Selbstoptimierung durch Schönheitsmedizin

„Soziale Unterschiede zeigen sich immer stärker am Äußeren“

Vergrößerte Lippen bei jungen Frauen, Sixpack-OPs bei jungen Männern, Facelifts für die Generation 50plus: Noch nie waren die Möglichkeiten der körperlichen Selbstoptimierung so groß wie heute – und nie zuvor war der Druck so hoch, mithilfe der Schönheitsmedizin die eigene Attraktivität zu steigern.

Welche Trends in der Körpergestaltung derzeit aktuell sind und warum sich soziale Unterschiede immer stärker am Erscheinungsbild widerspiegeln, erläutert eine Expertin der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie e.V. (DGPM).

Schon seit der Antike versuchen Menschen, ihre Attraktivität zu steigern und den Alterungsprozess aufzuhalten. Doch der Druck, den eigenen Körper zu optimieren, hat nach Auffassung von Professor Dr. phil. habil. Dipl.-Psych. Ada Borkenhagen von der Universitätsklinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Universität Magdeburg ein neues Niveau erreicht.

 „Mit den Möglichkeiten der modernen Schönheitsmedizin ist vieles machbar geworden und wird daher auch erwartet“, sagt die Psychologin und Buchautorin, die seit zwei Jahrzehnten zu körperoptimierenden Verfahren sowie Störungen von Identität und Persönlichkeit forscht und publiziert.1-4 „Sozialer Druck und Eingriffstiefen sind stärker geworden.“ Immer mehr Bereiche des Körpers würden gestaltet, so Borkenhagen. Dieser Trend erfasse Ältere wie Jüngere.

Schönheitsmedizin kostet Geld und erfordert Netzwerk

Zugleich bewirkt die moderne Schönheitsmedizin eine zunehmende Ausdifferenzierung der Gesellschaft. Denn die Eingriffe etwa fürs Antiaging setzen ein überdurchschnittliches Einkommen voraus

„Es reicht auf Dauer nicht, die Falten nur mit Botox wegzuspritzen“, erläutert Borkenhagen. „Man benötigt Laserbehandlungen, eventuell eine Straffung der Augenlider, ein Facelifting, eine Zahnerneuerung.“ Für diese Therapien kommen schnell mehrere Tausend Euro pro Jahr zusammen. Darüber hinaus ist spezielles Wissen erforderlich.

„Man muss die Methoden und die entsprechende Ärzteschaft kennen, am besten über Empfehlungen im Freundeskreis“, erläutert die Psychotherapeutin, die in freier Niederlassung in Berlin praktiziert.

Medizin allein genügt nicht, um dauerhaft attraktiv zu bleiben

Die Investition in den eigenen Körper hört damit aber noch nicht auf.

„Es gelingt der Schönheitsmedizin, Menschen zehn Jahre jünger aussehen zu lassen“, stellt Borkenhagen fest. „Doch um diesen Zustand längerfristig zu erhalten, muss ein gesunder Lebensstil hinzukommen.“ Dazu gehört etwa der Verzicht aufs Rauchen, eine naturbelassene, ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse und wenig Schadstoffen, regelmäßiger Sport und die Verwendung von Selbstbräunungsmitteln, um Sonnenexposition zu vermeiden.

„Die Mittelschicht hält diese Regeln weitgehend ein, auch in der Erziehung“, erklärt die DGPM-Expertin. Sie leite beispielsweise ihren Nachwuchs an, bereits im frühen Kindesalter viel Salat und Gemüse zu essen.

Aussehen und Einkommen – ein Teufelskreis

Gutes Einkommen, Wissen, gesunder Lebensstil – es muss einiges zusammenkommen, um über die Lebensspanne hinweg ein attraktives Äußeres zu bewahren. Wie die genetische Ausstattung der Menschen auch, sind diese Faktoren ungleich verteilt. Ada Borkenhagen ist daher überzeugt: „Soziale Unterschiede zeigen sich immer stärker am körperlichen Aussehen.“

Attraktive Menschen verdienen mehr und sind besser vor Kündigungen geschützt als weniger normschöne Personen, wie Studien belegen. Daraus folgt: Wer mehr verdient, investiert in sein Äußeres, um sein Einkommen weiter zu erhöhen – ein Teufelskreis entsteht, der die Spaltung der Gesellschaft vertieft.

Aktuelle Hypes: Waschbrettbauch und Sanduhrfigur

Dabei entstehen ständig neue Schönheitstrends, die immer mehr Körperteile erfassen. „Ein solcher Trend ist das Einspritzen von Eigenfett und Hyaluron, um ein Waschbrettmuster am Bauch herzustellen, beliebt bei Männern in metro- und homosexuellen Kreisen“, berichtet die Psychoanalytikerin.

Zu den aktuellen Hypes bei Frauen zählen mit Hyaluron aufgespritzte Lippen und die sogenannte Sanduhrfigur, die so gut wie immer chirurgischer Hilfe bedarf – ein voluminöser Po, eine starke Brust, eine sehr schmale Taille.

„Dieses Körperideal bestimmen Social-Media-Influencer wie die Kardashians“, so Borkenhagen.

Piercings und Schamhaarrasur sind out

Trends kommen, Trends gehen aber auch wieder. Borkenhagen betrachtet Körpergestaltungseingriffe, die Moden folgen, deshalb skeptisch und warnt vor den Konsequenzen: „Was machen Mädchen mit aufgespritzten Lippen, wenn das Ideal sich wieder ändert? Das ist keine Dauerwelle, die einfach rauswächst.“

Zudem wisse man noch nicht, was das beständige Aufspritzen auf Dauer mit dem Gewebe macht, gibt die DGPM-Expertin zu bedenken.

Weiteres Beispiel: Piercing hat seinen Höhepunkt 2016 überschritten; wer den Körperschmuck entfernt, weil er nicht mehr zu einem passt, muss mit Narben und Löchern in der Haut rechnen.

„Auch Tätowierungen könnten mal wieder aus der Mode kommen“, prophezeit Borkenhagen.

Sie stehen unter Krebsverdacht und lassen sich häufig selbst mit Laser nicht vollständig entfernen. Insofern kann es positiv sein, wenn Schönheitstrends abebben – wie etwa bei der radikalen Schamhaarrasur.

„Die Schambehaarung nimmt bei jungen Frauen wieder zu“, berichtet Borkenhagen. „Damit nehmen auch die chirurgischen Verkleinerungen der Schamlippen ab.“

Doch ob Schamlippenverkleinerung, Facelift oder Tattoo – eine Feststellung gilt für alle Eingriffe zur Körpergestaltung: „Die ganz überwiegende Mehrheit der Menschen, die sich körperlich optimieren möchte, ist psychisch nicht auffällig“, stellt die Expertin für seelische Aspekte der ästhetischen Chirurgie fest. „Das können wir durch Studien belegen.“

Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie:
ist mit etwa 1500 Mitgliedern die größte Fachgesellschaft für das Fachgebiet Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Sie vertritt die Belange des Fachgebietes für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in der stationären und ambulanten Versorgung, Lehre und Forschung.

Des Weiteren vertritt die Fachgesellschaft die Interessen ihrer Mitglieder in der Gesundheitspolitik und setzt sich für eine gerechte und angemessene Finanzierung des Gebietes in der ambulanten und stationären Versorgung ein.

Literatur:
1 Ada Borkenhagen, Eva Brinkschulte, Elmar Brähler (Hrsg.): Schönheitsmedizin. Kulturgeschichtliche, ethische und medizinpsychologische Perspektiven, sychosozial-Verlag 2016.

2 Ada Borkenhagen, Aglaja Stirn, Elmar Brähler (Hrsg.): Body Modification. Manual für Ärzte, Psychologen und Berater - Tattoo, Piercing, Botox, Filler, ästhetische Chirurgie, Intimchirurgie, Genitalchirurgie, Implantate, Amputation, Bodybuilding, ästhetische Zahnheilkunde, Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2013.

3 Ada Borkenhagen, Elmar Brähler (Hg.) Intimmodifikationen, Psychosozial-Verlag 2010.

4 Ada Borkenhagen: Dissoziationen des Körpers. Eine Untersuchung der psychischen Repräsentanz des Körpers magersüchtiger Patientinnen und von Frauen, die sich einer künstlichen Befruchtung unterziehen, Psychosozial-Verlag 2000.

In den Sozialen Medien

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