehung der Fahrerlaubnis – meist für alle Klassen – , wenn der Beschuldigte weiß oder wissen kann, dass bei dem Unfall ein bedeutender Fremdschaden (ab etwa 1.500 €) * entstanden ist, was bei den heutigen Werkstattkosten sehr häufig erreicht wird. Erst recht gilt dies, wenn es zu einer Unfallflucht mit Personenschaden kam, also ein Mensch nicht unerheblich verletzt oder gar getötet worden ist.  

Die mit einer Entziehung der Fahrerlaubnis verbundene Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis durch die Führerscheinstelle beläuft sich oftmals auf neun oder auch mehr Monate. Zudem kommt es dann zum Eintrag von drei Punkten in Flensburg.

Ist der verursachte Schaden von geringerer Bedeutung, so kann es immer noch zu einem zeitlich auf einen bis immerhin sechs Monate befristeten Fahrverbot kommen. Im Fahreignungsregister werden dann nur zwei Punkte notiert.  

Eine besondere Schärfe liegt darin, dass die Polizei bei Annahme der Nachweisbarkeit einer Fahrerflucht häufig den Führerschein beschlagnahmt, was zu einem sofortigen Fahrverbot von unbestimmter Dauer führt und Beschuldigte in ihrem privaten und beruflichen Alltag in große Beklemmungen bringt.

Treten noch weitere Begleittaten hinzu (z. B. Fahrten unter Alkohol-, Drogen- oder Medikamenten-Einfluss oder unterlassene Hilfeleistung bei Personenschäden), so kann dies zu deutlich schärferen Sanktionen in jeder der genannten Hinsichten führen.  

Experten-Empfehlung: Beim Vorwurf der Fahrerflucht sofort zum Anwalt!

Zusammenfassend kann schon eine kleine Unachtsamkeit beim Fahren und eine folgenschwere Fehlentscheidung im Anschluss daran dazu führen, dass selbst völlig rechtschaffene und unbescholtene Verkehrsteilnehmer wegen Fahrerflucht strafrechtlich verfolgt werden. Es drohen dann gravierende und häufig sofort spürbare Einschränkungen der Mobilität, teure finanzielle Folgen (Geldstrafe/Versicherung) und zudem diverse Registereintragungen. Mit Unterstützung von einem erfahrenen Rechtsanwalt oder Fachanwalt für Verkehrsrecht ist es aber oft möglich, die Folgen einer Unfallflucht möglichst gering zu halten.

Quelle:
anwalt.de