Lebensrettender Aortenersatz: Eine neue Behandlungsmöglichkeit für hochkomplexe Fälle

Charité erweitert chirurgisches Angebot bei schweren Erkrankungen der Hauptschlagader

Der 28-Jährige galt als nicht behandelbar, seine Hauptschlagader war schwer geschädigt und drohte zu reißen. Doch an der Klinik für Gefäßchirurgie der Charité – Universitätsmedizin Berlin fand der Landwirt aus Nordrhein-Westfalen Hilfe: Dank eines neuen Programms für hochkomplexe offene Operationen an der Hauptschlagader erhielt der junge Mann einen kompletten Aortenersatz und konnte die Klinik bereits nach zwei Wochen wieder verlassen.

Die Hauptschlagader (Aorta) entspringt direkt am Herzen und transportiert das sauerstoffreiche Blut zu den verschiedenen Organen und Körperteilen. Sie verläuft in einem Bogen um das Herz und ist das größte Blutgefäß des menschlichen Körpers. Bei Erwachsenen ist sie etwa 30 bis 40 Zentimeter lang. Ist die Gefäßwand zu stark geschädigt, muss die Aorta operiert werden.

Die häufigste Erkrankung der Aorta ist eine Ausweitung oder Aussackung in einem bestimmten Bereich – man spricht dann von einem Aortenaneurysma. Bei jungen Betroffenen ist die Ursache meist eine angeborene Bindegewebsschwäche. Erreicht das Aneurysma eine gewisse Größe, droht die Aorta zu reißen – eine lebensbedrohliche Situation. Deshalb ist eine Operation unumgänglich, wenn ein Aortenaneurysma eine bestimmte Größe oder Form erreicht hat.

OP nur an spezialisierten Zentren

Im günstigsten Fall kann eine Gefäßstütze (Stent) minimalinvasiv in die Aorta eingesetzt werden. Wenn jedoch große Teile der Aorta ersetzt werden sollen, müssen Brust- und Bauchraum geöffnet werden – wie bei dem jungen Landwirt. Bei ihm war es vor mehreren Jahren zu einem Längsriss der Aorta gekommen.

Damals wurde bei einer Not-OP der Aortenbogen ersetzt. Im Laufe der Zeit erweiterte sich die vorgeschädigte Aorta jedoch stark.

Aufgrund der ungünstigen Form des Aneurysmas war eine minimalinvasive Operation ausgeschlossen. Als die Aorta zu reißen drohte, musste sie im Rahmen einer offenen OP komplett ersetzt werden.

Solche offenen thorakoabdominellen Aortenersatz-Operationen sind nur an wenigen spezialisierten Zentren in Europa möglich – seit kurzem auch an der Charité. „Wir haben hier die Möglichkeit, die Hauptschlagader vom Hals bis zum Beckenbereich zu ersetzen. Dabei müssen wir alle abgehenden Blutgefäße bis zum Rückenmark berücksichtigen“, erläutert Prof. Andreas Greiner, Direktor der Klinik für Gefäßchirurgie der Charité, die Herausforderungen des hochkomplexen Eingriffs. „Die OP dauert fast einen ganzen Tag.“

Erfolg dank interdisziplinärer Teamarbeit

Möglich wurde das neue Angebot durch den Wechsel des Gefäßchirurgen und Aneurysma-Experten Prof. Michael Jacobs von der Uniklinik RWTH Aachen in ein interdisziplinäres Team der Charité und die Einrichtung einer speziellen Infrastruktur inklusive Herz-Lungen-Maschine. So können einzelne Organe während der offenen Operation besonders schonend weiter durchblutet werden, während die Hauptschlagader mit Gefäßprothesen versorgt wird.

Spezialist:innen der Anästhesiologie und Intensivmedizin begleiten den Eingriff ebenso wie Fachleute aus den Bereichen Kardiologie und Neurologie. „Insbesondere die Anästhesiologie steht während der Operation vor der großen Herausforderung, nicht nur die Narkose adäquat zu dosieren, sondern auch das Herz-Kreislauf-System unter der Herz-Lungen-Maschine zu stabilisieren“ erläutert Prof. Sascha Treskatsch, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Campus Benjamin Franklin der Charité. „Das erfordert nicht nur spezielle Überwachungsgeräte, sondern auch ein besonderes Know-how“, betont der Intensivmediziner.

Erste Operationen erfolgreich verlaufen

Darüber hinaus stellt die Anästhesiologie anhand des so genannten Neuromonitoring sicher, dass das Rückenmark, das während der Operation vom Blutfluss abgeschnitten ist, möglichst keinen Schaden nimmt. Nach der OP sorgen Physiotherapeut:innen dafür, dass die Patient:innen schnell wieder zu Kräften kommen und mobil werden.

„Die ersten Operationen sind bereits erfolgreich verlaufen“, berichtet Prof. Greiner. „Wir freuen uns sehr, dass wir diese Möglichkeit nun auch an der Charité anbieten können. Die Patientinnen und Patienten mit diesem Krankheitsbild sind oft noch sehr jung, und unser Programm hilft ihnen, im Erfolgsfall wieder ein weitgehend normales Leben zu führen.“

Quelle
Charité Universitätsmedizin Berlin - Mitteilung vom 3. Juni 2025