Erste S3-Leitlinie zur Divertikelkrankheit/Divertikulitis

Weitreichende Diagnose- und Therapieempfehlungen

Ungefähr die Hälfte der deutschen Bevölkerung über 70 Jahre leidet nach Angaben von Gesundheitsinformation.de unter Divertikeln, also Ausstülpungen in der Darmschleimhaut.

Entzünden sich diese Divertikel, spricht man von einer Divertikulitis, wie auch Papst Franziskus sie im Sommer hatte.

Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) e. V. veröffentlicht nun erstmals gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) eine S3-Leitlinie.

Diese umfasst die gesamte Patient Journey - von der Diagnose bis zur ambulanten sowie stationären Therapie - und soll Ärztinnen und Ärzten klare Handlungsempfehlungen geben.

Die Divertikulose ist in der deutschen Bevölkerung über 70 Jahren weit verbreitet und bezeichnet das Vorhandensein von Divertikeln, also Ausstülpungen, in der Darmschleimhaut.

Am häufigsten kommen diese im sogenannten Sigma, dem letzten Teil des Dickdarms, vor.

Die Divertikel an sich stellen keine Gefahr dar, können sich aber entzünden und müssen dann behandelt werden.

Um Patientinnen und Patienten eine evidenzbasierte Diagnose und Behandlung zu bieten, wurde nun erstmalig eine S3-Leitlinie zur Divertikulitis veröffentlicht.

„Oft stellt sich die Frage, konservativ oder operativ zu therapieren. Die interdisziplinäre Leitlinie gibt Empfehlungen, wann welche Therapieform am besten ist“, erklärt Professor Dr. med. Wolfgang Kruis, Leilinienkoordinator der DGVS.

Eine unkomplizierte Divertikulitis stellt im Regelfall keine Indikation für eine Operation dar.

Anders sei dies bei komplizierten und wiederkehrenden Verläufen.

„Betroffene profitieren in diesen Fällen von einer Entfernung des betroffenen Darmabschnitts. So bekommen sie einen großen Teil Lebensqualität wieder zurück“, so Professor Dr. med. Christoph-Thomas Germer, Leitlinienkoordinator und Klinikdirektor Chirurgie I am Uniklinikum Würzburg.

„Die Lebensqualität ist das zentrale Kriterium bei der Indikationsstellung und der entsprechenden Klassifizierung“, erläutert Kruis weiter.

Um die Fälle klassifizieren zu können, wurde in der vorausgehenden Sk2-Leitlinie die „Classification of Diverticular Disease“ (CDD) eingeführt, die mittlerweile im klinischen Alltag etabliert ist.

Die aktuelle Leitlinie beschreibt die Diskussionen um Definitionen und kommt zu Klärungen.

„Wir freuen uns sehr, dass unsere Klassifikation großen Zuspruch, auch international, erfährt und dass wir damit vielen Kolleginnen und Kollegen ein Hilfsmittel an die Hand geben konnten“, erläutert Germer.

Die Klassifikation hilft ebenfalls bei der Klärung der Versorgungsfrage: Unkomplizierte Verläufe können, bei entsprechender Betreuungsintensität, ambulant versorgt werden. Kompliziertere Verläufe oder wenn die Betreuung intensiver ist, bedürfen der Einweisung in ein Krankenhaus.

Eine klare Absage erhält bei der Klassifikation und somit der Diagnosestellung das Röntgen und die Koloskopie.

Genauso wenig reicht die reine Betrachtung der Symptome und des Blutbilds:. „Wir empfehlen Schnittbildverfahren wie die Computertomographie (CT) oder den Ultraschall. Zu betonen ist allerdings, dass es sich hierbei um ergänzende und nicht um konkurrierende Verfahren handelt, die jeweils ihre eigenen Vor- und Nachteile haben“, erklärt Professor Dr. med. Ludger Leifeld, Koordinator der Leitlinie und Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Gastroenterologie am St. Bernward Krankenhaus in Hildesheim.

Litten bisher vor allem ältere Menschen unter einer Divertikulitis, nimmt die Prävalenz auch in jüngeren Bevölkerungsgruppen, also unter 50 Jahren, zu.

Gründe hierfür liegen vor allem im westlichen Lebensstil: Mangelnde Bewegung, der Konsum von Genussmitteln und eine fleischhaltige ballaststoffarme Ernährung.

Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)
wurde 1913 als wissenschaftliche Fachgesellschaft zur Erforschung der Verdauungsorgane gegründet. Heute vereint sie mehr als 6500 in Klinik und Forschung tätige Ärztinnen und Ärzte unter einem Dach.

Die DGVS fördert sehr erfolgreich wissenschaftliche Projekte und Studien, veranstaltet Kongresse und Fortbildungen und unterstützt aktiv den wissenschaftlichen Nachwuchs.

Ein besonderes Anliegen ist der DGVS die Entwicklung von Standards und Behandlungsleitlinien für die Diagnostik und Therapie von Erkrankungen der Verdauungsorgane – zum Wohle der Patientinnen und Patienten.

Wer gern mehr erfahren möchte, schaut bitte direkt unter Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) e.V. - www.dgvs.de


Literatur:
•       Lock J, Wiegering A, Germer C-T. Indications for surgical treatment of diverticular disease. Chirurg. 2021;92(8):694–701.

•       Bolkenstein HE, Consten ECJ, van der Palen J, van derWall BJM, Broeders IAMJ, Bemelman WA, Lange JF, Boermeester MA, Draaisma WA, Dutch Diverticular Disease (3D) Collaborative Study Group. Long-term Outcome of Surgery Versus Conservative Management for Recurrent and Ongoing Complaints After an Episode of Diverticulitis. 5-year Follow-up Results of a Multicenter Randomized Controlled Trial (DIRECT-Trial). Ann Surg. 2019;269(4):612–620

•       Pfützer RH, Kruis W. Management of diverticular disease. Nat Rev Gastroenterol Hepatol. 2015;12(11):629–38

•       Arnd-Oliver Schäfer. Divertikelkrankheit: stadiengerechte bildgebende Diagnostik. Chirurg 2021; 92:688–693. Chirurg. 2021;92(8):694–701

•       Gesundheitsinformation https://www.gesundheitsinformation.de/behandlung-der-akutendivertikulitis.html

Zur Leitlinie:
 https://www.dgvs.de/wissen/leitlinien/leitlinien-dgvs/divertikulitis/