Zehn Wege aus der Schmerzfalle

Zielgerichtete Therapiemaßnahmen im Überblick

In Deutschland leben rund 16 Millionen Menschen mit chronischen Schmerzen, davon jeder Fünfte mit besonders schwerem Verlauf. Oftmals wird dieses Leid zusätzlich als therapieresistent eingestuft – eine Hiobsbotschaft für alle Betroffenen.

Schmerzmediziner Dr. Tobias Weigl, Forschungsleiter an der Universitätsklinik Bonn, kennt das Problem und weiß: „Ohne geeignete Maßnahmen verselbstständigen sich Schmerzen im Laufe der Zeit und brennen sich als Erinnerungsspur in das Gedächtnis ein. Wir Mediziner sprechen dann von einem sogenannten Schmerzgedächtnis.“

Doch wie begegnen Arzt und Betroffene Schmerzen, die sich scheinbar nicht heilen lassen? Um sie zu therapieren, verfolgt die moderne Medizin ganzheitliche Therapiekonzepte.

Im Folgenden fasst Dr. Weigl zehn Maßnahmen zusammen, die den Weg aus der Schmerzfalle ermöglichen.

1. Entlastung
Leiden Betroffene unter akuten Schmerzen, zum Beispiel einem Bandscheibenvorfall oder Hexenschuss, nehmen sie automatisch eine Schonhaltung ein, um die Problemstelle zu entlasten. Allerdings sollte diese Position nur in akuten Phasen und so kurz wie möglich eingenommen werden. Betroffene sollten maximal 2-3 Tage ruhen, denn durch Immobilität verbessert sich die Situation nicht.

2. Pharmakologische Therapie
Zur Behandlung von akuten Beschwerden steht eine breite Palette an Arzneimitteln zur Verfügung. Von Schmerztabletten wie Paracetamol oder Novalgin über nichtsteroidale Antirheumatika, kurz NSAR, – also schmerz- und entzündungshemmende Mittel – bis hin zu Opioiden und Opiaten.

Darüber hinaus finden ebenso Antidepressiva und Antikonvulsiva, Letzteres wirkt krampflösend, Anwendung bei der Behandlung von chronischen Schmerzen. In akuten Fällen spritzen Ärzte ein Gemisch aus Kortison und einem Anästhetikum direkt in das betroffene Areal, um gereizte Schmerzrezeptoren gezielt auszuschalten.

3. Alternative Medizin und Naturheilkunde
Eine zuweilen sinnvolle Ergänzung zur klassischen Medikation stellen sogenannte Phytotherapeutika, also pflanzliche Arzneimittel, dar. Diese weisen keine synthetischen Substanzen auf und bieten hochpotente Wirkmechanismen, die weitestgehend bekannt und nachgewiesen sind.

Wichtig:
„Natürlich“ bedeutet in diesem Zusammenhang nicht frei von Nebenwirkungen. Einzelne Beispiele zeigen, dass Phytotherapeutika allergische Reaktionen auslösen oder toxische Nebenwirkungen aufweisen. Auch ein alternatives Heilverfahren mittels Homöopathie ist verbreitet, jedoch sind die zugesprochenen Wirkmechanismen fraglich und nicht erwiesen.

4. Elektrotherapie
Im Bereich der Elektrotherapie unterscheiden Mediziner zwischen TENS (transkutane elektrische Nervenstimulation) zur Anregung der Muskulatur und der Small Fiber Matrix Stimulation (SFMS) zur gezielten Stimulation von Nervensträngen. Aufgrund überstrapazierter und fehlgeleiteter Nervenfasern entsteht das sogenannte Schmerzgedächtnis, das sich jedoch durch die SFMS-Therapie sukzessive überschreiben lässt. Schmerzempfindungen werden so auf ein Normalmaß reduziert.

5. Verhaltensmaßregeln
Um der Schmerzfalle zu entkommen, lohnt sich ebenfalls ein Blick auf alltägliche Situationen. Tragen Rückenschmerzgeplagte beispielsweise hohe Schuhe, leiden an Übergewicht oder sitzen den ganzen Tag am Schreibtisch, sollten sie daran unverzüglich etwas ändern. Beim Tragen hoher Absätze entsteht beispielsweise häufig ein Hohlkreuz und sowohl Knie- als auch Hüftgelenke und Bandscheiben leiden unter der zusätzlichen Belastung.

6. Umstellung der Ernährung
Eine ausgewogene, vitamin- und nährstoffreiche Ernährung kann die Gesundheit positiv beeinflussen und spielt auch im Hinblick auf einen stabilen und schmerzfreien Rücken eine Rolle. Eine überwiegend basische Ernährung durch reines Quellwasser, Magnesium oder fermentierte Lebensmittel kann beispielsweise chronischen Entzündungen vorbeugen.

Zu einer basischen Ernährung gehören beispielsweise Vitalstoffe wie Vitamin C und Omega-3-Fettsäuren, reines Quellwasser, Magnesium oder fermentierte Lebensmittel. Auch Zwiebeln, Knoblauch oder Ingwer sowie diverse Früchte wie Kirschen, Papaya und Blaubeeren haben entzündungshemmende Wirkung.

7. Arbeitsplatzgestaltung
Vor allem bei Berufen, in denen es zu einseitigen Belastungen kommt oder Personen lange sitzen oder stehen müssen, drohen frühzeitige Erkrankungen des Bewegungsapparates. In Kombination mit einer schlechten Körperhaltung entstehen auf Dauer Verspannungen, Nacken- und Rückenschmerzen, Verschleißerscheinungen oder sogar Bandscheibenvorfälle.

Von daher gilt es den Arbeitsplatz beispielsweise durch einen Sitzball oder Stehtisch – sofern möglich – zu erweitern. Der Abstand vom PC zu seinem Benutzer spielt ebenfalls eine wichtige Rolle für gesundes Sitzen am Arbeitsplatz.

8. Physiotherapie und Krankengymnastik
Für eine erfolgreiche Behandlung gehört körperliche Aktivität zu den wichtigsten Genesungsinstrumenten. Ärzte raten bei leichten Beschwerden zu Joggen, Schwimmen, Radfahren oder ausgedehnten Spaziergängen. Allerdings sollten Betroffene bei der Ausführung den sogenannten Wohlfühlschmerz nicht überschreiten.

Vor allem bei (chronischen) Schmerzen spielt Physiotherapie eine elementare Rolle. Denn gezielte Übungen oder Griffe wirken auf Muskelgruppen, Sehnen, Faszien, Bindegewebe und sogar Knochenhaut ein und beeinflussen auf diese Weise Gelenkfunktionen oder Knochenstrukturen.

9. Physikalische Therapie
Unter diesem Begriff stehen verschiedene Behandlungsformen wie Massagen, Wasseranwendungen, Wärme- und Kältetherapie oder Elektrotherapie. Das therapeutisch weitgefasste Feld soll Heilungsprozesse im Körper anregen, die zur Genesung führen. Kältebehandlungen helfen beispielsweise in akuten, entzündungsbegleitenden Situationen und Wärmebehandlungen kurbeln bei verspannter Muskulatur die Durchblutung und Stoffwechselaktivität im betroffenen Areal an.

Ebenso unterstützend auf den Heilungsprozess wirken spezielle Massagetechniken, wie die Friktionsmassage, die verspannte Muskelgruppen durch Reibung lockert.     

10. Operation
Je nach Ursache kommen verschiedene Operationsverfahren zum Einsatz, allerdings nur, sofern alle anderen konservativen Maßnahmen nicht zum gewünschten Ziel führen. Dies dauert mitunter etliche Monate, manchmal sogar Jahre. Von daher sollten Ärzte nicht so schnell zum Skalpell greifen und dem Patienten die Zeit geben, alle Therapiemethoden auszuschöpfen. Untersuchungen zeigen, dass es Rückenoperierten auf Dauer nicht besser geht als denen, die konservativ behandelt werden.

Generell:
Grundlegend ist es wichtig zu verstehen, dass es nicht die „beste“ oder „einzig wahre“ Therapie gibt. Was dem einen hilft, muss nicht zwangsläufig beim Nächsten zum Erfolg führen. Um zum Ziel zu kommen, gehört der ganzheitliche Ansatz, der nicht nur die körperlichen Ursachen und Symptome, sondern auch die psychischen Ursachen des Schmerzes mit einbezieht, zum erfolgversprechendsten Konzept.

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