Testamentsanfechtung: Wenn die Freundin zweite Ehefrau wird

Älterer geschiedener Mann heiratet jüngere Freundin.

Dieses Klischee ist abgegriffen, kommt aber häufig vor.

Ebenso vorurteilsbehaftet ist die Vorstellung, dass die zweite Frau nur wegen des Geldes geheiratet hat.

Doch die materielle Absicherung ist oft lückenhaft. Taucht etwa nach dem Tod des Mannes ein Testament aus früheren Zeiten auf, wonach die Kinder aus erster Ehe alles erben und die zweite Frau sich mit einem Vermächtnis begnügen soll, kochen die Emotionen hoch.

Über genau diesen Fall musste kürzlich das Oberlandesgericht Stuttgart entscheiden (Az.: 8 W 64/21).

Der Erblasser hatte 2002 ein Testament errichtet, in dem er zugunsten seiner Freundin verfügte, dass sie bei seinem Tod 50.000 Euro aus seinem Aktienbesitz sowie das Auto Smart erhalten sollte.

Darüber hinaus erhielt sie für 15 Jahre ein mietfreies Wohnrecht in seinem Haus.

Weiter heißt es darin: „Wenn sie die Wohnung nicht nutzen kann, kann sie sie vermieten. Selbstverständlich kann sie das Nutzungsrecht auch an die Kinder für 100.000 Euro verkaufen“.

Das übrige Vermögen wurde in dem Testament unter seinen beiden Kindern aufgeteilt.

Einige Jahre später heiratete der Mann seine Freundin – für ihn die zweite Ehe.

Als er 2018 verstarb, wurde das Testament zunächst nicht aufgefunden. Das Nachlassgericht erteilte deshalb einen Erbschein, wonach die gesetzliche Erbfolge galt: Die zweite Ehefrau erhielt die Hälfte des Nachlasses und die beiden Kinder je ein Viertel. Doch dann fand eines der Kinder das Testament des Vaters von 2002, weshalb das Nachlassgericht den unrichtigen Erbschein einzog.

Ehefrau fühlt sich übergangen

Gegen diese Entscheidung legte die Ehefrau Beschwerde ein und focht dieses an. Begründung: Der Erblasser habe vor seinem Tod die Absicht gehabt, sein Testament zu ändern, er habe sich intensiv mit dem Thema beschäftigt, habe seine Pläne aber durch seinen überraschenden Tod nicht mehr umsetzen können.

Zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung sei noch nicht klar gewesen, dass sie heiraten würden, weil die Freundin und spätere Gattin nach ihrem Studium ursprünglich geplant hatte, wieder nach China zurückzukehren. Jedenfalls sei sie in dem Testament als Pflichtteilsberechtigte übergangen worden.

Gericht hält Testament für gültig

Doch das Oberlandesgericht Stuttgart hielt das Testament für gültig. Zwar kann nach § 2079 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein Testament angefochten werden, wenn der Erblasser einen zur Zeit des Erbfalls vorhandenen Pflichtteilsberechtigten übergangen hat, der erst nach der Errichtung pflichtteilsberechtigt geworden ist.

So lag der Fall hier: Die im Testament bedachte Freundin wurde erst später seine Ehefrau und damit pflichtteilsberechtigt. Allerdings hat sie ihr Mann laut Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart nicht übergangen. Das könne nur angenommen werden, wenn der Pflichtteilsberechtigte weder enterbt noch als Erbe eingesetzt oder mit einem Vermächtnis bedacht wurde, befand das Gericht.

Der wahre Erblasserwille zählt

„Der vorliegende Fall zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass das, was der Erblasser seiner Frau vermachte, noch nicht einmal die Hälfte des Nachlasses ausmacht. Allerdings kann man nach dem Sprachgebrauch und Wortsinn nicht mehr davon sprechen, dass seine Frau in dem Testament übergangen wurde, weil sie doch erhebliche Vermögensvorteile erhalten hat“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Sven Gelbke.

Der Ehefrau gelang es letztlich nicht, zu beweisen, dass ihr Mann zu Lebzeiten vorhatte, das Testament in ihrem Sinn zu ändern. Die Stuttgarter Richter betonten, dass die Konstellation in der Praxis öfter vorkomme, dass der Erblasser in höherem Alter eine Person heiratet, die ihm schon seit längerer Zeit nahegestanden hat. Oft sind dann die Kinder aus der früheren Ehe als Erben eingesetzt.       

Mit den Erben an einen Tisch setzen

„Die Stuttgarter Richter stellten klar, dass in solchen Fällen keinesfalls als Regel unterstellt werden könne, dass der Erblasser das oft wohlüberlegte Testament anders abgefasst hätte, wenn er den Umstand einer späteren Heirat in seine Überlegungen einbezogen hätte“, erklärt Rechtsanwalt Sven Gelbke.

Der Geschäftsführer des Erbrechtsportals „Die Erbschützer“ rät deshalb, dass sich der Erblasser insbesondere in der Konstellation einer Patchworkfamilie noch zu Lebzeiten mit den Beteiligten an einen Tisch setzen und die beabsichtigte Verteilung seines Erbes offen besprechen sollte.

Ansonsten bleibe wie in dem vom Oberlandesgericht Stuttgart entschiedenen Fall immer die Ungewissheit, ob der Erblasser bei Kenntnis von der späteren Heirat das Testament anders verfasst hätte. Nur dann, wenn der Erblasser vor seinem Tod unter Zeugen bestätigt hat, dass er das Testament zugunsten der Partnerin ändern wolle, sei eine Anfechtung des Testaments vor Gericht aussichtsreich.    

Wer gern mehr erfahren möchte, schaut bitte direkt unter www.erbschuetzer.de