Bundestagswahl im Pflege-Check

Warum die Forderungen in den Wahlprogrammen nicht ausreichen

Deutschland leidet nicht erst seit der Corona-Pandemie unter akutem Pflegekräftemangel. Doch erst durch die Krise ist das von der Politik oftmals ignorierte Problem nun auch im Bundestagswahlkampf stärker in den Fokus gerückt.

„Lange Zeit hat die Politik Pflegekräfte und Pflegebedürftige im Stich gelassen. Unsere aktuellen Probleme wie der demografische Wandel waren schon vor Jahren absehbar, aber effektive Lösungen wurden nicht angestrebt. Ohne tiefgreifende Veränderungen wird unser Pflegesystem in den nächsten Jahren unter der steigenden Anzahl an Pflegebedürftigen kollabieren, insbesondere auch deshalb, weil aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen fast niemand mehr in der Pflege arbeiten möchte. Die Parteien müssen nach der Wahl also dringend einen Wandel in der Pflegebranche vorantreiben“, warnt Markus Küffel, Gesundheitswissenschaftler, examinierte Pflegefachkraft und Geschäftsführer der Pflege zu Hause Küffel GmbH.

Bessere Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte

Um den Personalmangel zu beheben, hat sich zwar jede Partei die Forderung nach attraktiveren Arbeitsbedingungen in ihr Wahlprogramm geschrieben, oftmals fehlen allerdings konkrete Pläne, wie diese erreicht werden sollen. Kleine Maßnahmen und Veränderungen werden nicht ausreichen.

Um auf Dauer mehr junge Menschen für den Beruf zu begeistern, braucht es nach der Wahl dringend einen kompletten Imagewechsel. Das bedeutet zum einen mehr gesellschaftliche Anerkennung für die Pflege und zum anderen bessere Rahmenbedingungen, beispielsweise echte Alternativen zu belastenden Schichtdiensten und Wochenendarbeit.

„Vollkommen unabhängig davon, welche Partei sich am Ende mit ihrem Programm durchsetzt – letztendlich müssen auf Worte auch Taten folgen. Als aktuelle Regierungspartei beruft sich die CDU/CSU in ihrem Wahlprogramm beispielsweise darauf, dass sie in dieser Legislaturperiode eine Pflegereform durchgeführt hat, die für eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte sorgt. Tatsächlich war diese Reform allerdings lediglich ein halbherziger Schnellschuss. Selbstverständlich sind Maßnahmen wie eine Tarifsteigerung wichtig, aber auf keinen Fall ausreichend“, meint Markus Küffel.

Verschiedene Pflegemodelle fördern

Pflege und Betreuung ist außerdem nicht nur Thema der professionellen Pflege. Auch pflegende Angehörige und Laienpflegekräfte aus Osteuropa dürfen von der Politik nicht vergessen werden. Die Grünen und die SPD fordern deshalb beispielsweise in ihren Wahlprogrammen, pflegenden Angehörigen zu ermöglichen, bezahlte Auszeiten von der Erwerbstätigkeit zu nehmen – ähnlich wie bei der Elternzeit.

Aber auch finanziell braucht es individuellere Unterstützung für Angehörige und Pflegebedürftige unabhängig von der gewählten Pflegeform.

„Aktuell ist eine Unterbringung im Heim für Menschen mit geringem Vermögen am attraktivsten, da die Pflegeversicherung die stationäre Unterbringung am stärksten bezuschusst. So werden arme Menschen praktisch dazu gedrängt, in ein Altenheim zu ziehen. Ein individueller Geldbetrag je nach Pflegegrad unabhängig davon, ob er für stationäre oder häusliche Pflege eingesetzt wird, würde stattdessen die Selbstbestimmung der Pflegebedürftigen erhalten“, erklärt Markus Küffel.

Des Weiteren braucht es von der Politik verbindliche Standards und eine offizielle Anerkennung für die sogenannte 24-Stunden-Pflege.

Dieses Modell mit Betreuungskräften aus Osteuropa muss so reguliert werden, dass es in Zukunft nicht mehr mit geltendem Recht in Konflikt steht und auch für den breiten Mittelstand möglich wird. In keinem Wahlprogramm lässt sich diesbezüglich ein wirklicher Meilenstein finden

„300.000 Familien beschäftigen aktuell eine osteuropäische Pflegekraft, die meisten illegal. Schwarzarbeit ist für die meisten Familien mit Rente und etwas Pflegegeld noch gut bezahlbar und aus diesem Grund der letzte Ausweg für viele Betroffene. Es kann und darf doch nicht erwünscht sein, dass man Pflegebedürftige und Betreuungskräfte in Ermangelung an politischem Willen auf diese Art und Weise kriminalisiert! Die Politik schaut hilflos − ja fast ohnmächtig zu. Die aktuelle Rechtslage geht komplett an den Bedürfnissen der Bürger vorbei, die Politik sollte endlich einsehen, dass dieses Betreuungsmodell schon lange zur Lebensrealität vieler Menschen gehört, und sich für regulierende Gesetze stark machen. Leider ist anhand der Wahlprogramme allerdings nicht erkennbar, dass dies in der kommenden Legislaturperiode geschehen wird“, resümiert Markus Küffel.

Weitere Informationen unter www.pflegezuhause.info/de