Wenn der Datenschutz dem Gesetz ein Bein stellt

Zur Ausgliederung der elektronischen Patientenakte (ePA) aus dem Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) äußert sich Karsten Glied, Geschäftsführer der Techniklotsen GmbH

„Mit dem DVG sollte die Digitalisierung im Gesundheitswesen endlich richtig Fahrt aufnehmen.

Aber wieder einmal bewahrheitet sich leider nicht das Sprichwort ‚Was lange währt, wird endlich gut‘. Denn das Bundesgesundheitsministerium hat in einem neuen Entwurf zum DVG die bisher geplanten Regelungen zur elektronischen Patientenakte gestrichen.

In der Ressortabstimmung merkte das Justizministerium datenschutzrechtliche Bedenken an. Sensible Informationen zum Gesundheitszustand würden stärkere Schutzmechanismen benötigen.

 Weiter ging es auch um Unklarheiten bei der Frage, welche Anwendungen zuerst in der Akte verfügbar sein müssen und die scheinbare Problematik, dass Patienten im ersten Schritt keine Zuordnung vornehmen können, welche der behandelnden Ärzte welche Daten einsehen können.

In der aktuellen Gesetzesvorlage heißt es, dass in einem zeitnah folgenden zusätzlichen Gesetz die elektronische Patientenakte Berücksichtigung finden soll, damit die Versicherten wie bereits festgelegt ab 2021 von der ePA profitieren können.

Das Gesundheitsministerium entschied sich daher für die Aufspaltung des Digitalisierungsgesetzes, um die anderen Elemente des Vorhabens zügig durchzubringen – und opferte dafür zunächst die ePA.

Das Ziel ist nun ein eigenes Datenschutzgesetz mit den Regelungen zur elektronischen Patientenakte.

Warum solche grundlegenden Datenschutzfragen zu einer Aufsplittung des DVG führten, bleibt schleierhaft.

 Zwangsläufig stellt sich die Frage, weswegen sich die Verantwortlichen erst jetzt ausführlicher mit dem Thema beschäftigen: Was hat die Selbstverwaltung in den vergangenen Jahren in dieser Hinsicht getan?

Für die technischen Einzelheiten ist sowieso die gematik zuständig – warum müssen also Details wie die Zuordnung von Daten überhaupt auf Gesetzesebene gebracht werden?

Das kann nur daran liegen, dass das Justizministerium es der gematik nicht zutraut, einfachste Grundsätze und Berechtigungssysteme auf dem neusten Stand der Technik zu regeln.

Für einen Betrachter von außen muss es beinah schon so aussehen, als würde es sich um ein sehr brisantes Gesetz handeln, wenn das Justizministerium es aufgrund des mangelnden Datenschutzes blockiert und die ePA nun sogar ein eigenes Gesetz benötigt.

Ganz offensichtlich kommt hier die Datenschutzkeule zum Einsatz.

Jens Spahns digitale Vorstöße sind generell erst einmal zu begrüßen – aufgrund von stark divergierenden Interessen findet aber regelmäßig eine Aushöhlung der geplanten Digitalisierungsvorhaben statt.

Und das zum Nachteil der Versicherten:
Seit gut 10 Jahren befindet sich die Umsetzung der ePA in der Diskussion und noch immer steht sie den Bürgern nicht zur Verfügung.

Es drängt sich der Eindruck auf, dass es den Verantwortlichen nicht wirklich um die ePA und um die damit einhergehenden Vorteile für die Versicherten geht, sondern vor allem eigene Vorstellungen eine entscheidende Rolle spielen.

Denn warum sonst sollte ein eigentlich runder Gesetzentwurf so geschmälert werden? Im Grunde handelt es sich bei der Verordnung zur digitalen Versorgung ohne Regelungen zur ePA um ein Armutszeugnis.

Die elektronische Patientenakte schrumpft dadurch vom Leuchtturmprojekt zu einem Vorhaben, das sich getrost weiter aufschieben lässt.

Klar ist:
Niemand darf ohne Grundlage mit sensiblen Daten arbeiten.

Umso paradoxer, dass sich eine solche Gesetztesgrundlage überhaupt durch den Datenschutz ausgebremst werden kann.

Wie lässt sich das mit der Tatsache in Einklang bringen, dass Gesundheitsdaten für die Versorgung und den medizinischen Fortschritt von erheblichem Wert sind?

Diese Informationen unter Verschluss zu halten, bremst Innovationen aus und führt letztlich dazu, dass Patienten nicht von einer zeitgemäße Versorgung profitieren.

Augenscheinlich gerät neben dem durchaus wichtigen Thema Datenschutz die Sorge um die Patienten aus dem Blickfeld.

Mit einer funktionierenden ePA ließen sich etwa Arzneimittel-Wechselwirkungen, Behandlungsfehler, Informationslücken und Doppeluntersuchungen vermeiden.

Außerdem könnten sich Mediziner und Einrichtungen über die ePA schnell einen Überblick über die Krankheitsgeschichte von Patienten verschaffen – ohne entsprechende Befunde beispielsweise erst per Fax anzufordern.

Der ursprüngliche Plan, dass Ärzte und andere Leistungsträger die Digitalakten mit Befunden, Röntgenbildern oder den Daten aus dem Impfausweis befüllen, befindet sich nun erst einmal wieder auf dem Abstellgleis.

Unbestreitbar handelt es sich bei der Digitalisierung des Gesundheitssystems nicht um ein gemeinsames Ziel aller Ministerien. Vermutlich empfinden die Verantwortlichen das Vorhaben teilweise als zu schwierig und glauben nicht an den Erfolg der digitalen Prozesse.

Wann genau das neue Gesetz zur Regelung der ePA kommen soll, ist zurzeit noch offen.

Es bleibt zu hoffen, dass die neue separate Richtlinie die Funktionen der ePA nicht allzu sehr eingeschränkt. Sonst ginge eine ursprünglich gute Idee als bloße Attrappe ohne wirklichen Nutzen für die Patienten an den Start.

Kaum zufällig erinnern die aktuellen Entwicklungen allzu schmerzlich an den Umgang mit der elektronischen Gesundheitskarte.“
 
Weitere Informationen unter: www.techniklotsen.de