Bürgerwehren auf Einbrecherjagd

Eigenschutz, Jedermannsrecht und Selbstjustiz

Ländliche Orte nahe der Autobahn sind oft Ziel von professionellen Einbrecherbanden. Um sich selbst zu schützen, formieren sich in manchen Dörfern und Kleinstädten Bürgerwehren.

  • Was dürfen diese Gruppen eigentlich?
  • Wann sollte man besser die Polizei einschalten?
  • Warum entstehen Bürgerwehren?

Das Gros der heutigen Bürgerwehren ist aufgrund von Einbrüchen entstanden.
Die Zahl der Einbruchdiebstähle steigt seit Jahren an. Oft sind professionelle Banden unterwegs, die schnell und gekonnt agieren. In den wenigsten Fällen können die Täter gefasst werden. Im Jahr 2013 lag die Aufklärungsquote bei rund 15 Prozent. Im Jahr 2015 hatte es in Deutschland über 149.000 Wohnungseinbruchdiebstähle gegeben. Innerhalb von 15 Jahren ist allerdings der Anteil vollendeter Fälle stetig gesunken. Die steigende Zahl „versuchter“ Einbrüche belegt das. Diesen Umstand führt die Polizei unter anderem auf verbesserte Sicherungsmaßnahmen zurück. Präventionsaktionen wie „Riegel vor“ helfen Bürgern dabei, ihre vier Wände bestmöglich vor Eindringlingen zu schützen. In den vergangenen Jahren haben sich dennoch vermehrt Menschen zusammengeschlossen, um ihr Eigentum zu bewachen.

Beispiele aus den Bundesländern
Meist kennen sich die zumeist jungen Männer bereits, weil sie gemeinsam in Vereinen sind, bei der Feuerwehr oder beim Rettungsdienst. In Radevormwald (NRW) haben Bewohner Ende 2013 online zusammengefunden und eine Bürgerstreife gegründet – nachdem es etliche Wohnungseinbrüche gegeben hatte. Ihr Motto lautet „Bürger für Bürger“. Im selben Jahr hat sich im Kreis Euskirchen der Junggesellenverein „Edelweiß Harzheim 1912“ nach einem Einbruch zu Überwachsungsrundgängen während der dunklen Jahreszeit entschlossen. Später haben sich auch Bürger der Eifeler Ortschaft Mechernich-Harzheim zu der Gruppe gesellt, um präventiv auf Streife zu gehen.

An der deutsch-polnischen Grenze haben sich ebenfalls Schutzpatrouillen gebildet.
Hier steigt die Zahl der Diebstähle, während die Personaldecke der Polizei dünner wird. Fahrzeuge, Computer – hier wird einiges gestohlen. Und das regelmäßig. In Eisenhüttenstadt und Küstrin-Kietz (Brandenburg) kontrolliert jetzt die Bürgerwehr den Ort. Das sind zumeist junge Männer, ausgestattet mit Taschenlampen, Funk- und Nachtsichtgeräten, manche Gruppen sogar mit einheitlich beschrifteter Kleidung. Sie sind in Facebook-Gruppen organisiert und patrouillieren strategisch in verschiedenen Kleingruppen verteilt durch die Stadt.

In Südwestdeutschland haben Bürgerwehren eine lange Tradition.
Viele entstanden im Zuge der Märzrevolution 1848. Diese verloren mit der Etablierung eines stehenden Heeres an Bedeutung – bis jetzt. In Freiamt (Baden-Württemberg) hat sich 2014 eine Gruppe junger Leute zu einer Bürgerwehr zusammengeschlossen. Zuvor hatte es in der Region in kürzester Zeit rund 50 Einbrüche gegeben. Die Bewohner waren verängstigt, fühlten sich unsicher. Die Mitglieder der Bürgerwehr begannen zu patrouillieren, auch nachts. Sie hielten Autos an, sprachen Menschen an, die nicht ortsansässig waren. Eine Diebesbande ging ihnen beim Anhalten eines Autos sogar ins Netz. Die ortsansässigen Polizeibeamten mahnten vor unkontrollierbaren Situationen. Es sei sinnvoller, zwar wachsam zu sein, aber der Polizei verdächtige Autos samt Kennzeichen zu melden. Das Stellen der Verdächtigen fällt eindeutig in das Ressort der Polizei und gehört nicht in den Aufgabenbereich von Laien.

Bürgerwehren auf Einbrecherjagd
Die Polizei geht vor allem schwerpunktmäßig gegen Diebesbanden vor. „Treten in einer bestimmten Gegend häufig Einbruchdiebstähle auf, dann konzentriert die Polizei ihre Kräfte vor Ort und versucht durch erkennbare, aber auch durch verdeckte Polizeiarbeit die Einbruchsserie aufzuklären und die Täter festzunehmen“, sagt Sascha Braun, Justiziar der Gewerkschaft der Polizei. Bei der grenzüberschreitenden Kriminalität ist die Zusammenarbeit der Polizei mit ihren ausländischen Kollegen heute eine Selbstverständlichkeit.

Auch die Kooperation von Polizei und Bürgern hat sich etabliert:
Bürger können sich in manchen Bundesländern ehrenamtlich in einem Sicherheitsdienst engagieren und die Polizei unterstützen. Die Mitglieder des „Freiwilligen Polizeidiensts“ in Hessen und Baden-Württemberg sowie der „Sicherheitswacht“ in Sachsen und Bayern sollen vornehmlich ein Auge auf Vandalismus und Ordnungsstörungen haben. Hier gilt die Devise: „Präsenz zeigen – beobachten – melden“. Die Helfer sind zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs. Durch ihre Präsenz sollen sie die Sicherheitslage und das Sicherheitsgefühl der Bürger verbessern.
Was dürfen Bürgerwehren?

Wer in einer Bürgerwehr tätig wird, handelt in einer rechtlichen Grauzone:
Das Gewaltmonopol liegt beim Staat, die Gefahrenabwehr und der Schutz der öffentlichen Sicherheit sind zentrale Aufgaben Polizei. Zudem haben Bürgerwehren keinerlei demokratische Legitimation, Selbstjustiz ist verboten. Für Bürgerwehren und für private Sicherheitsdienste gelten deshalb dieselben Rechte, die für alle Bürger gelten. Nach dem so genannten „Jedermannsrecht“ (§ 127 StPO) darf ein Bürger einen Täter zwar ohne richterliche Anordnung vorläufig „festnehmen“, ihn also bis zum Eintreffen der Polizei festhalten, allerdings nur dann, wenn er ihn auf frischer Tat ertappt. Vorbeugend, nur auf Verdacht, gilt das nicht.

Wer auf eigene Faust für Recht und Ordnung sorgen will, setzt sich zudem verschiedenen Risiken aus, zum Beispiel:

  • über das Ziel hinauszuschießen und Selbstjustiz zu üben

  • selbst verletzt zu werden

  • andere zu verletzen

  • sich etwa wegen Köperverletzung, Nötigung oder Freiheitsberaubung strafbar zu machen

Grundsätzlich gilt, dass man für das Führen einer Schusswaffe, also die Ausübung von Besitz außerhalb der eigenen Wohnung oder des eigenen Grundstücks, eine behördliche Genehmigung benötigt. Diese Erlaubnis steht immer im Zusammenhang mit dem Bedürfnis des Schusswaffenbesitzes: Wer also als Sportschütze das Bedürfnis zum Besitz der Waffe wegen des Sports nachgewiesen hat, der darf die Waffe zur Sportausübung führen, aber nicht in der allgemeinen Öffentlichkeit. Anders stellt sich der Fall dar, wenn das Bedürfnis darin liegt, sich selbst vor Angriffen zu schützen, indem man eine Schusswaffe besitzt und mit sich führt. „In einem solchen Fall dürfte man allerdings davon ausgehen, dass sich der Waffenführende eben nicht auch noch selbst in Gefahr begeben darf, indem er sich freiwillig an einer Bürgerwehr beteiligt“, sagt Sascha Braun, Justiziar der Gewerkschaft der Polizei.
Risikofaktoren bei Bürgerwehren

„Die Gefahr liegt vor allem darin, dass sich Menschen selbst in Gefahr begeben, ohne entsprechend ausgebildet zu sein“, sagt Sascha Braun. Es können auch gefährliche Situationen entstehen, weil Situationen falsch eingeschätzt werden und dabei über das Ziel hinausgeschossen wird. „Niemand, der nicht Träger von Hoheitsrechten ist, ist befugt, andere Menschen anzuhalten und zu kontrollieren“, sagt Braun. Wer seine Rechte nicht kennt, kann schnell unrechtmäßig handeln. Zudem erweckt die Gründung und die Organisation einer Bürgerwehr auch den Eindruck, in einer von Kriminalität besonders belasteten Gegend zu wohnen. Damit wird eine Kriminalitätsfurcht erzeugt, die sich negativ auf das Lebensgefühl der Menschen auswirken kann.

Quelle:
Polizei dein Partner - www.polizei-dein-partner.de