Jeder Zweite würde sich lieber von KI therapieren lassen
Eine Studie aus 2021 zeigt: Mehr als die Hälfte der Befragten würde einen KI-Therapeuten bevorzugen – wegen der Objektivität von Maschinen und ständiger Verfügbarkeit.
Dennoch fürchten sie mangelhaften Datenschutz. Berechtigt: ChatGPT etwa muss seit kurzem sämtliche Chats speichern.
Chatten hilft in der Seelenkrise
Wie wirksam sind digitale Therapeuten? Eine klinische Studie mit dem KI-Tool "Therabot" liefert erstaunliche Ergebnisse: Bei Patienten mit schweren Depressionen reduzierte die App die Symptome um über 50 Prozent. Bei Angststörungen verbesserten sich die Werte um mehr als 30 Prozent, bei schwer behandelbaren Essstörungen immerhin um fast 20 Prozent.
Die Leistung des digitalen Therapieangebots war laut Forschern mit der von menschlichen Therapeuten vergleichbar. Interessant: Je menschlicher KI wirkt, desto verschlossener sind die Patienten, wie eine koreanische Untersuchung zeigte.
Jede siebte Arztpraxis nutzt bereits KI
Die hohe Wirksamkeit digitaler Therapieangebote spiegelt sich auch in einer wachsenden Akzeptanz unter Ärzten wider. Laut einer Befragung des Bitkom und des Hartmannbundes unter mehr als 600 Medizinern betrachten 78 Prozent der Ärzte KI als enorme Chance für die Medizin. Zwei Drittel fordern sogar eine besondere Förderung des KI-Einsatzes in Deutschland.
Laut Bitkom-Befragung nutzt bereits jede siebte Arztpraxis KI zur Diagnosestellung oder Verwaltung. Im Klinikbereich setzt sogar fast jede fünfte Einrichtung solche Systeme ein.
Eine weitere Umfrage unter rund 6.700 Fachärzten bestätigt diesen Trend: 89 Prozent der befragten Ärzte sind überzeugt, dass Künstliche Intelligenz besonders für die medizinische Diagnostik große Chancen bietet. Drei Viertel (74 Prozent) erwarten zudem Verbesserungen in der Behandlung durch KI-Systeme.
KI fördert Kreativität – und Kreativität heilt
Die Forschung zu therapeutischen KI-Anwendungen konzentriert sich auf verschiedene Ansätze. Eine Studie an der Universität Exeter untersuchte die Wirkung von KI beim kreativen Schreiben – einer etablierten therapeutischen Methode. Die Ergebnisse: Der Einsatz von KI steigerte die Kreativität der Teilnehmer deutlich. Am meisten profitierten die weniger kreativen Autoren.
Eine Studie des University of Chicago Medical Center zeigte besonders eindrucksvolle Ergebnisse: Patienten mit Angststörungen schrieben regelmäßig Tagebuch mithilfe von digitalen Hilfsmitteln. Dadurch verringerten sich ihre Angstsymptome im Schnitt um 37 Prozent innerhalb von zwölf Wochen. Eine Kontrollgruppe schrieb kein digitales Tagebuch. Bei ihr verbesserten sich die Symptome nur um 12 Prozent.
Eine andere Arbeit im Journal Computers in Human Behavior zeigte, dass zwar handschriftliches Schreiben rund 8 Prozent effektiver ist. Aber Patienten mit digitalem Tagebuch brachen die Schreibtherapie rund 30 Prozent seltener ab.
Online gehen statt zum Therapeuten fahren
Vor allem in ländlichen Gegenden Deutschlands gibt es zu wenige Psychotherapeuten. Dort könnten digitale Therapieangebote mit künstlicher Intelligenz besonders helfen und die Versorgung verbessern.
Prof. Dr. Birgit Wagner von der Universität Leipzig konnte in einer Studie zeigen: Online-Schreibtherapie hilft Menschen mit schwerer Trauer. Die Therapie wirkte gut bis sehr gut. Der positive Effekt hielt mindestens anderthalb Jahre an.
Eine andere Studie mit Patienten zeigte: Ein Chatbot half Menschen mit Depressionen, Angst oder Essstörungen genauso gut wie echte Therapeuten.
Schreiben heilt
Die Forschung des Psychologen Dr. James Pennebaker belegt seit den 1980er Jahren die heilende Wirkung des Schreibens über persönliche Erlebnisse. Es reduziert nachweislich Stress, stärkt das Immunsystem und verbessert die psychische Gesundheit messbar. Diese etablierten Methoden können durch KI-Anwendungen nun noch gezielter und individueller eingesetzt werden.
Fachleute betrachten KI-Therapien nicht nur als Behelf. Viele halten sie für eine sinnvolle Ergänzung zur Psychotherapie. Das gilt besonders für Menschen, die lange auf einen Therapieplatz warten oder in Regionen mit zu wenigen Therapeuten leben.
Über den Autor
Gidon Wagner ist Experte für Online-Kommunikation, KI und Verständlichkeit. Er ist Geschäftsführer der WORTLIGA Tools GmbH. Das Unternehmen entwickelt Werkzeuge für professionelle Texte – darunter die WORTLIGA Textanalyse für verständliche Sprache und ansprechende KI-Texte sowie den WORTLIGA Ghostwriter, ein KI-System für faktenbasiertes Schreiben nach journalistischen Standards.
Wagner ist Autor des Fachbuchs Der Klartext-Effekt (Springer Gabler) und berät unter anderem Generali und die Tagesschau.
Quellen
• https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0747563222000954
• https://www.sciencedir...5323001168
• www.de.mi4people.org/post/die-therapeutische-grenze-k%C3%BCnstliche-intelligenz-in-der-psychischen-gesundheitsversorgung
• www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/KI-in-Praxis-und-Kliniken-im-Einsatz
• www.hamburg040.com/menschen/2025/telemedizin-und-ki-wie-entwickelt-sich-das-deutsche-gesundheitswesen/72274
• www.ingenieur.de/technik/fachbereiche/kuenstliche-intelligenz/texten-mit-ki-kreativitaetsboost-oder-einheitsbrei/
• www.thesupportivecare.com/blog/the-power-of-journaling-for-managing-stress-and-anxiety
• www.medical-tribune.de/medizin-und-forschung/artikel/neue-icd-11-kriterien-erleichtern-diagnose-und-therapie-der-pathologischen-trauer
• www.geiselmed.dartmouth.edu/news/2025/the-first-trial-of-generative-ai-therapy-shows-it-might-help-with-depression-mit-technology-review /
• www.behringer24.de/open-journaling/