Den Krebs überlebt, aber trotzdem nicht gesund

Immer mehr Menschen überstehen ihre Krebserkrankung.

Sie werden geheilt oder können mit der Krankheit langfristig leben.
Doch der Krebs selbst, wie auch seine Behandlung fordern oft ihren Tribut. Viele Betroffene leiden noch Jahre und Jahrzehnte später unter körperlichen, seelischen und sozialen Folgen.

Den Krebs überlebt, aber trotzdem nicht gesund
 Die gute Nachricht: Immer mehr Menschen überstehen ihre Krebserkrankung. Sie werden geheilt oder können mit der Krankheit langfristig leben. Doch der Krebs selbst, wie auch seine Behandlung fordern oft ihren Tribut. Viele Betroffene leiden noch Jahre und Jahrzehnte später unter körperlichen, seelischen und sozialen Folgen, wie Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum aktuell erfasst haben. Experten fordern eine gesetzlich geregelte und umfassende Langzeit-Nachsorge für diese Menschen.  

In Deutschland leben ungefähr 4,4 Millionen Männer und Frauen mit bzw. nach einer Krebserkrankung (sog. „Cancer Survivors“). Mehr als die Hälfte sind Krebs-Langzeitüberlebende, also Menschen, deren Krebsdiagnose mehr als fünf Jahre zurückliegt.

Tendenz steigend.
Gründe hierfür sind die zunehmende Zahl der Neuerkrankungen – aufgrund der demographischen Entwicklung – sowie die dank der Erfolge der biomedizinischen Forschung verbesserte Früherkennung, Diagnostik und Therapie von Krebs. Die Lebenssituation der Krebs-Überlebenden kann individuell sehr unterschiedlich sein.

Sind die einen fast beschwerdefrei und kehren nach der Therapie zu einem normalen Leben zurück, so haben andere schwerwiegende Probleme. Die Belastungen sind oft vorübergehend, können aber auch andauern. Das Risiko für Spätfolgen ist abhängig von der Krebserkrankung und ihrer Behandlung. Auch Veranlagung, Lebensführung und Umweltfaktoren spielen eine Rolle.

Spätfolgen beeinträchtigen die Lebensqualität
„Bandbreite und Ausmaß der Spätfolgen sind sehr vielfältig. Patienten und Angehörige, die uns kontaktieren, berichten von Fatigue, Neuropathie, Depressionen und Angst ebenso wie von familiären, beruflichen und finanziellen Problemen. Hinzu kommen Organschäden, zum Beispiel an Herz, Lunge und Nieren.

Auch über Störungen der Fruchtbarkeit und Sexualität klagen viele“, so Dr. Susanne Weg-Remers. Sie ist Leiterin des Krebsinformationsdienstes des Deutschen Krebsforschungszentrums. Seit über 30 Jahren stehen Ärztinnen und Ärzte Patienten und Angehörigen kostenlos für alle Fragen zum Thema Krebs zur Verfügung – telefonisch täglich von 08:00 Uhr bis 20:00 Uhr unter 0800-420 30 40 und per E-Mail unter krebsinformationsdienst(at)dkfz.de.

Identität Krebspatient
Wissenschaftler um Dr. Volker Arndt im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) haben kürzlich über 6.000 Langzeit-Krebsüberlebende befragt. Etwa ein Drittel der 6.057 Teilnehmenden betrachteten sich auch 5 bis 15 Jahre nach der Diagnose noch als Krebspatienten*.

Diese Selbstwahrnehmung ist im Zusammenhang mit vielerlei klinischen und psychosozialen Faktoren zu sehen, wie zum Beispiel körperlichen Belastungen durch Spätfolgen, Angst vor einem Rückfall und Beeinträchtigung der Lebensqualität. Die Befragung wurde im Rahmen der CAESAR-Studie an sechs Krebsregistern in Deutschland durchgeführt.

Volker Arndt leitet die Arbeitsgruppe „Cancer Survivorship“ am DKFZ. Er ist außerdem Leiter des Epidemiologischen Krebsregisters Baden-Württemberg. „Die Ergebnisse der Befragung zeigen, wie wichtig für Langzeitpatienten die Aspekte individuelle Erfahrung und subjektive Wahrnehmung sind. Beides sollte bei der Entwicklung von neuen Versorgungsmodellen unbedingt Berücksichtigung finden.“

Langzeit-Nachsorge dringend erforderlich
Angesichts der wachsenden Zahl Krebs-Langzeitüberlebender und des Problems der Spätfolgen sehen viele Experten zunehmend die Notwendigkeit eines Konzeptes zur Langzeit-Nachsorge: Krebs-Langzeitüberlebende werden dabei ? entsprechend ihrer individuellen Bedürfnisse ? von einem interdisziplinär aufgestellten Team umfassend und langfristig betreut.

Ziel ist es, den Menschen, die mit und nach Krebs leben, ein weitestgehend gesundes und aktives Leben mit einem möglichst hohen Maß an Lebensqualität zu ermöglichen. Die Realität sieht zurzeit allerdings noch anders aus: Zwar sind erste Modelle zur Rundum-Versorgung ehemaliger Krebspatienten in der Erprobung. Nachsorge-Programme stehen allerdings längst nicht allen Cancer Survivors zur Verfügung. Auch Zuständigkeiten und Finanzierung sind bislang nicht geklärt.

Quelle:
Deutsches Krebsforschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft

Der Krebsinformationsdienst (KID) des Deutschen Krebsforschungszentrums
beantwortet alle Fragen rund um das Thema Krebs – am Telefon (0800-420 30 40), per E-Mail (krebsinformationsdienst(at)dkfz.de) sowie in persönlichen Sprechstunden in Heidelberg und Dresden. Das geschulte Ärzteteam geht mit fundierten fachlichen Informationen auf individuelle Fragen ein.

Die Internetseite www.krebsinformationsdienst.de liefert aktuelles Wissen, nützliche Tipps und Adressen. Mit eigener Telefonnummer (0800-430 40 50) und E-Mail-Adresse (kid.med(at)dkfz.de) ist der KID auch Anlaufstelle für medizinische Fachkreise. Der Krebsinformationsdienst ist ein kostenfreies Angebot des Deutschen Krebsforschungszentrums. Er kann daher unabhängig informieren, frei von Interessenkonflikten und ohne Werbung.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise über die Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten.

Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

Quelle
*Thong MSY, Wolschon EM, Koch-Gallenkamp L, Waldmann A, Waldeyer-Sauerland M, Pritzkuleit R, Bertram H, Kajüter H, Eberle A, Holleczek B, Zeissig SR, Brenner H, Arndt V (2018). Still a cancer patient. “Still a cancer patient” - Associations of cancer identity with patient-reported outcomes and health care use among cancer survivors. JNCI Cancer Spectrum, 2(2). doi:10.1093/jncics/pky031