Psychosen bei Cannabis

Wieso kommt es bei manchen Cannabisnutzern zu psychotischen Erfahrungen, bei anderen aber nicht?

In einer Zwillings- und Geschwisterstudie mit Vergleich des Cannabiskonsums fanden Forscher einen starken Beitrag der Veranlagung zur psychotischen Nebenwirkung von Cannabis. Allerdings war auch die Nutzungsfrequenz ein Risikofaktor. Die Ergebnisse bieten damit eine Diskussionsgrundlage auch für Legalisierungsdebatten: mit hoher Häufigkeit der Nutzung geht offenbar ein höheres Risiko für psychische Nebenwirkungen einher.

Cannabis als Medizinprodukt ist derzeit ein häufiges Gesprächsthema. Typischerweise ist die Pflanze gut verträglich, wirkt schmerzlindernd, beruhigend und appetitanregend. Beispielsweise bei einer Krebserkrankung kann es damit Patienten sehr helfen. Auch bei Depressionen oder der Bipolaren Störung wird der Konsum manchmal (typischerweise ohne ärztliche Verordnung) zur Selbstbehandlung eingesetzt. Bei manchen Menschen hat Cannabis allerdings massive Nebenwirkungen – beispielsweise gibt es Menschen, die durch den Gebrauch von Cannabis Psychosen entwickeln. Woran liegt das?

Wieso kommt es bei manchen Cannabisnutzern zu psychotischen Erfahrungen, bei anderen aber nicht?

Bei einer Psychose tritt eine starke Störung der Wahrnehmung auf. Dies kann sich als Wahnvorstellung, Halluzination oder Realitätsverlust äußern. Auch sogenannte Ich-Störungen können auftreten, bei denen die Grenze zwischen Ich und Umwelt gestört ist.

Beispielsweise gehören hierzu Wahrnehmungen von Fremdsteuerung von Körperfunktionen, Gedankeneingebung oder auch die Derealisation, bei der ein Gefühl der Unwirklichkeit eintritt. Bisher ist unklar, ob es eine Prädisposition, also eine Veranlagung gibt, die eine psychotische Reaktion auf Cannabis wahrscheinlicher macht.

Es könnten theoretisch aber auch andere individuelle Ursachen zu dieser Nebenwirkung führen. Beispielsweise steht auch die Häufigkeit des Gebrauchs als Risikofaktor für Psychosen im Verdacht.

Psychosen durch Cannabis: wegen genetischer Veranlagung oder Nutzungsverhalten?

Um abzuschätzen, ob eher genetische (Veranlagung) oder andere Elemente die Entwicklung von Psychosen durch Cannabisgebrauch ermöglichen, untersuchten Forscher nun Zwillinge (die die gleichen genetischen Anlagen teilen) und Geschwister, die nicht Zwillinge sind, also genetisch deutlich unterschiedlichere Voraussetzungen mitbringen. Diese wurden in detaillierten Interviews befragt und füllten zusätzlich Fragebögen zur Häufigkeit des Cannabisgebrauchs aus.

In dieser sogenannten Querschnittsstudie wurden Daten von zwei unterschiedlichen Gruppen von Zwillings- und Nichtzwillingsgeschwisterpaaren zusammen analysiert. Eine dieser Gruppen bestand aus 1188 Teilnehmern, die andere aus 3486 Teilnehmern. Insgesamt konnten also Daten von 4674 Menschen analysiert werden.

Aus den Berichten und Daten dieser Menschen wurden drei Elemente analysiert: ob die Teilnehmer Cannabis häufig genutzt hatten (z. B. 100 Mal), ob ein krankhafter Cannabismissbrauch (also eine Abhängigkeit nach ICD 10) ärztlich diagnostiziert worden war und das Ausmaß des aktuellen Cannabisgebrauchs.

Aus diesen Daten sowie den genetischen Informationen (also im Vergleich mit dem jeweiligen Geschwister) wurde das Risiko für psychotische Erfahrungen infolge des Cannabiskonsums geschätzt, je nachdem, ob die Geschwister gleich häufig oder unterschiedlich stark Cannabis nutzten.

Zwillings- und Geschwisterstudie mit Vergleich des Cannabiskonsums

Das durchschnittliche Alter der 4674 Teilnehmer war 30,5 Jahre. 2923 (62,5 %) waren Frauen. Die Analyse zeigte deutliche Muster: psychotische Erfahrungen hingen mit häufigem Cannabiskonsum zusammen und entsprechend auch mit einem diagnostizierten krankhaften Cannabismissbrauch.

Allerdings zeigten sich psychotische Erfahrungen häufiger bei den Teilnehmern, die aktuell Cannabis gebrauchten. Wie stark stand nun die genetische Veranlagung im Zusammenhang mit möglichen Psychosen? Zwillingspaare reagierten häufiger ähnlich auf den Cannabiskonsum als Geschwisterpaare, die nicht Zwillinge waren.

Genetische Veranlagungen spielten demnach eine deutlich Rolle. Bei den Geschwisterpaaren, bei denen die Geschwister unterschiedlich häufig konsumierten (308-324 Paare), traten psychotische Erfahrungen häufiger bei dem Geschwisterteil auf, der mehr Cannabis konsumierte. Geschwister mit einem häufigen und einem seltenen Nutzer unterschieden sich also klar in der Wahrscheinlichkeit, psychotische Erfahrungen zu haben.

Psychotische Erfahrungen eher bei Vielnutzern – und familiär gehäuft

Zusammengenommen zeigte sich also ein starker Beitrag der Veranlagung zur psychotischen Nebenwirkung von Cannabis. Bestimmte Menschen haben also eine vererbte Tendenz dazu, infolge des Gebrauchs von Cannabis psychotische Erfahrungen zu machen.

Allerdings war auch die Nutzungsfrequenz, also wie häufig Cannabis konsumiert wurde, ein Risikofaktor: innerhalb von Geschwisterpaaren mit unterschiedlich häufigem Gebrauch konnte dies erklären, welches Geschwister eher psychotische Erlebnisse hatte. Die Ergebnisse bieten damit eine Diskussionsgrundlage auch für Legalisierungsdebatten: mit hoher Häufigkeit der Nutzung geht offenbar ein höheres Risiko für psychische Nebenwirkungen einher.

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Original Titel:
Genetic Predisposition vs Individual-Specific Processes in the Association Between Psychotic-like Experiences and Cannabis Use

Referenzen:
Karcher NR, Barch DM, Demers CH, et al. Genetic Predisposition vs Individual-Specific Processes in the Association Between Psychotic-like Experiences and Cannabis Use. JAMA Psychiatry. October 2018. doi:10.1001/jamapsychiatry.2018.2546.