Zur Zulässigkeit von Ein-Sterne-Bewertungen und kritischen Kommentaren ohne geschäftlichen Kontakt

Ein Rechtsanwalt kann die Löschung von kritischen Kommentaren und Ein-Sterne-Bewertungen eines Prozessgegners auf seiner Google Geschäftsseite verlangen

Der Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger ist Rechtsanwalt und betreibt eine Kanzlei. Die Kanzlei ist in Google gelistet und wird über „Google My Business“ beworben. Der Beklagte gibt unter seinem Klarnamen folgende „Ein-Sterne-Bewertung“ über die klägerische Kanzlei bei Google ab: „Nicht empfehlenswert und kritisch: Professionalität“.

Der Beklagte ist nie Mandant des Klägers gewesen, sondern war in einem Prozess vor dem Landgericht Stuttgart Beklagter, in dem der Kläger die Klägerseite vertreten hatte.

Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm ein Unterlassungs- und Löschungsanspruch zustehe, weil die beanstandete Rezension in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eingreife.

Die Aussagen seien geeignet, das Ansehen des Klägers zu beschädigen.

Aufgrund des Nichtvorliegens von Geschäftsbeziehungen sei das Interesse des Klägers an der Wahrung seiner (Berufs-)Ehre gewichtiger als das Interesse des Beklagten, seine Geringschätzung auszudrücken.

Der Beklagte wiederum ist der Auffassung, bei seiner Bewertung handele es sich um eine zulässige Meinungsäußerung. Es liege keine Schmähkritik oder Beleidigung vor und es werde nicht behauptet, in einer Geschäftsbeziehung zum Kläger zu stehen. Die Bewertung beruhe auf eigenen Erfahrungen.

Das Landgericht gibt der Klage in erster Instanz statt. Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten.

Die Berufung hat keinen Erfolg. Die Bewertung stelle sich als Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und in den sozialen Geltungsanspruch des Klägers dar.

Dieses verfassungsrechtliche gewährleistete Recht schütze das Interesse daran, dass die wirtschaftliche Stellung nicht durch inhaltlich unrichtige Informationen oder Wertungen, die auf sachfremden Erwägungen beruhten oder herabsetzend formuliert seien, geschwächt werde und andere Marktteilnehmer deshalb von Geschäften abgehalten werden.

Zudem entstehe im Kontext der Bewertung aus Sicht eines durchschnittlichen Lesers der Eindruck, der Beklagte sei mit dem Leistungsangebot der Kanzlei in Kontakt gekommen. Dies sei vorliegend nicht der Fall.

Hierunter fällt jedoch nicht ein Kontakt des Bewertenden als Gegner eines Mandanten dieser Kanzlei.

Es liege vielmehr in der Natur der Sache, dass die erfolgreiche Wahrnehmung der Interessen des eigenen Mandanten oft nachteilige Konsequenzen für den Gegner des Mandanten bedeuteten. Ein berechtigtes Interesse des Bewertenden, einen tatsächlich nicht stattgefundenen geschäftlichen Kontakt zu bewerten, sei nicht ersichtlich.

Die beanstandete Bewertung sei rechtswidrig und daher zu löschen.

Hinweis:
An diesem Verfahren war der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) nicht beteiligt. Gerne informiert Sie der vzbv alle vier bis sechs Wochen mit einem kostenlosen Newsletter über neue Urteile zum Verbraucherrecht.

Eckdaten zum Urteil

Datum der Urteilsverkündung: 31.08.2022
Aktenzeichen: 4 U 17/22
Gericht: OLG Stuttgart