Eine weitere genetische Ursache für die nicht-alkoholische Fettleber entdeckt

In Deutschland leiden etwa 18 Millionen Menschen an einer nicht-alkoholischen Fettleber.

Die Ursachen dieser Erkrankung sind vielfältig und schließen neben Umwelt- auch genetische Faktoren ein.

Forschende des DZD haben jetzt neue Gene entdeckt, die bei der Entstehung einer Fettleber eine Rolle spielen. Die Gene IRGM, Ifgga2 und Ifgga4 sorgen bei Menschen bzw. bei Mäusen für die Produktion regulatorischer Proteine der Familie der immun-assoziierten GTPasen, die einer Fettansammlung in der Leber entgegenwirken.

Eine genetische Veränderung führt jedoch dazu, dass weniger dieser Proteine gebildet werden. Die Ergebnisse wurden jetzt im ‚Journal of Hepatology‘ veröffentlicht.

Die nicht-alkoholische Fettleber (nonalcoholic fatty liver disease, NAFLD) ist in Europa und den USA die häufigste Ursache für chronische Lebererkrankungen.

In Europa leiden etwa 20-30 Prozent der Bevölkerung daran. NAFLD ist oft mit weiteren Erkrankungen verbunden wie Adipositas, Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck (arterielle Hypertonie) und einer Fettstoffwechselstörung (Dyslipidämie).

Neben einem ungesunden Lebensstil mit einer fett- und zuckerreichen Ernährung sowie Bewegungsmangel ist auch eine genetische Veranlagung für die Entstehung dieser Lebererkrankung verantwortlich. NAFLD ist eine komplexe Erkrankung, für die es nicht nur ein Krankheitsgen gibt.

Vielmehr spielen die Interaktionen verschiedener Gene sowie epigenetische* Faktoren eine Rolle. Forschende haben jetzt eine neue Genfamilie entdeckt, die eine wichtige Rolle bei der Vermeidung der Fettleberentstehung spielt. Diese Gene sorgen bei Menschen und Mäusen für die Produktion regulatorischer Proteine der Familie der immun-assoziierten GTPasen, die einer Fettansammlung in der Leber entgegenwirken.

Liegt jedoch eine genetische Veränderung vor, werden weniger Proteine gebildet. Untersuchungen zeigen, dass die Leber von Patienten mit NAFLD und Mäusen mit Fettleber deutlich geringere Mengen dieser Proteine aufweist.

Die jetzt im 'Journal of Hepatology' veröffentlichte Studie führte ein Forscherteam des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE), des Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ) und des Helmholtz Zentrums München durch – alle Partner des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD).

Neue Gene identifiziert
Mithilfe von molekularen Markern und statistischen Methoden (QTL –Analyse, Quantitative Trait Locus) können in Mausstämmen Gene identifiziert werden, die komplexe menschliche Krankheiten verursachen. So entdeckte das Forscherteam einen Bereich auf dem Mauschromosom 18, der mit veränderten Fettmengen der Leber in Verbindung gebracht wurde.

Werden die Gene Ifgga2 und Ifgga4 abgelesen, entstehen Proteine der Familie der immun-assoziierten GTPasen – in der Maus das Protein IFGGA2 und IFGGA4 und im Menschen das Protein IRGM. Diese Proteine erhöhen eine bestimmte Form des Fettabbaus und wirken so der Entstehung einer Fettleber entgegen.

Bei Menschen aber auch bei Mäusen mit einer Fettleber werden die Gene jedoch deutlich weniger abgelesen.

Ursache dafür ist bei Mäusen eine kleine genetische Veränderung. „Aufgrund des Verlusts nur einer Base in einer Gensequenz, die das Ablesen eines bestimmten Gens verstärkt, werden die beiden verwandten Proteine IFGGA2 und IFGGA4 kaum noch in Leberzellen von Mäusen produziert, die anfällig für eine Fettleber sind“, erklärt Professorin Annette Schürmann, Leiterin der Abteilung Experimentelle Diabetologie am Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) und Sprecherin des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD).

Auch Patienten mit NAFLD weisen deutlich geringere Mengen des entsprechenden Proteins (IRGM) auf. Dadurch kann der Fettgehalt in der Leber um das 3- bis 4-fache steigen.

Proteine steigern spezifischen Abbau von Fett in der Leber (Lipophagie)

Funktionelle Untersuchungen haben gezeigt, dass eine Überproduktion der immun-assoziierten GTPasen in Leberzellen oder in der Leber der Maus deren Fettgehalt deutlich reduzierte. „Grund dafür ist die Induktion einer besonderen Form der Autophagie, die spezifisch für den Abbau von Fetten ist und deshalb Lipophagie genannt wird“, erläutert Dr. Wenke Jonas, die gemeinsam mit Prof. Schürmann die Studie geleitet hat. Autophagie ist eine Art zellulärer Entsorgungs- und Recycling-Prozess, über den zelleigene Bestandteile abgebaut werden.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben beobachtet, dass nach Aufnahme von Fettsäuren in Leberzellen die immun-assoziierten GTPasen zu den Fetttropfen wandern. Dort binden sie an ein Enzym des Fettabbaus (Adipozyten-Triglycerid-Lipase) und sorgen dafür, dass ein zentrales Protein der Autophagie (LC3B), an den Fetttropfen bindet. Durch die Autophagie von Lipidtröpfchen wird die Menge an Fetten reduziert und so die Entstehung einer Fettleber verhindert.

Dass die immun-assoziierten GTPasen die Fettmenge in der Leber beeinflussen, konnten die Forschenden auch durch die beiden folgenden Untersuchungen zeigen: Hemmten sie die Synthese der Proteine, speicherten Mäuse mehr Fett in den Leberzellen. Wurde dagegen die Produktion der Proteine in Leberzellen erhöht, lagerten diese deutlich weniger Fett ein.

„Durch unsere Arbeiten wurden weitere wichtige Gene identifiziert, die eine Fettlebererkrankung bedingen. Zudem vertiefen die Studien-Ergebnisse unser Verständnis darüber, welche zellulären Prozesse stimuliert werden müssen, um einer Fettleber entgegen zu wirken“, fasst Schürmann zusammen. „Unser nächstes Ziel ist es nun zu klären, durch welche Maßnahmen – wie Diäten oder bestimmte Medikamente – sich die Menge der immun-assoziierten GTPasen erhöhen lässt, um so die Fettspeicherung in der Leber zu vermindern.“

Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Das DIfE ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen ernährungsassoziierter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention, Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln.

Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Ursachen und Folgen des metabolischen Syndroms, einer Kombination aus Adipositas (Fettsucht), Hypertonie (Bluthochdruck), Insulinresistenz und Fettstoffwechselstörung, die Rolle der Ernährung für ein gesundes Altern sowie die biologischen Grundlagen von Nahrungsauswahl und Ernährungsverhalten.

Das DIfE ist zudem ein Partner des 2009 vom BMBF geförderten Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD). www.dife.de

Deutsches Zentrum für Diabetesforschung e.V. (DZD)
Das DZD ist eines der sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Es bündelt Experten auf dem Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenforschung, Epidemiologie und klinische Anwendung.

Ziel des DZD ist es, über einen neuartigen, integrativen Forschungsansatz einen wesentlichen Beitrag zur erfolgreichen, maßgeschneiderten Prävention, Diagnose und Therapie des Diabetes mellitus zu leisten.

Mitglieder des Verbunds sind das Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, das Deutsche Diabetes-Zentrum (DDZ) in Düsseldorf, das Deutsche Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam-Rehbrücke, das Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrum München an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und das Paul-Langerhans-Institut Dresden des Helmholtz Zentrum München am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden, assoziierte Partner an den Universitäten in Heidelberg, Köln, Leipzig, Lübeck und München sowie weitere Projektpartner. www.dzd-ev.de

Original-Publikation:
Schwerbel, K. et al: Immunity-related GTPase induces lipophagy to prevent excess hepatic lipid accumulation. Journal of Hepatology (2020); DOI: https://doi.org/10.1016/j.jhep.2020.04.031


* Die Epigenetik erforscht jene Eigenschaften von Genen, die nicht durch die DNA-Sequenz selbst, sondern durch deren Ablesebereitschaft in Erscheinung treten. Epigenetische Informationen werden durch Methylgruppen oder andere Biomoleküle vermittelt, die wie chemische Schlösser den Zugang zu bestimmten DNA-Sequenzen verwehren oder freigeben und so deren Aktivierbarkeit kontrollieren. Welcher epigenetische Code sich bei einem Menschen etabliert und ob er sich im Laufe des Lebens verändert, bestimmen neben körpereigenen Signalstoffen u.a. auch Ernährungsgewohnheiten und weitere Aspekte der Lebensführung.