Misstrauen und Stigma: Risikofaktoren für Vermeidung medizinischer Information
Wie häufig vermeiden Patienten medizinische Information?
Medizinische Information ist einfacher auffindbar als je zuvor. Dennoch vermeidet sie etwa jeder 3. Patient, fand eine Analyse über mehr als eine halbe Million Menschen aus über 25 Ländern. Dies betrifft besonders bislang unheilbare neurodegenerative Erkrankungen, am seltensten chronische Erkrankungen, die gut zu managen sind, wie Diabetes.
Wichtige Risikofaktoren für Informationsvermeidung waren Misstrauen in das medizinische System und das Gefühl der Informationsüberflutung, aber auch mangelnde Selbstwirksamkeit und Stigmatisierung.
Der Zugang zu medizinischer Information ist einfacher denn je – jeder Patient hat die Möglichkeit, umfassende Details zur jeweiligen Erkrankung zu erhalten, häufig je nach Bedarf und Anspruch sowohl in fachlicher Tiefe als auch in gut verständlicher oder sogar einfacher Sprache.
Allerdings sehen Ärzte und andere Personen im medizinischen Bereich mit Sorge zunehmend ein Vermeidungsverhalten gegenüber medizinischer Information. Wie oft eine solche vermiedene oder verzögerte Informationssuche auftritt und welche Faktoren dazu führen könnten, war bislang jedoch nicht gut untersucht.
Wie häufig vermeiden Patienten medizinische Information?
Wissenschaftler führten dazu nun einen systematischen Review mit Metaanalyse durch, um die Prävalenz und Prädiktoren für Vermeidung gegenüber medizinischer Information zu ermitteln. Die Studiendaten aus der systematischen Recherche wurden ergänzt individuelle Teilnehmer-Datensätze des NIH (National Institutes of Health).
Systematischer Review mit Metaanalyse über 92 Studien und 6 Datensätze
Die Metaanalyse umfasste insgesamt 92 Studien und 6 Datensätze mit Studienteilnehmern (564 497 individuelle Teilnehmer, 25 Länder). Im Schnitt vermieden etwa 1 von 3 Personen Information oder hatten eine hohe Wahrscheinlichkeit, sie zu vermeiden.
Die Prävalenzraten unterschieden sich für verschiedene Erkrankungen:
- Diabetes: 24 %
- Krebs: 29 %
- HIV: 32 %
- Huntington’s Erkrankung: 40 %
- Alzheimer Erkrankung: 41 %
Die Studie fand keinen klaren Zusammenhang zwischen Informationsvermeidung und Geschlecht oder ethnischer Herkunft. Jedoch wurden 16 signifikante Vorhersagefaktoren ermittelt, wobei die stärksten Faktoren sämtlich kognitive Aspekte betrafen.
Vorhersagefaktoren für die Vermeidung medizinischer Information:
- Informationsüberflutung (r = 0,26)
- Wahrgenommenes Stigma (r = 0,36)
- Mangelnde Selbstwirksamkeit (r = −0,28)
- Mangelndes Vertrauen in das medizinische System (r = −0,25)
Jeder 3. Patient meidet Information, teils wegen Misstrauen und Stigmatisierung
Die Autoren schließen, dass medizinische Information zwar einfacher auffindbar und nutzbar ist als je zuvor, aber etwa jeder 3. Patienten die Information vermeidet.
Das Vermeidungsverhalten ist besonders hoch bei Patienten mit bislang unheilbaren, neurodegenerativen Erkrankungen wie der Alzheimer-Krankheit und am niedrigsten bei chronischen Erkrankungen wie Diabetes, die gut zu managen sind.
Die wichtigsten Risikofaktoren für Informationsvermeidung, wie Misstrauen in das medizinische System oder Selbstwirksamkeit könnten Angriffspunkte für Interventionen darstellen. Allerdings bietet die Studie keinen Einblick in mögliche Konsquenzen der Informationsvermeidung – dies sollte Thema weiterer Untersuchungen sein.
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Original Titel:
Prevalence and predictors of medical information avoidance: a systematic review and meta-analysis
Autor:
Offer K, Oglanova N, Oswald L, Hertwig R. Prevalence and predictors of medical information avoidance: a systematic review and meta-analysis. Ann Behav Med. 2025 Jan 4;59(1):kaaf058. doi: 10.1093/abm/kaaf058. PMID: 40795090; PMCID: PMC12342947.