Lasst mich sitzen!

Jungvögel überleben in freier Natur am besten

Der Frühsommer ist die Zeit der Tierkinder. Bei vielen Vogelarten sind die Jungen jetzt aus der Nestlingsphase herausgewachsen und nun so genannte „Ästlinge“. Diese „Halbstarken“ haben das elterliche Nest verlassen, sind aber noch nicht voll flugfähig. Gern hüpfen sie auf niedrigen Ästen oder dem Boden herum. Bei so manchem regt sich Mitleid, wenn sie einen solchen piepsenden, scheinbar verwaisten Jungvogel erblicken.

Doch die jungen Ästlinge werden auch außerhalb des Nestes von ihren Eltern beschützt und mit Futter versorgt.

„Die ständigen Rufe der Jungvögel sind Kontakt- und Bettelrufe“, erklärt André Hallau, Leiter der NABU Wildvogelstation in Berlin, „die Eltern wissen so genau, wo ihre verstreut hockenden Jungen sind und welches von ihnen gerade Hunger hat.“ Fast alle Singvogelarten zeigen ein ähnliches Verhalten.

Nur bei Gefahr eingreifen
Beobachter sollten also nicht vorschnell handeln: „Nur wenn die Jungvögel in Gefahr sind, etwa auf der Fahrbahn einer Straße sitzen oder sich anderen Gefahrenquellen nähern, darf der Mensch eingreifen“, so Hallau. Es kann z. B. sinnvoll sein, die Tiere in eine nahegelegene Hecke oder ein Gebüsch setzen.

Die Altvögel finden ihre Jungen in einem Radius von maximal 50 m problemlos wieder und nehmen sie auch an. Der „Fremdgeruch“ scheint die Vögel, im Gegensatz zu manchen Säugetieren, nicht zu stören.

Noch nackte Jungvögel hingegen, die weder stehen noch hüpfen können, sollten möglichst vorsichtig ins Nest zurückgesetzt werden – wenn man eines findet.

Vollwaise oder voll versorgt?
Wer unsicher ist, ob die Vogeleltern das Jungtier versorgen, sollte die Jungvögel aus einem Versteck heraus oder aus größerer Entfernung etwa zwei Stunden im Blick  ehalten. In den meisten Fällen wird man nach einiger Zeit beobachten können, dass sich die scheuen Elternvögel vorsichtig nähern und sich um ihren Nachwuchs kümmern.

Handaufzucht: aufgepäppelt, aber oft nicht überlebensfähig
Die Aufzucht von Jungvögeln durch Laien glückt in den seltensten Fällen. Es ist eine schwierige Aufgabe ist, die man nicht "mal eben" nebenbei bewältigen kann. Die Tiere müssen regelmäßig und häufig gefüttert werden, was für die meisten Berufstätigen kaum realisierbar ist. Vor allem ist es schwierig, die richtigen Futtertiere in der notwendigen Menge zu bekommen.

Und selbst wenn die Pfleglinge mühsam aufgezogen wurden, ist fraglich, ob sie überlebensfähig sind. Fehlprägungen, Wachstumsstörungen und Befiederungsprobleme, die eine künstliche Aufzucht verursachen können, enden im Spätherbst oder Winter oft unbemerkt mit dem Tod des Vogels.

Im Notfall an Fachleute wenden
Um Jungvögeln wirklich zu helfen, sollten deshalb nur solche Tiere aufgenommen werden, die tatsächlich verletzt sind oder aber ganz sicher nicht durch Elternvögel versorgt werden, z. B. weil durch Unwetter, Baumaßnahmen oder dergleichen der Nistplatz zerstört ist. Damit eine tiergerechte Aufzucht gewährleistet ist und um die Gefahr der Fehlprägung auf den Menschen zu vermeiden, sollten solche Jungvögel nach Möglichkeit in eine anerkannte Auffangstation oder Vogelpflegestation gebracht werden. Diese können bei den Ortsgruppen des NABU (www.nabu.de), den Naturschutzbehörden oder auch bei Tierärzten oder Tierheimen nachgefragt werden.

Lebensraum schaffen hilft am besten
„Was unseren heimischen Vögeln viel mehr hilft, ist, ihre Lebensräume zu erhalten bzw. Veränderungen behutsam zu gestalten“, meint Hallau. Wenn beispielsweise Häuser saniert  werden, fallen oftmals Brutmöglichkeiten in Nischen weg. Wer hier Ersatz schafft, tut viel mehr für den plusterigen Nachwuchs, als jemand, der mit einem gefundenen Jungvogel zum Tierarzt pilgert.

Weitere Informationen finden Sie auch direkt beim Deutschen Grünen Kreuz e. V. unter www.dgk.de