Aktualisierte Leitlinie „Neurogene Dysfunktion des unteren Harntrakts beim Erwachsenen“

Die S1-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der neurogenen Dysfunktion des unteren Harntrakts beim Erwachsenen“ wurde aktuell in einer vollständigen Überarbeitung publiziert.

Neben der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) unter der Federführung von Dr. Albert Kaufmann, Neuro-Urologie, Schweizer Paraplegiker-Zentrum, Nottwil, Schweiz, und Dr. Andreas Hildesheim, Querschnittgelähmtenzentrum/Evangelisches Stift, Koblenz, waren auch die Österreichische Gesellschaft für Neurologie (ÖGN) und die Schweizerische Neurologische Gesellschaft (SNG) an der Leitlinienerstellung beteiligt.

Dysfunktionen des unteren Harntrakts und der Sexualfunktion sind eine wesentliche Ursache für reduzierte Lebensqualität und Komplikationen bei Patientinnen und Patienten mit neurologischen Erkrankungen. Insbesondere bei Querschnittlähmungen, Multipler Sklerose und Parkinson-Syndromen sind die Frequenzen für Funktionsstörungen hoch.

Die neuronale Steuerung der Blase kann auf verschiedenen Ebenen geschädigt werden, in der Füll- oder auch Speicherphase sowie der Entleerungs- bzw. Miktionsphase. Die resultierenden neurogenen Funktionsstörungen lassen sich im Wesentlichen nach dem Läsionsort in unterschiedliche Schädigungsbilder einteilen, die zu unterschiedlichen Beschwerdebildern führen. 

Der strukturierten Anamnese kommt daher eine besondere Bedeutung zu. Neu ist darüber hinaus die Empfehlung zur Restharnmessung (sonographisch oder per Einmalkatheterismus) als Screening-Methode neben der Harnanalyse, dem Miktionsprotokoll sowie urodynamischen und Laboruntersuchungen.

Bei einer Detrusorüberaktivität können therapeutisch ein Blasentraining, die pharmakologische Therapie mit einem Antimuskarinikum (Anticholinergikum), die sakrale Neuromodulation, die intravesikalen Botulinumtoxin-Injektionen sowie die Blasenaugmentation erfolgreich eingesetzt werden. Neu ist der Einsatz selektiver Agonisten des humanen β-3-Adrenozeptors, auch wenn die klinischen Erfahrungen aktuell noch begrenzt sind.

Bei einem hypokontraktilen Detrusor sollten ein Therapieversuch mit einer vorübergehenden suprapubischen Harndauerableitung, eine Therapie mit einem Alphablocker, eine sakrale Neuromodulation sowie ein sauberer Einmalkatheterismus unternommen werden. Cholinergika und die intravesikale Elektrostimulation werden aufgrund der unzureichenden Evidenz nicht mehr empfohlen.

Des Weiteren gibt die neue Leitlinie [1] detaillierte Empfehlungen zum therapeutischen Vorgehen bei Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie, bei einem hypoaktiven Sphinkter und bei Nykturie.

Quelle:
Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) - Mitteilung vom 21. November 2025

[1] Kaufmann A., Hildesheim A. et al., Diagnostik und Therapie der neurogenen Dysfunktion des unteren Harntrakts, S1-Leitlinie, 2025, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien