Nachlassverzeichnis: Notar darf sich nicht auf vage Angaben des Erben verlassen

Wer von seinen Eltern bei der Erbschaft übergangen wurde, hat gegen die Erben einen sofort fälligen Bargeldanspruch, den sogenannten Pflichtteil.

Der Haken dabei: Um die Höhe des Pflichtteils berechnen zu können, müssen die Erben ein Nachlassverzeichnis erstellen.

Da deren Angaben regelmäßig interessengesteuert sind, verlangen Pflichtteilsberechtigte häufig ein notarielles Nachlassverzeichnis.

Doch das brachte den Betroffenen in vielen Fällen Steine statt Brot. „Bislang erzielte das notarielle Nachlassverzeichnis nicht immer den gewünschten Erfolg. Der Grund: Viele Notare verließen sich schlicht auf die Angaben der Erben und sahen davon ab, ihre eigenen Recherchemöglichkeiten auszuschöpfen und weiteres Vermögen offenzulegen“, bringt es Rechtsanwalt Dr. Sven Gelbke auf den Punkt.

Erbe verweigert Notar Kontenabruf

Doch dieser laxen Praxis der Notare hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein Ende bereitet (Az.: IV ZR 193/19).

Wie das Internetportal „Die Erbschützer“ berichtet, räumt der BGH dem Pflichtteilsberechtigten in der Grundsatzentscheidung das Recht ein, eine Ergänzung bzw. Berichtigung des notariellen Nachlassverzeichnisses verlangen zu können, wenn sich ein Notar auf die Wiedergabe der Bekundungen des Erben ohne eigene Ermittlungstätigkeit beschränkt und das Nachlassverzeichnis dadurch unvollständig ist. In dem entschiedenen Fall hatte ein Erbe dem Notar die Zustimmung zu einem Kontenabruf bei einem österreichischen Kreditinstitut verweigert.

Der Notar verließ sich trotzdem mehr oder weniger ungeprüft auf die Kontoangaben des Erben.

Plausibilitätsprüfung des Notars reicht nicht

So nicht, rüffelten die Karlsruher Richter die bisherige Praxis vieler Notare. Nach deutschem Erbrecht soll es dem Pflichtteilsberechtigten ermöglicht werden, sich die notwendigen Kenntnisse zur Bemessung seines Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen. Hierbei soll ein notarielles Nachlassverzeichnis eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft als das private Verzeichnis des Erben bieten.

Dementsprechend muss der Notar den Bestand des Nachlasses selbst und eigenständig ermitteln und durch Bestätigung des Nachlassverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen, dass er den Inhalt verantwortet. Der Notar ist in der Ausgestaltung des Verfahrens weitgehend frei. Er muss zunächst von den Angaben des Auskunftspflichtigen ausgehen.

Allerdings darf er sich hierauf nicht beschränken und insbesondere nicht lediglich eine Plausibilitätsprüfung durchführen. Vielmehr muss er den Nachlassbestand selbst ermitteln und feststellen. Dabei hat er diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde.

Erbe muss kooperieren

„Welche Auskunfts- und Mitwirkungspflichten den Erben treffen, ist eine Frage des Einzelfalls. Der BGH hat auch insoweit klargestellt, dass der Notar den Erben durchaus auffordern darf, eigene Auskunftsansprüche gegenüber Geldinstituten bzw. sonstigen Dritten durchzusetzen.

Die vom Erben geschuldete Kooperation kann insoweit auch in der Anweisung an Dritte bestehen, die benötigten Auskünfte unmittelbar gegenüber dem Notar zu erteilen“, fasst Rechtsanwalt Dr. Sven Gelbke den Richterspruch zusammen.

Aufklärungspotenzial voll ausschöpfen

Im entschiedenen Fall stand fest, dass das notarielle Nachlassverzeichnis unvollständig war, weil es keine umfassenden Angaben über die Geschäftsbeziehung der Erblasserin zu der österreichischen Bank enthielt.

„Der Erbe hat ausweislich des notariellen Nachlassverzeichnisses einen Kontendatenabruf des Notars für Kontenverbindungen in Österreich nicht ermöglicht und keine entsprechende Zustimmungserklärung erteilt. Bei Vorliegen einer entsprechenden Zustimmungserklärung des Erben für die Konten in Österreich hätte der Notar wie in Deutschland Auskunft eingeholt. Der Erbe hat es schlicht unterlassen, sich über sein eigenes Wissen hinaus die zur Auskunftserteilung notwendigen Kenntnisse so weit wie möglich zu verschaffen und von Auskunftsrechten gegenüber Kreditinstituten Gebrauch zu machen. Deshalb liegt eine teilweise Unvollständigkeit des notariellen Nachlassverzeichnisses vor“, so Gelbke.

Entscheidung verbessert die Rechte der Pflichtteilsberechtigten

Der Geschäftsführer des Internetportals „Die Erbschützer“ sieht in dem Urteil eine Stärkung der Rechtsposition von Pflichtteilsberechtigten.

Das Kölner Unternehmen „Die Erbschützer“ erkämpft bundesweit für übergangene Erben deren Pflichtteil und erhält lediglich im Erfolgsfall ein 14-prozentiges Honorar. Für die Pflichtteilsberechtigten hat das den Vorteil, erstens kein Geld für die Rechtsverfolgung vorstrecken zu müssen. Zweitens bleibt ihnen der emotionale Stress erspart, sich selbst mit den Erben auseinandersetzen zu müssen.