Krebsmedikament zeigt überraschende Wirkung bei Myasthenia gravis

Erfolgreiche Behandlung einer schweren Autoimmunerkrankung

Ein ursprünglich zur Krebstherapie entwickeltes Immuntherapeutikum zeigt bei einer Patientin mit schwerer Autoimmunerkrankung erstmals eine überraschend starke und anhaltende Wirkung – eine mögliche neue Option in der Behandlung therapieresistenter Myasthenia gravis.

Eine ursprünglich zur Behandlung von Blutkrebs entwickelte Immuntherapie hat bei einer Patientin mit schwerer Myasthenia gravis zu einer anhaltenden, fast vollständigen Besserung geführt. Die einmalige Gabe eines sogenannten bispezifischen T-Zell-Antikörpers (TCE) an der Universitätsmedizin Magdeburg führte innerhalb weniger Wochen zu einem Wiedergewinn verlorener Lebensqualität – ein Behandlungserfolg, der nun über acht Monate anhält. 

Der Fall wurde kürzlich in der Fachzeitschrift Molecular Therapy veröffentlicht.

Myasthenia gravis – wenn das Immunsystem Nervenverbindungen blockiert

Myasthenia gravis ist eine seltene Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem irrtümlich die Signalübertragung zwischen Nerven und Muskeln stört. Dies führt zu Muskelschwäche, die sich typischerweise bei Belastung verstärkt.

Betroffen sind oft Augenlider, Gesicht, Schlucken, Sprache oder auch die Beinmuskulatur.

In schweren Fällen können Patientinnen und Patienten kaum noch gehen, essen oder selbstständig atmen.

Die nun behandelte 47-jährige Frau litt an einer besonders schwer verlaufenden Form der Erkrankung, gegen die keine der zahlreichen Vortherapien ausreichend wirksam war – darunter Kortison, Immunsuppressiva, Plasmapherese sowie verschiedene Antikörperbehandlungen. Sie war auf den Rollstuhl angewiesen und erheblich im Alltag eingeschränkt.

„Der eingesetzte bispezifische Antikörper bringt T-Zellen gezielt mit krankheitsverursachenden Plasmazellen zusammen“, erklärt Prof. Dr. Dimitrios Mougiakakos, Direktor der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Zelltherapie an der Universitätsmedizin Magdeburg. „Diese Zellen produzieren Autoantikörper – und werden durch die aktivierten T-Zellen in einem gezielten immunologischen Angriff ausgeschaltet. Ein therapeutisches Rendezvous mit tödlicher Wirkung für die Ursache der Erkrankung.“

Bereits drei Monate nach der einmaligen Infusion konnten alle Medikamente schrittweise abgesetzt werden. Die Patientin war vollständig therapiefrei, ihre Gehstrecke betrug über 1,5 Kilometer – mittlerweile bewältigt sie Strecken über zwei Kilometer und ist im Alltag weitgehend beschwerdefrei. Die Remission hält über acht Monate nach Therapiebeginn stabil an.

„Das Ausmaß der Besserung und die Stabilität des Verlaufs sind in diesem Krankheitsbild außergewöhnlich“, sagt Prof. Dr. Stefanie Schreiber, kommissarische Direktorin der Klinik für Neurologie an der Universitätsmedizin Magdeburg. „Die Patientin hat in kurzer Zeit verloren geglaubte Fähigkeiten zurückgewonnen – ohne weitere immunsuppressive Therapie und ohne relevante Nebenwirkungen.“

Die Behandlung erfolgte in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Zelltherapie und der Klinik für Neurologie. Wissenschaftlich unterstützt wurde das Projekt durch das EFRE-geförderte Vorhaben ZELL-THEMA, das die Erforschung und Entwicklung zellulärer Immuntherapien in Sachsen-Anhalt voranbringen und so die medizinische Versorgung der Menschen in der Region nachhaltig verbessern soll.

An der Universitätsmedizin Magdeburg werden derzeit auch zelluläre Immuntherapien wie CAR-T-Zellen bei anderen Autoimmunerkrankungen – etwa systemischem Lupus erythematodes (SLE) und entzündlichen Muskelerkrankungen – klinisch geprüft.

„Dass wir diese innovativen Immuntherapien nun auch im Bereich der Autoimmunerkrankungen anwenden und weiter erforschen können, ist ein großer Schritt – für die betroffenen Patientinnen und Patienten, aber auch für den Wissenschafts- und Gesundheitsstandort Sachsen-Anhalt“, so Prof. Mougiakakos.

Quelle:
Universitätsmedizin Magdeburg - Mitteilung vom 11. August 2025

Weiterführender Link https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/40534130/