Hantaviren: Die Gefahr aus der Garage

Infektionen mit Hantaviren sind – auch bedingt durch den Klimawandel – in Deutschland auf dem Vormarsch.

Im vergangenen Jahr wurden beim Robert-Koch-Institut mehr als 1.700 Fälle der meldepflichtigen Erkrankung angezeigt. Hauptausbruchregionen waren unter anderem das Münsterland und das Tecklenburger Land. Dazu der Leiter des Instituts für Molekulare Virologie und Standortleiter der Nationalen Forschungsplattform für Zoonosen, Prof. Stephan Ludwig, im Interview.

Herr Prof. Ludwig, das Hantavirus ist nicht unbedingt jedem bekannt: Wo kommt es vor und welche Auswirkungen hat es, wenn ich mich damit infiziere?

Das Hantavirus kommt weltweit vor. In Mitteleuropa haben wir im Prinzip zwei Stämme: Der eine kommt aus Finnland und ein weiterer vom Balkan. Die hiesigen Hanta-Arten sind nicht so lebensbedrohlich wie andere Hantaviren beispielsweise in Südostasien oder auch in den USA. Aus Südostasien – nämlich aus Korea – hat das Virus auch seinen Namen: Dort fließt der Fluss Hantan und in dessen Nähe haben sich im Korea-Krieg viele Soldaten infiziert.

Angezeigt wurden 3.000 Fälle von schwerem Fieber und auch Nierenversagen mit damals unbekanntem Ursprung. Da hat das Virus seinen Lauf genommen. Wie gesagt: In Mitteleuropa sind diese Stämme nicht so pathogen, also nicht so aggressiv. Wir haben hier eine Sterblichkeit von etwa einem Prozent. In Südostasien und den USA verursachen die dortigen Stämme eine Mortalität von bis zu dreißig Prozent, wobei man sagen muss, dass die Dunkelziffer vielleicht noch höher ist.

Trotzdem verzeichnete das Robert-Koch-Institut 2017 viele Fälle von Hanta-Infektionen

Ja, da kommen wir zu dem Punkt: Was geht uns das denn hier alles an? Die Viren haben einen Wirt im Tierreich – das sind hier in Mitteleuropa die Rötelmäuse. Infizierte Mäuse tragen das Virus ein Leben lang, werden aber selbst nicht krank. Sie scheiden aber den Erreger insbesondere mit dem Kot aus.

Der Klassiker der Infektion in unserem Bereich ist, dass man sich über den Staub von Mäusekot durch die Luft aerosolisch infiziert – etwa beim Ausmisten der Garage, des Kellers  oder des Geräteschuppens. Insofern kann es jeden treffen, betrifft aber häufig auch Menschen, die in der Natur arbeiten, etwa im Wald, wo es viele Rötelmäuse gibt.

Was kann ich tun, um eine Infektion zu vermeiden?

Zunächst kann ich mir mit Atemmasken behelfen, diese sollten aber besonders dicht sein. Oder man feuchtet das Arbeitsumfeld ein wenig an, so dass der Staub nicht aufgewirbelt wird.

Wenn man in so einem Umfeld gearbeitet hat und dann plötzlich sehr schnell sehr hohes Fieber bekommt, Kopf- und Gliederschmerzen hinzukommen, Sehstörungen oder sogar Probleme mit den Nieren, dann sollte man das unbedingt seinem Arzt mitteilen! Denn gerade in den ersten Tagen würden auch Ärzte die Symptome wohl mit einer Grippe verwechseln, vor allem wegen der starken Kopf- und Gliederschmerzen.

Neben der Infektionsquelle durch Mäusekot kann man sich übrigens auch infizieren durch Mäusebisse oder den Verzehr von Lebensmitteln, die von Mäusen angeknabbert wurden. Auch Tierfutter wird gerne von Mäusen befallen.

Wie spielt da der Klimawandel mit hinein?

Das Hantavirus ist ein sehr schönes Beispiel dafür, wie Gesundheit, Virologie, Ökologie, und Klimaveränderung zusammenhängen. Denn die Ansteckungsgefahr hat offensichtlich immer etwas zu tun mit der Zahl der Rötelmäuse, die es gerade in der Saison gibt.

Rötelmäuse ernähren sich insbesondere von Bucheckern und wir haben wiederkehrend etwa alle zwei, drei Jahre eine Phase, in der es sehr viele davon gibt. Im Folgejahr dieser sogenannten Buchenmast gibt es dann sehr viel mehr Rötelmäuse. Dementsprechend steigt auch die Zahl der Infektionen mit dem Hantavirus in der Saison, wie das 2017 der Fall war. Das Ganze hat auch deshalb etwas mit dem Klimawandel zu tun, weil die Mäuse nicht mehr durch kalte Winter dezimiert werden.

Wie behandelt man eine Infektion mit Hantaviren?

Infektionen werden meist nur hinsichtlich ihrer Symptome behandelt, mit Schmerzmitteln oder Medikamenten zur Aufrechterhaltung der Nierenfunktion. Es gibt weder eine Impfung noch antivirale Medikamente, da sucht man fieberhaft.

Gibt es in Deutschland Forschungsinitiativen die sich mit der Verbreitung des Hantavirus und möglichen Therapien befassen?

Wir hier in Münster sind Koordinationsstandort der Nationalen Forschungsplattform für Zoonosen. Das reicht von der Durchführung von Veranstaltungen bis hin zur Begutachtung von Forschungsanträgen. Und da beschäftigen wir uns tatsächlich in spezifischen Netzwerken mit dem Bereich der durch Nagetiere übertragenen Zoonosen, wie der Infektion mit dem Hantavirus.

Auf diesem Feld sind insgesamt rund 600 Wissenschaftler aus der Humanmedizin, der Tiermedizin und der Forschung engagiert, etwa die Hälfte von ihnen nimmt an unseren jährlichen Zoonose-Kongress teil. Das ist ein großer Erfolg, weil er die ursprüngliche Kluft zwischen Human- und Tiermedizin aber auch anderen Forschern überbrückt und wir gemeinsam in sehr vielen integrativen Projekten an der Bekämpfung von Zoonosen arbeiten.

  Ein großes Projekt befasst sich mit dem Auftreten und der Belastung von Nagern unter anderem mit dem Hantavirus.

Sie sagten, dass es letztlich kein antivirales Medikament zur Behandlung einer Infektion gibt? Kann das nicht zur großen Gefahr werden?

Es gibt gegen viele Viren einfach noch kein Mittel, auch weil Viren die Eigenschaft haben, sich ständig in ihrem Aufbau zu verändern, so dass die Viren sich der Entwicklung eines treffsicheren Medikamentes leicht zu entziehen wissen. Wenn man dann noch davon ausgeht, dass die Entwicklung eines Medikaments rund 10o Millionen Euro kostet und dass zum Beispiel von Hantaviren nur eine kleine Gruppe von Patienten betroffen ist, dann hat man noch eine zusätzliche Idee, warum es das noch nicht gibt. Letztlich müssen wir an der Entwicklung eines Breitband-Antiinfektivums arbeiten. Genau das tun wir hier. Wir haben erste Hinweise darauf, dass unsere Ansätze perspektivisch auch gegen Hanta wirksam sein könnten. Wir nutzen dabei aus, dass jedes Virus eine Zelle braucht, um sich zu vermehren, d.h. es ist abhängig von Faktoren in dieser Zelle. Wenn wir ihnen diese Grundlage zur Vermehrung entziehen, kann das Virus so einen Angriff schwer umgehen. Vereinfacht ausgedrückt: Wir nehmen dem Virus seine Verbreitungsgrundlage.

Quelle:
Pressemitteilung Universitätsklinikum Münster - www.ukmuenster.de