Wenn der Dreh- und Angelpunkt schmerzt

Hilfe und Tipps bei Nackenschmerzen

Stundenlanges Sitzen im Büro, eine falsche, ruckartige Bewegung, kalte Zugluft aus dem offenen Fenster – und schon ist es wieder da, dieses Ziehen und Stechen im Nacken. Nach einer Umfrage des RKI leidet fast jeder zweite Befragte mindestens einmal im Jahr unter verspannungsbedingten Nackenschmerzen. Oft strahlen sie bis in den Kopf, die Schultern oder den oberen Rücken aus.

Dr. Munther Sabarini, Neurochirurg und Gründer der Avicenna Klinik in Berlin, kennt hilfreiche Tipps und Methoden, mit denen man Nackenschmerzen vorbeugen kann und sich bereits entstandene Verspannungen wieder lösen lassen.

Erster Schritt: Ursachen klären

„Nehmen Sie Nackenschmerzen nicht auf die leichte Schulter“, warnt Dr. Sabarini. „Eine falsche Behandlung der Beschwerden kann zu einer drastischen Verschlimmerung führen.“ Langfristig gesehen könnten Migräne, Taubheitsgefühle, Lähmungserscheinungen, Sehstörungen oder chronische Schmerzen die Folge sein. Halten Nackenschmerzen länger als zwei Wochen an oder verschlimmern sich sogar, ist also eine genauere Ursachenanalyse durch einen Spezialisten vonnöten.

Degenerative Veränderungen wie ein Verschleiß der Bandscheibe oder der Wirbelsäule, traumabedingte Verletzungen, Entzündungen oder mittlere bis schwere Bandscheibenvorfälle benötigen die Hilfe eines Facharztes. Nach Klärung der Ursache und frühzeitiger Erkennung können die Beschwerden aber so schonend wie möglich behandelt werden. Oft reichen leichte Schmerzmittel bzw. entzündungshemmende Medikamente sowie Physiotherapie. Bei leichten Bandscheibenvorfällen kommen minimalinvasive Therapieansätze infrage.

Zweiter Schritt: Verstehen, woher es kommt …

„Häufig sind jedoch Haltungsprobleme und überlastete Muskeln im Rücken-, Nacken- und Schulterbereich die Hauptursachen für Nackenschmerzen“, erklärt Dr. Sabarini. Wer zum Beispiel in der sogenannten Schildkrötenhaltung – runder Rücken, hervorgestreckter Hals – verharrt oder mit gesenktem Kopf aufs Handy oder Tablet schaut, schadet seiner Muskulatur und setzt seinen Nacken einer Belastung aus, die bei einem Winkel von 45 Grad dem Gewicht einer Wasserkiste entspricht. Bei solchen stark nach vorn geneigten Haltungen wird die Halswirbelsäule bis zu fünfmal mehr belastet und Muskeln und Gelenke sind aufs Äußerste gedehnt und angespannt.

Derartige Fehlhaltungen, aber auch einseitige oder ungewohnte Belastungen oder Bewegungsmangel sorgen dafür, dass sich die Muskeln verhärten und verkürzen – und letztlich beginnen zu schmerzen.

Dabei kommt es mitunter zu einem steifen Nacken. Aus Angst vor mehr Schmerzen neigen Betroffene dann oftmals zu einer starren Schonhaltung, sodass ein Teufelskreis entsteht. Häufig bewirken auch Stress oder Kälte, dass sich die Muskeln zusammenziehen und verkrampfen. Gestresste Menschen neigen dazu, die Schultern hochzuziehen und sich anzuspannen, was auf längere Sicht die Muskulatur schmerzhaft überlastet. Eine unkontrollierte, ruckartige Bewegung kann zudem eine Zerrung zur Folge haben.

Dritter Schritt: Kurzfristige Maßnahmen gegen den Schmerz

Sind die Schmerzen bereits da, empfinden Betroffene die Zufuhr von Wärme häufig als lindernd. Wärmepflaster, Wärmflaschen oder durchblutungsfördernde Salben können Muskelverspannungen und -zerrungen oftmals schon nach zwei bis drei Tagen lösen. Auch die äußerliche Anwendung von Gels oder Cremes sowie die kurzzeitige Einnahme von entzündungshemmenden Schmerzmitteln tragen als Ersthelfer in der Not zur Entspannung und Schmerzbekämpfung bei.

Die langsame Wiederaufnahme von Bewegung, zum Beispiel durch kurze Spaziergänge, kann Verspannungen ebenso entgegenwirken. „Bei muskulären Verspannungen und Verkürzungen ist es wichtig, die Mobilität zurückzuerlangen“, betont Dr. Sabarini. „Denn Bewegung führt dazu, dass die Muskeln gelockert und besser durchblutet werden, was die Schmerzen lindern kann.“

Bei wenig Zeit lassen sich kleinere Nacken- und Dehnübungen einfach zwischendurch in den (Arbeits-)Alltag integrieren: den Kopf nach rechts und links neigen, die Schultern kreisen lassen, zu den Ohren hochziehen und wieder lockerlassen oder sich mit beiden Händen an den Hinterkopf greifen und das Kinn zur Brust ziehen.

Vierter Schritt: Methoden, um Nackenschmerzen langfristig vorzubeugen

Statt Nackenschmerzen ständig die Stirn bieten zu müssen, sind gezielte Maßnahmen zur Vorbeugung sinnvoll. Zunächst ist es ratsam, den Hals vor Zugluft, Feuchtigkeit und Kälte zu schützen.

Wer lange Auto fährt oder im Sitzen arbeitet, sollte auf eine aufrechte Sitzhaltung achten. Beim Autofahren unterstützen dabei individuell eingestellte Kopf- und Rückenlehnen.

An einem ergonomischen Arbeitsplatz sind Schreibtisch, Stuhl und Monitor so aufeinander abgestimmt, dass sich der Bildschirm auf Augenhöhe befindet, der Rücken gerade ist und die Arme in einem 90-Grad-Winkel auf dem Schreibtisch aufliegen. Generell empfiehlt es sich, lieber die Augen als den Kopf zu senken und auf Monitor- und Handyständer zurückzugreifen.

Um die Nackenmuskulatur zwischendurch aufzulockern, bietet sich die Integration regelmäßiger Entspannungs- und Bewegungspausen in den Arbeitsalltag an: stündlich einmal aufstehen, kurze Spaziergänge in der Mittagspause, ein Wechsel der Sitzposition oder die tägliche Durchführung der oben genannten Dehn- und Streckübungen.

Bei einseitigen Belastungen durch immer gleiche Bewegungsabläufe entspannen kurze gegensätzliche Bewegungseinheiten die Muskulatur.

Mit regelmäßigem sportlichem Training werden verspannte Muskeln gezielt gedehnt und gekräftigt, wodurch sie ihre Beweglichkeit wieder zurückerhalten und Knochen und Gelenke langfristig besser unterstützen. Sportarten wie Gymnastik und Yoga sind da gute Möglichkeiten, das Muskelkorsett zu stärken und die Wirbelsäule zu entlasten.

Nach Möglichkeit sollte langanhaltender Stress vermieden oder so gut wie möglich abgebaut werden. Abhilfe schaffen Entspannungsübungen wie die progressive Muskelrelaxation. Betroffene können hier über Methoden der Tiefenentspannung zu mehr Ruhe kommen.

Für eine optimale, den Nacken entlastende Schlafposition sind die Verwendung ergonomischer Kissen und einer passgenauen Matratze sowie die Vermeidung der Bauchlage hilfreich. Hat man trotz allem mit langanhaltenden Nackenschmerzen zu tun, hilft der Facharzt bei der Suche nach den Ursachen und einer geeigneten Therapie. 

Weitere Informationen unter https://avicenna-klinik.com