Kopf-Hals-Krebs: Marker ermöglichen künftig bessere Therapien

Bösartige Tumoren im Kopf- und Halsbereich sind aufgrund ihrer Heterogenität schwierig zu behandeln.

Zudem erschwert der Mangel an prognostischen Markern eine personalisierte Behandlung erheblich. Im Rahmen einer gemeinsamen Studie von MedUni Wien und dem Christian Doppler Labor für Angewandte Metabolomik stand die Entwicklung und
Identifizierung von spezifischen Markern im Fokus, die eine verbesserte Risikoeinschätzung für die Patient:innen ermöglichen soll.

Die Studie wurde im European Journal of Nuclear Medicine and Molecular Imaging publiziert.

Die genetischen Eigenschaften der äußerst diversen Tumoren im Kopf- und Halsbereich sind bisher wenig untersucht. Auch geeignete Parameter zur Risikoeinschätzung innerhalb der Gruppe der Hochrisikopatient:innen fehlten bislang.

Vor diesem Hintergrund ist die aktuelle Studie zu sehen, die ein Forschungsteam um Lukas Kenner vom Klinischen Institut für Pathologie der MedUni Wien und Alexander Haug von der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin der MedUni Wien in Kooperation mit dem Christian Doppler Labor für Metabolomik und dessen Unternehmenspartner Siemens Healtheers durchgeführt hat.

Dabei analysierten die Wissenschafter:innen mittels DNA-Sequenzierung von 127 Gewebeproben erkrankter Patient:innen sowie der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) als bildgebendem Verfahren die zellulären Merkmale der Tumoren mittels Methoden der künstlichen Intelligenz (KI). Ziel der retrospektiven Studie (Erstautor Clemens Spielvogel) war es, durch eine Zusammenführung der Daten von Gen-Analyse und Bildgebung spezifische Zahlen zu berechnen, die als Marker für die Risikoeinschätzung bei Patient:innen eingesetzt werden können.

Aus Genetik und Bildgebung berechnet

Zunächst erfolgte eine Sequenzierung der DNA aus den Gewebeschnitten sowie eine Auswertung der dreidimensionalen PET-Bilder von Patient:innen, wobei spezifische Bildmuster extrahiert wurden. Durch die Zusammenführung des Datenmaterials auf Basis maschinellen Lernens gelang es dem Forschungsteam, in den Tumoren unterschiedlich gestörte genetische Netzwerke zu identifizieren, die eine zelluläre Seneszenz auslösen. Das bedeutet, dass sich Zellen nicht teilen und keine Entzündungsbotenstoffe ausschütten, aber nicht sterben.

Problematisch dabei ist, dass solche Zellen Moleküle in benachbarte Gewebe ausschütten können, die zur Förderung der Tumorentwicklung beitragen.

Das Ergebnis der Studie zeigt, dass die vorgefundene zellulare Seneszenz gemeinsam mit den spezifischen, extrahierten Mustern mit einem hohen Risiko für Kopf-HalsKrebspatient:nnen verbunden ist. Resümierend lässt sich feststellen, dass die rechnerisch identifizierten Marker aus genetischen und Bild-basierten Daten die Heterogenität der Tumoren besser abbilden können. So ist es möglich, rasch gezieltere Therapien zu entwickeln und anzuwenden sowie Hochrisikopatient:innen engmaschiger zu überwachen.

830.000 Neuerkrankungen pro Jahr

Unter dem Begriff Kopf-Hals-Tumoren werden verschiedene Krebsarten zusammengefasst, die in diesem Bereich auftreten. Dazu gehören Karzinome der Mundhöhle, des Rachens, des Kehlkopfes sowie der Nase und Nasennebenhöhlen. Bei den meisten malignen Tumoren handelt es sich um Plattenepithelkarzinome, also Tumoren, die von Oberflächenzellen ausgehen.

Seltener sind Adenokarzinome, die dem drüsenartigen Gewebe entstammen und Sarkome aus Weichteilen.

Weltweit werden Schätzungen der internationalen Datenbank Global Cancer Studies zufolge mehr als 830.000 Personen jährlich mit Kopfhalskrebs diagnostiziert. In Österreich erkrankten 2019 gemäß Statistik Austria 1.184 Männer und 404 Frauen an Krebs im HNO-Bereich. Risikofaktoren sind Rauchen und Alkoholkonsum, jedoch können auch Viren wie Humane Papillomaviren Krebs verursachen.

Publikation:
European Journal of Nuclear Medicine and Molecular Imaging Radiogenomic markers enable risk stratification and inference of mutational pathway states in head and neck cancer

Clemens P. Spielvogel, Stefan Stoiber, Laszlo Papp, Denis Krajnc, Marko Grahovac, Elisabeth Gurnhofer, Karolina Trachtova, Vojtech Bystry, Asha Leisser, Bernhard Jank, Julia Schnoell, Lorenz Kadletz, Gregor Heiduschka, Thomas Beyer, Marcus Hacker, Lukas Kenner & Alexander R. Haug

https://link.springer.com/article/10.1007/s00259-022-05973-9

Medizinische Universität Wien – Kurzprofil
Die Medizinische Universität Wien (kurz: MedUni Wien) ist eine der traditionsreichsten medizinischen Ausbildungs- und Forschungsstätten Europas. Mit rund 8.000 Studierenden ist sie heute die größte medizinische Ausbildungsstätte im deutschsprachigen Raum. Mit 6.000 Mitarbeiter:innen, 30 Universitätskliniken und zwei klinischen Instituten, 13 medizintheoretischen Zentren und zahlreichen hochspezialisierten Laboratorien zählt sie zu den bedeutendsten Spitzenforschungsinstitutionen Europas im biomedizinischen Bereich. Die MedUni Wien besitzt mit dem Josephinum auch ein medizinhistorisches Museum