HANSE-Studie liefert neue Erkenntnisse für gezieltes Lungenkrebs-Screening

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat im Juni 2025 den Weg für ein bundesweites Lungenkrebs-Screening freigemacht. 

Ab April 2026 sollen gesetzlich Versicherte, die über viele Jahre hinweg stark geraucht haben, eine Niedrigdosis-Computertomografie (LDCT) als Früherkennungsuntersuchung in Anspruch nehmen können. Ziel der neuen Leistung ist es, Lungenkrebs deutlich früher zu entdecken und dadurch die Behandlungschancen erheblich zu verbessern.

Dieser Beschluss ist ein Meilenstein der Präventionsmedizin und geht maßgeblich auf wissenschaftliche Erkenntnisse aus Deutschland zurück. Die HANSE-Studie war eine der ausschlaggebenden Untersuchungen, die den G-BA dazu veranlasst haben, die Lungenkrebs-Früherkennung als neue Kassenleistung zu etablieren. Die jetzt veröffentlichten Ergebnisse knüpfen daran an und liefern wertvolle Hinweise zur optimalen Gestaltung des Programms.

An Lungenkrebs erkranken in Deutschland jährlich mehr als 50.000 Menschen. Damit ist das auch Bronchial- oder Lungenkarzinom genannte Krankheitsbild bei Frauen die dritthäufigste und bei Männern die zweithäufigste Krebsart. Hauptursache ist das Rauchen: Je länger und intensiver eine Person geraucht hat, desto höher ist ihr Risiko, Lungenkrebs zu entwickeln. 

Da die Erkrankung oft erst spät Symptome verursacht, wird sie häufig in fortgeschrittenen Stadien entdeckt – mit entsprechend schlechteren Behandlungsmöglichkeiten. Wird Lungenkrebs hingegen früh erkannt, bestehen durch operative Eingriffe sowie Immun- und Chemotherapie deutlich bessere Chancen auf eine erfolgreiche Behandlung.

Klinische Studien untersuchen die Effektivität des Lungenkrebs-Screenings

In den vergangenen Jahren haben internationale Studien gezeigt, dass eine CT-gestützte Früherkennung dazu beitragen kann, Lungenkrebs früher zu entdecken. 

Von zentraler Bedeutung ist dabei die Frage, welche Personen vom Screening profitieren und wie sich Risikogruppen möglichst präzise identifizieren lassen. Denn während Menschen mit hohem Risiko unbedingt teilnehmen sollten, gilt es bei Personen mit geringem Risiko unnötige CT-Belastungen zu vermeiden – auch aus ökonomischen Gründen.

An diesem Punkt setzt die vom Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL) initiierte HANSE-Studie an. Forschende der LungenClinic Grosshansdorf, des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in Lübeck (beide DZL-Standort ARCN) und der Medizinischen Hochschule Hannover (DZL-Standort BREATH) überprüften gemeinsam mit AstraZeneca die Machbarkeit, Akzeptanz und Wirksamkeit eines deutschlandweiten Lungenkrebs-Screenings. Die Ergebnisse wurden jetzt im Fachjournal Lancet Oncology veröffentlicht.

Das Team analysierte, wie zuverlässig ein LDCT-Screening Lungenkrebs erkennt, wenn die Auswahl der Teilnehmenden auf einem umfassenden Risikomodell basiert. Untersucht wurde der PLCOm2012-Score, der neben Alter und Rauchhistorie unter anderem auch Bildungsstand, Körpergewicht, das Vorliegen einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), frühere Krebserkrankungen und familiäre Lungenkrebsfälle berücksichtigt. Zum Vergleich dienten die NELSON-Kriterien, die die Grundlage des geplanten deutschen Screeningprogramms bilden und ausschließlich Alter und Tabakexposition einbeziehen.

Alle Personen, die nach einem der beiden Modelle als Hochrisikopatienten galten, erhielten im Abstand von einem Jahr zwei LDCT-Untersuchungen. Verdachtsfälle wurden interdisziplinär besprochen und bei Bestätigung umgehend behandelt.

Erweiterter Kriterienkatalog erkennt fast 20 Prozent mehr Krebsfälle

Die Ergebnisse sprechen eine klare Sprache: In der PLCOm2012-Gruppe wurden bei rund 4.200 aktuellen oder ehemaligen Rauchenden 108 Lungenkrebsfälle diagnostiziert, in der ähnlich großen NELSON-Gruppe 85 Fälle. Das entspricht 19,4 Prozent mehr entdeckten Erkrankungen – bei nur rund 6 Prozent mehr zu untersuchenden Personen. 

„Wenn wir den umfassenderen PLCOm2012-Score mit einem definierten Schwellenwert zugrunde legen, müssen wir zwar etwa 6 Prozent mehr Personen screenen, finden aber deutlich mehr Lungenkrebsfälle“, erläutert Prof. Martin Reck, Chefarzt des Onkologischen Schwerpunkts an der LungenClinic Grosshansdorf und Letztautor der Studie. „Das macht das Screening effizienter, wir müssen also weniger CT-Untersuchungen durchführen, um einen Fall von Lungenkrebs zu diagnostizieren.“

Frauen profitieren besonders – aktueller Kriterienkatalog greift zu kurz

Die Daten zeigen zudem, dass insbesondere Frauen vom erweiterten Ansatz profitieren würden. In der HANSE-Studie erhielten 2,6 Prozent der Frauen eine Lungenkrebsdiagnose – deutlich mehr als die 1,8 Prozent der Männer. Dennoch erfüllen viele Frauen die derzeit vorgesehenen Einschlusskriterien nicht. 

„Viele der Frauen in unserer Studie rauchen aktiv, haben über ihr Leben hinweg aber weniger Zigaretten geraucht als die Männer und erreichen damit nicht die aktuell in Deutschland geltende Einschluss-Schwelle“, erklärt Dr. Sabine Bohnet, Leiterin des Lungenkrebszentrums am Campus Lübeck des UKSH und Co-Autorin der Studie. „Außerdem haben sie häufiger Lungenkrebs in der Familie, eine eigene Krebsvorgeschichte oder eine zusätzliche COPD-Diagnose. Wir gehen davon aus, dass diese Risikofaktoren bei Frauen schwerer ins Gewicht fallen als bei Männern. Leider werden sie von dem aktuell geltenden Kriterienkatalog nicht abgefragt.“

„Sonst übersehen wir wichtige Risikogruppen“ – Forschende sehen Anpassungsbedarf

Das Ziel des neuen Früherkennungsprogramms ist es, die Sterblichkeit durch Lungenkrebs durch frühere Diagnosen zu senken. Die Ergebnisse der HANSE-Studie zeigen jedoch, dass die derzeit vorgesehenen Kriterien wichtige Risikogruppen nicht erfassen könnten 

„Unsere Studie hat gezeigt, dass es möglich, aber auch nötig ist, die Einschlusskriterien für das Screening basierend auf den Ergebnissen der HANSE-Studie zu ändern“, resümiert Prof. Jens Vogel-Claussen, Direktor der Klinik für Radiologie der Charité und Studienleiter der Untersuchung. „Sonst übersehen wir wichtige Risikogruppen.“

Die Forschenden betonen, dass die Einführung des LDCT-Screenings ein großer Fortschritt in der Lungenkrebsvorsorge ist. Dank der neuen Daten liegen nun wichtige Impulse für die Weiterentwicklung des Programms vor. 

Die HANSE-Studie unterstreicht nicht nur die hohe Umsetzbarkeit des Screenings in der Versorgung, sondern liefert auch zentrale wissenschaftliche Argumente dafür, das Programm künftig präziser, geschlechtergerechter und effizienter zu gestalten.

Über die HANSE-Studie
Die HANSE-Studie ist ein Investigator-Initiated Trial, wurde also von den Forschenden selbst initiiert. Verglichen wurden die NELSON-Einschlusskriterien mit einem PLCOm2012-Score, der einem Sechs-Jahres-Risiko für das Auftreten von Lungenkrebs von mindestens 1,58 Prozent entspricht. Die Teilnehmenden wurden an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein am Campus Lübeck und der LungenClinic Grosshansdorf rekrutiert. 

Die drei Standorte sind von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) zertifizierte Lungenkrebszentren. Gefördert wurde die Studie durch das DZL und im Rahmen der Lung Ambition Alliance durch AstraZeneca. 

Die HANSE-Studie wird fortgesetzt: Zwischen Herbst 2025 und Sommer 2026 erhalten bereits eingeschlossene Teilnehmende mit hohem Lungenkrebsrisiko ein weiteresn CT-Screening. Darüber hinaus wird erstmals untersucht, ob sich Biomarker im Blut identifizieren lassen, die künftig eine noch frühere Diagnose von Lungenkrebs ermöglichen könnten. Ziel ist es, die Präzision und Wirksamkeit des Screenings weiter zu verbessern.

Quellen:
ARCN | Lungenkrebsvorsorge wird Kassenleistung: HANSE-Studie definiert, wer teilnehmen sollte - https://www.arcn.de/neuigkeiten/lungenkrebsvorsorge-wird-kassenleistung-hanse-studie-definiert-wer-teilnehmen-sollte/

Lungenkrebs-Früherkennung für Raucherinnen und Raucher – Gemeinsamer Bundesausschuss - https://www.g-ba.de/themen/methodenbewertung/erwachsene/krebsfrueherkennung/lungenkrebs-screening/

Originalpublikation:
Vogel-Claussen J, Bollmann BA, May K, Stiebeler S, Dettmer S, Faron A, Kuhlmann A, Schmid-Bindert G, Kaaks R, Barkhausen J, Bohnet S, Reck M; HANSE investigators. Effectiveness of NELSON versus PLCOm2012 lung cancer screening eligibility criteria in Germany (HANSE): a prospective cohort study. Lancet Oncol. 2025 Nov 10:S1470-2045(25)00490-5. doi: 10.1016/S1470-2045(25)00490-5. Epub ahead of print. PMID: 41232542.