Umweltschutz beugt Krankheiten vor

Luftqualität und Lärmschutz verbessern und Leben retten

Die neue Bundesregierung will mehr Fortschritt wagen.

Das verspricht der Koalitionsvertrag auch in Bezug auf eine bessere Luftqualität und Lärmschutzmaßnahmen.

Wie dringend notwendig die Umsetzung dieser Vorhaben ist, zeigen Beiträge in der Fachzeitschrift „Aktuelle Kardiologie“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2021). Denn allein in Deutschland sterben über 40 000 Menschen infolge von Herzerkrankungen, die mit Luftverschmutzung in Zusammenhang stehen.

Für die städtische Bevölkerung ist die Belastung besonders hoch. Eine gesundheitsfördernde Stadtplanung spielt deshalb eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, die Lebensqualität und auch die Lebenserwartung der dort Wohnenden zu verbessern.

Feinstaub schädigt Atemwege, Lunge und Gefäße

Weltweit verursachen Krankheiten aufgrund von Luftverschmutzung mehr Todesopfer als HIV/AIDS, Tuberkulose und Malaria zusammen.

In Deutschland sind die Emissionen von Luftschadstoffen in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen.

 Die Konzentration für Feinstaub, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihren Richtlinien vorgibt, wird hierzulande jedoch immer noch weit überschritten. Dabei sind die Staubpartikel mit einem aerodynamischen Durchmesser von 2,5 Mikrometer (PM 2,5) und kleiner gesundheitlich besonders bedenklich. Sie dringen tief in die Atemwege vor und lösen schon in geringen Konzentrationen chronischen oxidativen Stress in den Atemwegen aus.

Durch einen Transmigrationsprozess können sie zudem in die Blutbahn gelangen und dort von den Gefäßen aufgenommen werden, wo sie chronische Entzündungen hervorrufen können. Die Folgen sind Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. (1)

Dementsprechend fordern Experten, wie Professor Dr. med. Thomas Münzel, eine stärkere Regulierung der Luftschadstoffe: „Die aktuellen Europäischen Grenzwerte sind mit 25 µg/m3 fünfmal so hoch wie die aktuellen Vorgaben der WHO mit 5 µg/m3.“

Der Mediziner ist Leiter des Zentrums für Kardiologie an der Universitätsmedizin Mainz und Gastherausgeber des Schwerpunkthefts. Zusammen mit dem ebenfalls dort tätigen Psychologen und Forscher, Dr. Omar Hahad, hat er dafür die Beiträge zusammengestellt.

Lärm geht zu Lasten von Herz und Psyche

Auch andauernder Umgebungslärm ist ein potenzieller Krankmacher: Nach Angaben der Europäischen Umweltagentur (EUA) sind mindestens 20 Prozent der europäischen Bevölkerung schädlichen Tag-Abend-Nacht-Lärmpegeln von 55 Dezibel (dB) ausgesetzt.

Die Grenzwerte der WHO, abhängig von der Lärmquelle, liegen bis zu 10 dB darunter.

Chronischer Lärm, der alltägliche Aktivitäten und den Schlaf begleitet, erhöht ebenfalls das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Lärmgrenzwerte und städte- sowie straßenbauliche Maßnahmen seien dringend notwendig, um die Bevölkerung vor lärmbedingten Auswirkungen zu schützen, so die Experten. (2)

Aktuelle Studienergebnisse zeigen zudem, dass Verkehrslärm und Feinstaub – insbesondere in Kombination – auch das Risiko für Depressionen und Angststörungen erhöhen könnten. (3)

Prävention auf breiter Basis: Herzgesunde Städte

In Städten und Ballungszentren ist die Lärm- und Feinstaubbelastung besonders hoch.

Bei der Bekämpfung umweltbedingter Gesundheitsschäden spielt deshalb die Stadtplanung eine wichtige Rolle. So schirmt eine bessere Isolierung der Gebäude Außenlärm ab. Innerstädtische Tempolimits, geräuschmindernde Straßenbeläge, Lärmschutzwände sowie ein verbessertes Verkehrsmanagement könnten weitere Maßnahmen sein.

Wenn Häuser, Schulen, Parks und Sportanlagen abseits stark befahrener Straßen geplant und gebaut werden, sind Heranwachsende und Menschen in ihrer Freizeit weniger Feinstaub ausgesetzt.

Zudem ist es sinnvoll, Radwege vom Kraftfahrzeugverkehr zu trennen und das Autoaufkommen in den Innenstädten zu verringern.

Mehr Grünflächen reduzieren Wärmeinseln, schaffen ein besseres Stadtklima und erhöhen so die Lebensqualität.

„Derzeit fließen etwa 96 Prozent der öffentlichen Gesundheitskosten in die Behandlung und nur 4 Prozent in die Prävention“, so Münzel und Hahad.

Die vorbeugenden Maßnahmen seien dabei überwiegend auf individueller Ebene zu finden. Nur wenig Geld werde bisher für soziale und landschaftliche Maßnahmen zur Minderung von Umweltbelastungen aufgewendet. Das müsse sich ändern, so ihr Appell. (4)

Quelle:
Thieme Communications - Thieme Group - www.thieme.de


Quellenangaben

(1) J. Lelieveld et al.:
Luftverschmutzung und Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Aktuelle Kardiologie 2021; 10 (6); S. 510-515
Open Acces erschienen und hier abrufbar

(2) O. Hahad et al.:
Lärm und Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Aktuelle Kardiologie 2021; 10 (6); S. 516-520
Open Acces erschienen und hier abrufbar

(3) M. Beutel und T. Möhler:
Lärm und Luftverschmutzung: Ihr Einfluss auf psychische Erkrankungen
Aktuelle Kardiologie 2021; 10 (6); S. 526-530
Nicht freizugänglich, wird aber auf Wunsch (s.u.) zur Verfügung gestellt.

(4) T. Münzel et al.:
Herzgesunde Städte – die Gene laden das Gewehr, die Umwelt zieht den Abzug
Aktuelle Kardiologie 2021; 10 (6); S. 543-547
Open Acces erschienen und hier abrufbar