Tiefe Hirnstimulation - Bewegungen bei Parkinson wieder selbst bestimmen

... die Bewegungen des eigenen Körpers wieder selbst bestimmen

Ein Interview mit Dr. Ralph Lehrke zum  INFINITY™ DBS-SYSTEM von ABBOTT - Dr. Lehrke ist Facharzt für Neurochirurgie, Spezialist für Stereotaktische Neurochirurgie, Radiochirurgie, Parkinson, Tremor, Dystonie, Stereotatische Hirntumorbehandlung und Chefarzt an der St. Barbara-Klinik in Hamm

Was ist tiefe Hirnstimulation und wie funktioniert sie?

„Mit der tiefen Hirnstimulation, englisch Deep Brain Stimulation oder DBS, behandeln wir neurologische Erkrankungen im Gehirn. Das häufigste Einsatzgebiet ist hier die Parkinson-Krankheit. Parkinson ist eine Erkrankung des Nervensystems, bei der der Nervenbotenstoff Dopamin in zu geringer Form vorhanden ist. Durch den Mangel dieses Botenstoffes leiden Betroffene unter Symptomen wie unter anderem Bewegungsverlangsamung, Steifigkeit und Zittern, die den gesamten Alltag und die Selbstständigkeit einschränken. Mit der tiefen Hirnstimulation können wir diese Symptome bessern. 

Technisch besteht ein System aus drei Teilen. Erstens ist dies ein Neurostimulator, ein kleiner, einem Herzschrittmacher ähnlicher Impulsgeber, den wir unter der Haut im Bereich der Brust oder des Oberbauchs implantieren. Er enthält unter anderem eine Batterie und sendet Stimulationsimpulse. Diese Impulse werden unter der Haut über ein dünnes Kabel, die Elektrode, bis ins Gehirn geleitet und stimulieren dort Stellen des Gehirns, die für Bewegungen zuständig sind. Die dritte Komponente ist ein Programmiergerät. Hiermit können Patienten – innerhalb eines vom Arzt vorgegebenen Rahmens – Stimulationsstärken einstellen und ihre Werte ablesen.“

Für welche Parkinson-Patienten eignet sich die tiefe Hirnstimulation?

„Um die tiefe Hirnstimulation anzuwenden, muss Parkinson als Ursache eindeutig festgestellt worden sein. Mit der tiefen Hirnstimulation helfen wir Parkinson-Patienten, bei denen die Therapie mit Medikamenten ständigen Schwankungen (On-off-Situationen) unterliegt. Bei diesen Patienten ist die Medikamentenwirkung nach 3-4 Stunden erschöpft und es setzt eine Bewegungsunfähigkeit ein. In der Regel wird dann ein sogenannter L-Dopa-Test gemacht. Wenn man hier eine deutliche Verbesserung erkennt, erhält man einen wichtigen Hinweis, ob eine tiefe Hirnstimulation Erfolg versprechend sein kann. Bei Patienten, die über 70 Jahre alt sind, ist der Allgemeinzustand ausschlaggebend, um zu klären, ob eine Behandlung noch möglich ist.“

Was ist das Besondere am Infinity™ DBS-System von Abbott und wie arbeitet es?

„Mit dem Infinity DBS-System können wir Parkinson-Patienten viel gezielter gegen Bewegungsstörungen behandeln, als es noch vor 2-3 Jahren möglich war. Bisher konnten die elektrischen Impulse nur in einem kreisrunden Feld abgegeben werden, was neben den positiven Effekten immer wieder Nebenwirkungen wie zum Beispiel ein Benommenheitsgefühl, Sprechstörungen sowie Störungen der Augenbeweglichkeit hervorrufen kann. 

Das Infinity DBS-System hingegen stimuliert gezielt genauer kleinere Bereiche, was sich letztendlich als wesentlich effektiver für behandelte Patienten erweist. Dafür kommt eine spezielle Elektrode, die segmentierte Elektrode, zum Einsatz. Mit ihr kann der Arzt die Punkte der Stimulation im Gehirn gezielt festlegen. Hinzu kommen der Umgang mit dem Patientensteuergerät, der sehr intuitiv erfolgt, und die diskrete Erscheinung. Wenn der Arzt das für ratsam hält, können Patienten die Impulsstärke regeln. 

Auch lässt sich jederzeit der Stimulationszustand abfragen, ganz einfach und kabellos über einen Apple iPod[1], ohne dass Außenstehende etwas bemerken. Hier bekomme ich immer wieder die Rückmeldung, dass die Bedienung einfach ist und die Ansichten übersichtlich sind. Aus diesem Grund nehmen Patienten dieses DBS-System sehr gut an. Ein weiterer wichtiger Aspekt, der die langfristige Behandlung der Parkinson-Symptome optimal unterstützt, ist in der Zukunft die Möglichkeit des Arztes, den Therapieverlauf mit im Blick zu behalten, weil die Daten über eine sichere Internetverbindung an ihn übermittelt werden können.“
 
Wie sieht die Operation aus?„Durch die präzise Platzierung einer dünnen segmentierten Elektrode stimulieren wir in einer Wach-OP genau die Bereiche im Gehirn, die für die Bewegungssteuerung zuständig sind. So erhalten wir direkt Rückmeldung, ob der stimulierte Bereich gezielt genug gewählt wurde und der Patient eine Linderung der Symptome erfährt. So reduzieren wir Nebenwirkungen oder umgehen diese sogar ganz. Der Neurostimulator selbst wird dann in Vollnarkose im Bereich unter der Haut implantiert.“

Welche Veränderungen können Patienten erwarten und ab wann treten diese ein?

„Im Fall eines starken Zitterns bemerken Patienten die Veränderung in der Regel direkt, schon während der Implantation. Ich erlebe durchaus häufiger, dass Betroffene es zunächst kaum glauben können, manchmal sehr emotional werden und zu weinen anfangen, weil sie so glücklich sind über diesen unverhofft schnell eingetretenen Effekt. Ebenfalls stellen behandelte Patienten direkt eine Veränderung des Schlafes fest. Der Körper liegt in der Nacht entspannter. Patienten freuen sich dann, endlich einmal wieder durchzuschlafen, und berichten, dass sie am nächsten Morgen erholt aufwachen. Anders als bei einer medikamentösen Behandlung kann endlich wieder eine gute Beweglichkeit rund um die Uhr erreicht werden, ohne Angst haben zu müssen, dass plötzlich „nichts mehr geht“. 

Mithilfe der tiefen Hirnstimulation gewinnen Parkinson-Patienten deshalb ein großes Stück an Selbstständigkeit, Bewegungsfreiheit und Lebensqualität wieder zurück. Häufig wird die Haltung aufrechter, die Stimme wieder deutlicher, die Gesichtszüge werden lebhafter und emotionaler und das Schriftbild bessert sich. Allerdings hält die tiefe Hirnstimulation den fortschreitenden Verlauf der Parkinson-Erkrankung nicht auf oder verlangsamt ihn.“

Spüren Patienten die Stimulation?

„Manche Patienten spüren ein sanftes Kribbeln beim Anschalten des Gerätes, doch das wird nicht als unangenehm wahrgenommen. Auch in ästhetischer Hinsicht empfinden behandelte Patienten den Neurostimulator nicht als allzu störend, denn dieser liegt gut kaschiert unter der Haut. Im Hinblick auf den großen Zugewinn an Selbstständigkeit sind diese Faktoren für die Patienten in der Regel auch nebensächlich.“

Muss der Neurostimulator irgendwann ausgetauscht werden?

„Nach rund drei bis vier Jahren muss ein Austausch erfolgen, der sehr unkompliziert ist. Bis zu diesem Zeitpunkt ist das Implantat dank der Möglichkeit von Software-Updates immer auf dem neuesten Stand der Technologie. So können Patienten auch von neuen Entwicklungen in der Zukunft, wie zum Beispiel dem MRT-Modus, Gebrauch machen. Das Update lässt sich dabei ohne operativen Eingriff übertragen und für Patienten nutzen.“

Über Abbott:
Bei Abbott setzen wir uns dafür ein, dass Menschen ihr Leben durch die Kraft der Gesundheit in bestmöglicher Weise führen können. Seit über 125 Jahren bringen wir der Welt neue Produkte und Technologien – in den Bereichen Ernährung, Diagnostik, Medizintechnik und generische Marken-Pharmazeutika – und eröffnen dadurch mehr Menschen in all ihren Lebensphasen mehr Möglichkeiten. Heute arbeiten 99.000 von uns daran, dass die Menschen in den über 150 Ländern, für die wir tätig sind, nicht nur länger, sondern auch besser leben können.
 
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