Experteninterview zum Thema MitralClipping

Dr. med. Björn Plicht - Leitender Oberarzt Medizinische Klinik III Klinikum Westfalen beantwortet die wichtigsten Fragen zu diesem Thema

1. Was sind die typischen Symptome einer Mitralklappeninsuffizienz, bzw. wann sollten Patienten einen Kardiologen aufsuchen?

Das Leitsymptom der Mitralklappeninsuffizienz, einer Undichtigkeit der Herzklappe zwischen dem linken Vorhof und der linken Herzkammer, ist die belastungsabhängige Luftnot. Das bedeutet, dass der Patient eine Einschränkung der Belastbarkeit merkt, zum Beispiel beim Treppensteigen oder beim Radfahren.

Im Verlauf können  Herzrhythmusstörungen wie z.B.  Vorhofflimmern hinzukommen. Das spürt der Patient möglicherweise an einem unregelmäßigen Herzschlag und einer weiteren Verschlechterung der Luftnot.

Die Symptome der schweren Mitralklappeninsuffizienz treten häufig schleichend und im Vollbild erst sehr spät im Krankheitsverlauf auf, wenn es bereits zu einer Schwächung der Herzfunktion gekommen ist. Das kann zu Beinschwellung und schwerster Luftnot durch Flüssigkeitsansammlungen in den Beinen und dem Lungengewebe kommen.

Idealerweise sucht der Patient den Kardiologen frühzeitig auf, wenn er eine ungewohnte Einschränkung der Belastbarkeit bemerkt, bevor es zu dem manchmal dramatischen Bild der schwersten Luftnot kommt.

Dieser wird eine Echokardiographie, also eine Ultraschalluntersuchung des Herzens, durchführen, um nach einer Klappenerkrankung zu schauen. Aber er wird auch noch weiteren Test anordnen, um andere Ursachen für eine belastungsabhängige Luftnot zu entdecken.

2. Was ist die Ursache einer Mitralklappeninsuffizienz und wie häufig kommt diese Erkrankung vor?

Die Mitralklappe ist ein Ventil, um den Blutfluss im Herzen zu lenken. Dieses Ventil besteht aus einer komplizierten Konstruktion aus zwei Segeln, die ähnlich einem Fallschirm mit Fäden an zwei Muskeln im Herzen angebracht sind, damit sie im richtigen Augenblick den Weg zwischen Vorhof und Herzkammer abdichten können. Dazu müssen sich beide Segel berühren.

Generell kommen zwei Hauptursachen für die Mitralklappeninsuffizienz in Betracht: Zum einen kommt ein echter Defekt einer der Bauteile der Mitralklappe in Frage, wie zum Beispiel der Riss einer der Fäden, wodurch Anteile des einen Segels durchschlagen, das andere Segel nicht mehr berühren und damit die Abdichtung verhindert wird.

Zum anderen kann eine fortgeschrittene Herzschwäche anderer Ursache, wie nach Herzinfarkt oder Herzmuskelentzündung, zu einer Vergrößerung des linken Herzens und in der Folge zu einem Auseinanderziehen der Segel führen, wodurch sie sich nicht mehr treffen können und es zu einer Undichtigkeit kommt. Häufig gibt es Mischbilder beider Ursachen.

Die Mitralklappenundichtigkeit ist der zweithäufigste Klappenschaden (nach der Aortenklappenstenose). Man geht davon aus, dass in Deutschland bis zu einer Million Menschen von einer schweren Mitralklappeninsuffizienz betroffen sind, besonders ältere Menschen.

Bei den über 75jährigen leiden mehr als 10% an dieser Erkrankung.

3.  Was ist die beste Prävention?
Einer Undichtigkeit, die auf einem direkten Defekt der Herzklappe beruht, ist schwer vorzubeugen. Wichtig ist es hier, die Erkrankung rechtzeitig zu erkennen, um eine Herzschwäche zu vermeiden.

Um einer Undichtigkeit bedingt durch die Erweiterung der Herzkammer vorzubeugen, muss man alle Krankheiten verhindern, die den Herzmuskel schwächen, insbesondere die Koronare Herzkrankheit, die zum Herzinfarkt führen kann. Das gelingt durch einen gesunden Lebensstil, also gesunde Ernährung, Verzicht auf Rauchen, viel Bewegung und einen gut eingestellten Blutdruck.

4. Wie funktioniert die MitraClip-Therapie?

Ziel der MitraClip-Therapie ist die Reduktion der hochgradigen Mitralklappenundichtigkeit. Dazu wird in einem Herzkathetereingriff eine Klammer (der MitraClip) in die Mitralklappe gesetzt, die die beiden Segel der Klappe wieder zu einander führt, dass sie sich berühren können, woduch die Abdichtung verbessert wird.

Der Clip wird mit Hilfe eines langen Katheters von der Leiste aus durch eine große Vene Richtung Herz geschoben, das Brustbein muss also nicht eröffnet werden. Die Bewegung  des Katheters und des Clips wird mit Röntgendurchleuchtung und Schluckultraschall beobachtet. Das Herz schlägt dabei die ganze Zeit, es wird keine Herzlungenmaschine gebraucht.

Da der Eingriff zwischen 1 und 3 Stunden dauern kann, und während der ganzen Zeit die Schluckechosonde eingeführt sein muss, findet der Eingriff in Vollnarkose statt.

5. Wann ist das MitralClipping sinnvoll?

Die seit vielen Jahren bewährte Option zur Behandlung der Mitralklappeninsuffizienz ist die chirurgische Reparatur oder der chirurgische Klappenersatz mit sehr guten Ergebnissen. Vielen Menschen wird diese Therapie allerdings vorenthalten, da sie zu alt oder krank sind und man befürchtet, dass sie die Brustbeineröffnung und den Einsatz der Herzlungenmaschine nicht gut überstehen.

Für diese Menschen kann der MitraClip Eingriff eine vernünftige Alternative sein, da er wesentlich schonender ist und den Kreislauf nur sehr wenig belastet. Allerdings müssen die anatomischen Begebenheiten stimmen, da nicht jede Veränderung der Mitralklappe mit einem Clip behandelbar ist. Das ist aber im Vorfeld gut durch eine Schluckechokardiographie herauszufinden.

6. Alter, Konstitution, zusätzliche Erkrankungen – welche Voraussetzung sollten oder müssen für das MitraClipping erfüllt werden? Gibt es Umstände, die das MitralClipping ausschließen?

In der Regel schlägt man ältere Patienten für den MitraClip Eingriff vor, bei denen das Risiko für einen offenen chirurgischen Eingriff als zu hoch einschätzt wird, da sie sehr geschwächt sind, eine sehr eingeschränkte Herzfunktion haben, eine schwere Lungenerkrankung haben oder bereits in der Vergangenheit operiert worden sind.

Aber es gibt durchaus auch jüngere Patienten, die man für einen MitraClip vorsieht, zum Beispiel bei schweren, zum Teil bösartigen Begleiterkrankungen, bei denen man eine Herzlungenmaschine vermeiden möchte.

Ob ein Patient eher chirurgisch oder durch einen MitraClip behandelt werden sollte, wird bei jedem Patienten individuell in einem Expertenteam aus Kardiologen und Herzchirurgen diskutiert, bei dem Chancen und Risiken der jeweiligen Behandlungsformen gegeneinander abgewogen werden.

Wenn zu schwere Defekte der Mitralklappe vorliegen, die Herzklappe aufgrund einer Herzklappenentzündung undicht ist oder eine relevante Verengung (Mitralstenose) vorhanden ist, kann die Klappe nicht durch einen MitraClip behandelt werden.

7. Wie sind die Erfolgschancen?

Bei guter Auswahl des Patienten gibt es eine sehr gute Chance, dass die Undichtigkeit auf ein geringes, verträgliches Maß reduziert wird. Eine vollständige Beseitigung der Undichtigkeit wird selten erreicht, ist aber auch nicht erforderlich, um die Beschwerden des Patienten zu mindern.

8. Was ist beim Eingriff zu beachten?

Wichtig ist eine gute Vorbereitung des Patienten auf die Prozedur: Es müssen alle Informationen über die aktuellen Beschwerden und wichtige Vorerkrankungen vorliegen. Relevante Voruntersuchungen, die vorliegen müssen, sind die Ultraschalluntersuchungen des Herzens von der Brustwand und von der Speiseröhre aus, die bestimmten Anforderungen entsprechen müssen. Zudem sollte man etwas über die Durchblutung des Herzens wissen, zum Beispiel durch eine Koronarangiographie.

Während des Eingriffs ist es die Aufgabe des behandelnden Teams, das aus einem interventionellen Kardiologen, also einem Spezialisten für Herzkathetereingriff, und einem Echokardiographeur, also einem Spezialisten für Herzultraschall, den Clip an die richtige Stelle der Herzklappe zu manövrieren. Dabei dürfen die Herzwand oder Strukturen der Herzklappe nicht verletzt werden.

Ist der Clip an der richtigen Position, muss überprüft werden, ob eine Verminderung der Undichtigkeit gelungen ist. Wenn nicht, kann der Clip neu positioniert werden.

Manchmal ist auch die Implantation von 2 oder 3 Clips erforderlich, um ein gutes Ergebnis zu erzielen. Erst, wenn das Ergebnis zufriedenstellend ist und der Clip sicher an den Segeln befestigt ist, wird der Clip endgültig abgelöst und verbleibt nun an der Klappe.

Nach der Untersuchung wird der Patient noch für eine gewisse Zeit an Monitoren überwacht. Vor Entlassung wird das Endergebnis noch einmal überprüft.

9. Wie sieht es mit der Nachhaltigkeit aus? Muss der Eingriff nach einer bestimmten Zeit wiederholt und der Clip erneuert werden?

Die aktuellen Studien zeigen eine gute langfristige Haltbarkeit, wenn das initiale Ergebnis gut war. Dennoch gibt es manche Fälle, in denen es im Verlauf wieder zu einer Verschlechterung der Undichtigkeit kommt, zum Beispiel, wenn die Herzschwäche weiter zugenommen hat. Dann ist durchaus die Implantation weiterer Clips möglich und in einer Vielzahl der Fälle erfolgsversprechend.

Wer gern mehr erfahren möchte, findet weitere Informationen direkt unter www.abbott.de/content/unternehmen/geschaeftsfelder/vascular/mitraclip/index_de.html