Ergebnisse der SARS-CoV-2 KIDS-Studie an der UMM liegen vor

Studie bestätigt deutlich höheren Anteil an Kindern die Kontakt zu SARS-CoV-2 hatten und stellte Unterschiede nach Altersgruppen und Migrationshintergrund fest

Mit SARS-CoV-2 infizierte Kinder entwickeln in den meisten Fällen keine, oder nur unspezifische Symptome. Sie werden daher mit den üblichen symptomgesteuerten Teststrategien nicht erfasst. Insbesondere zu Beginn der COVID-19 Pandemie war deshalb unklar, wie hoch der Anteil infizierter oder bereits genesener Kinder tatsächlich ist und inwieweit Kinder als Überträger zur Verbreitung der Pandemie beitragen.

Eine realistische Einschätzung über die tatsächliche Verbreitung von COVID-19 in den verschiedenen Altersgruppen ist eine wichtige Voraussetzung, um wirksame Kontroll- und Impfstrategien entwickeln zu können. Und sie kann dazu dienen, strenge Eindämmungsmaßnahmen auf ein notwendiges Maß zu reduzieren.

Die Kinderklinik der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) initiierte daher im Frühjahr 2020 eine große bundesweite Studie, die die Rolle von Kindern und Jugendlichen bei der Übertragung von SARS-CoV-2 erforschen sollte. Die Studie ist eine sogenannte Seroprävalenzstudie, bei welcher spezifische Antikörper gegen SARS-CoV-2 im Blutserum nachgewiesen werden. Sie gibt Hinweise auf eine bestehende oder durchgemachte Infektion mit SARS-CoV-2 und liefert damit wichtige Informationen über den Verlauf der COVID-19 Pandemie.

Zwischen Juni 2020 und Mai 2021 wurden in 14 Kliniken bundesweit mehr als 10.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren rekrutiert, denen bei ihrem Klinikaufenthalt aus verschiedenen Gründen Blut abgenommen wurde. Im Rahmen der Studie wurde das Blut zusätzlich auf Immunglobulin G-Antikörper gegen SARS-CoV-2 untersucht. Die Studie weist die bisher größte Stichprobengröße und den längsten Beobachtungszeitraum in Bezug auf das Infektionsgeschehen unter Kindern auf.

Ein Eltern-Fragebogen, der mit den Studienergebnissen verknüpft wurde, erfasste zusätzliche Informationen zu klinischen Aspekten wie Alter, Geschlecht, Migrationshintergrund und Vorerkrankungen, um daraus möglicherweise Variablen identifizieren zu können, die die Verbreitung und den Verlauf der Infektion beeinflussen. Auch Informationen über vorangegangene SARS-CoV-2-Testergebnisse wurden erfasst. Sie erlauben es, den Anteil der nicht erkannten Infektionen bei Kindern und Jugendlichen in verschiedenen Phasen der Pandemie zu schätzen.

Die Ergebnisse des einjährigen Beobachtungszeitraums bestätigen die Erkenntnis früherer Seroprävalenzstudien in Deutschland, dass die gemeldeten Fallzahlen die tatsächlichen Infektionsraten bei Kindern unterschätzen: Ein großer Teil von Infektionen bei Kindern und Jugendlichen bleibt unerkannt.

Im Erhebungszeitraum stieg unter den teilnehmenden Kindern die Zahl derer mit nachweisbaren Antikörpern gegen SARS-CoV-2 von zwei Prozent zu Beginn der Studie bis 10,8 Prozent im März 2021. In den beiden darauffolgenden Monaten war dieser Wert nahezu gleichbleibend. Der stärkste Anstieg wurde in der zweiten Welle der Pandemie verzeichnet. Interessant ist, dass die zeitliche Entwicklung der nachweisbaren Infektionen in verschiedenen Altersgruppen und nach Migrationshintergrund variierte.

In der Frühphase der Pandemie war die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder unter drei Jahren seropositiv waren, dreieinhalb Mal höher als bei älteren Kindern. Eine Erklärung dafür könnte ein engerer Kontakt von kleinen Kindern zu erwachsenen Virusträgern im Vergleich zu älteren Kindern sein. Im weiteren Verlauf glichen sich diese Unterschiede zwischen den Altersgruppen jedoch aus.

Das Alter der Kinder beeinflusst offenbar auch die Entdeckungsrate: Je jünger die Kinder waren, desto seltener wurde die Infektion erkannt. Dies ist wahrscheinlich auf eine niedrigere Testrate und ein selteneres Auftreten von Symptomen gerade bei den Jüngsten zurückzuführen.

Im gesamten Beobachtungszeitraum wurde bei Kindern mit Migrationshintergrund im Vergleich zu Kindern ohne Migrationshintergrund signifikant häufiger ein positiver Antiköper-Nachweis gefunden. Diese Ergebnisse decken sich mit Erkenntnissen aus England. Die Ursachen können vielfältig sein; denkbar wären etwa Unterschiede in den Mobilitätsmustern oder der Haushaltsgröße, zeitliche und regionale Schwankungen der Inzidenz oder auch strukturelle und systemische Unterschiede wie etwa Berufe, die mit einem höheren Risiko für Infektionen behaftet sind.

„Die Studie zeigt anhand der Antikörpertests, dass viele Kinder unbemerkt SARS-CoV-2-Infektionen durchmachen“, erläutert Professor Dr. Horst Schroten, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin an der UMM, einen Aspekt der Studie. „Trotz zunehmender Tests in Schulen und Kindertagesstätten bleibt die Schere zwischen bekannten Infektionen und den Ergebnissen der serologischen Antikörpertestung bestehen. Dies unterstreicht die Bedeutung serologischer Untersuchungen zur Risikoabschätzung im Zusammenhang mit SARS-CoV-2-Infektionen bei Kindern.“

Auch wenn es unter Kindern mehr COVID-19 Erkrankungen gibt als angenommen, zeigt die Studie aber auch, dass nach anderthalb Jahren Pandemie bei der Mehrheit der Kinder in Deutschland keine Antikörper gegen SARS-CoV-2 nachweisbar sind. Dies könnte die Wirkung unterschiedlicher Eindämmungsmaßnahmen widerspiegeln. Allerdings ist es derzeit nicht möglich, die individuellen Auswirkungen der Maßnahmen oder anderer pandemiebeeinflussender Faktoren auf die Seropositivität exakt zu bestimmen.

Die hier beschriebene Studie wurde bis Ende Oktober 2021 verlängert. „Von der Auswertung der während des Verlängerungszeitraums zusätzlich erhobenen Daten versprechen wir uns weitere Erkenntnisse, die für Familien mit Kindern, medizinisches Fachpersonal und Entscheidungsträger hilfreich sind, um die Pandemie mit moderateren Einschränkungsmaßnahmen weiter einzudämmen“, so der Initiator der Studie, Professor Schroten.

Quelle:
Mitteilung der Universitätsmedizin Mannheim vom 27. Juni 2022

Originalpublikation:
Cross-sectional seroprevalence surveys of SARSCoV-2 antibodies in children in Germany, June 2020 to May 2021
Sorg et al.
Nature communications, (2022) 13:3128
DOI: 10.1038/s41467-022-30482-6
https://doi.org/10.1038/s41467-022-30482-6