Wer pflanzliche Erkältungsmittel einnimmt, braucht weniger Antibiotika

... das zeigt eine aktuelle Studie

Nasskaltes Schmuddelwetter, schniefende Kollegen und trockene Heizungsluft – unter diesen Bedingungen lässt die nächste Erkältung nicht lange auf sich warten.

Obwohl fast immer durch Viren verursacht, werden bei Erkältungskrankheiten nach wie vor zu oft Antibiotika eingesetzt. Diese wirken aber nur gegen Bakterien, nicht gegen Viren.

Eine aktuelle Studie hat jetzt gezeigt: Bei Atemwegsinfekten ist die ärztliche Empfehlung bzw. Verordnung eines pflanzlichen Erkältungspräparates kurz nach Diagnose mit einem 3-mal selteneren Einsatz von Antibiotika im weiteren Krankheitsverlauf verknüpft[1].

Wer also pflanzliche Erkältungsmittel einnimmt, braucht weniger Antibiotika.

So können zum Beispiel die Senföle aus Kapuzinerkresse und Meerrettich aufgrund ihrer Wirkung gegen Viren[2-4] und Bakterien[5-11] sowie ihrer entzündungshemmenden Eigenschaften[12-20] bei akuten Atemwegsinfektionen eingesetzt werden[21].

Durch die 3-fach-Wirkung wird nicht nur eine Besserung der Beschwerden, sondern auch eine Bekämpfung der Erreger ermöglicht und eventuellen bakteriellen Superinfektionen entgegengewirkt.  

Zu Analysezwecken[1] wurden 2018 aus der IMS® Disease Analyzer Datenbank (einer Datenbank des Marktforschungsunternehmens IMS Health, die anonymisierte Therapie- und Behandlungsverläufe zeigt) Patienten mit einer Infektion der oberen Atemwege aus 1.067 hausärztlichen und 194 kinderärztlichen Praxen ausgewählt.

Für die Analyse standen insgesamt 206.278 Patienten mit einer Verordnung eines pflanzlichen Arzneimittels in den ersten drei Tagen der Erkrankung und 206.278 ohne Verordnung zur Verfügung.

Mittels eines statistischen Analyseverfahrens wurde der Einfluss der Verordnung von pflanzlichen Mitteln auf das Risiko der Antibiotika-Verordnung untersucht.

In hausärztlichen Praxen war die Verordnung eines pflanzlichen Präparates mit einem 3-mal geringeren Einsatz von Antibiotika verbunden, in Kinderarzt-Praxen mit einem ca. 2-mal geringeren Einsatz. Die Autoren schlussfolgern aus ihren Ergebnissen, dass dieser Zusammenhang ein Hinweis auf eine Wirkung der pflanzlichen Präparate gegen Viren und Bakterien sein könne.  
 
Atemwegsinfekte: Senföle zeigen gute Wirkung Für einige Pflanzenarzneien wurden diese Wirkungen auch schon durch verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen erforscht.

So gehören zum Beispiel Senföle aus Kapuzinerkresse und Meerrettich heute zu den am besten untersuchten arzneilich wirksamen Pflanzensubstanzen. Ihre Wirkung gegen Viren[2-4] und Bakterien[5-11] sowie ihre entzündungshemmenden Eigenschaften[12-20] wurden durch zahlreiche Studien belegt.

Untersuchungen[2] von Professor Stephan Pleschka, Gießen, zeigen zum Beispiel, dass das Influenzavirus (H1N1) durch die kombinierte Gabe von Senfölen aus Kapuzinerkresse und Meerrettich in seiner Vermehrung in menschlichen Lungenzellkulturen nahezu 100-prozentig gehemmt wird.

Darüber hinaus besitzen sie eine ausgeprägte Wirkung gegen viele Bakterien[5-11]. Dazu gehören auch die häufigsten bakteriellen Erkältungserreger und sogar multiresistente Bakterien, gegen die Antibiotika immer häufiger wirkungslos sind[9].

Weitere Laboruntersuchungen bestätigen zudem die entzündungshemmende Wirkung der Pflanzenstoffe[12-20]. Da bei Erkältungskrankheiten die Beschwerden durch den Entzündungsprozess verursacht werden, kommt dieser Eigenschaft hier eine besondere Bedeutung zu.  
 
Keine Resistenzen zu erwarten  Klinische Studien mit Erwachsenen und Kindern zeigen die Wirkung und Verträglichkeit der Pflanzenarznei bei akuter Bronchitis, akuter Sinusitis und Blasenentzündungen im Vergleich zu verschiedenen Antibiotika[22,23].

Resistenzentwicklungen der Bakterien wie gegen Antibiotika sind aufgrund der vielfältigen Wirkweise dieser Pflanzenstoffe nicht zu erwarten und wurden bisher auch nicht beobachtet[5,7]. Durch die Verwendung von pflanzlichen Arzneimitteln bei einfachen Infektionen bleibt der Wert der Antibiotika für den Einsatz bei lebensbedrohlichen Erkrankungen erhalten.    
 
„Außerdem sind nicht notwendige Antibiotika-Gaben gefährlich“, so Professor André Gessner, Universität Regensburg. „Sie mindern die Immunantwort durch Schädigung der T-Zellen und beeinflussen die Zusammensetzung der Mikroorganismen in der Darmflora“[24].

Diese Mikrobiom-Verschiebung sei an zahlreichen Erkrankungen beteiligt, wie zum Beispiel allergischem Asthma, atopischer Dermatitis, oder Diabetes Typ 2. Je breiter das Antibiotikum wirke, desto stärker sei die Beeinflussung der Darmflora.

Durch den Einsatz von wirksamen Pflanzenarzneien werden die negativen Folgen nicht nötiger AntibiotikaGaben vermieden und auch der bedrohlichen Resistenzentwicklung entgegengewirkt.     


Literatur:

1. Kostev K. et al. Zusammenhang zwischen Verordnungen von pflanzlichen Erkältungspräparaten und Antibiotika. Z Phytother 40 (S01): S28 (2019)  

2. Pleschka S. et al. Testing of the antiviral activity of ANGOCIN® Anti-Infekt-N mixture on influenza virus A/Hamburg/01/09 (H1N1v) replication on MDCK-II-cells and A549-cells via Focus- and HA-Assay; Publikation in Vorbereitung  

3. Sprössig M. et al. Einfluss des Wirkstoffes aus der Kapuzinerkresse auf die intracelluläre Virussynthese. Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten 143: 215-222 (1956)  

4. Winter A. Untersuchungen über den Einfluss von Senfölen auf die Vermehrung des Influenza-Virus im exembryonierten Hühnerei. Arch Microbiol 31: 311-318 (1958)

5. Dufour V. et al. The antibacterial properties of isothiocyanates. Microbiology 161: 229-243 (2015)

6. Aires A. et al. The antimicrobial effects of glucosinolates and their respective enzymatic hydrolysis products on bacteria isolated from the human intestinal tract. J Appl Microbiol 106: 2086-2095 (2009)

7. Borges A. et al. Antibacterial activity and mode of action of selected glucosinolates hydrolysis products against bacterial pathogens. J Food Sci Technol 52 (8): 4737- 48 (2015)

8. Dias C. et al. Antimicrobial activitiy of isothiocyanates from cruciferous plants against methicillin-resistant Staphylococcus aureus (MRSA). Int J Mol Sci 15: 19552-19561 (2014)

9. Conrad A. et al. Broad spectrum antibacterial activity of a mixture of isothiocyanates from nasturtium (Tropaeoli majoris herba) and horseradish (Armoraciae rusticanae radix). Drug Res 63: 65–68 (2013)

10. Conrad A. et al. In-vitro-Untersuchungen zur antibakteriellen Wirksamkeit einer Kombination aus Kapuzinerkressekraut (Tropaeoli majoris Herba) und Meerrettichwurzel (Armoraciae rusticanae radix). Drug Res 56: 842-849 (2006)

11. Kurepina N. et al. Growth-inhibitory activity of natural and synthetic isothiocyanates against representative human microbial pathogens, J Appl Microbiol 115: 943-954 (2013)

12. Herz C. et al. Evaluation of an aqueous extract from horseradish root (Armoracia rusticana radix) gainst lipopolysaccharide-induced cellular inflammation reaction. Evid Based Complement Alternat Med, Volume 2017, Article ID 1950692 (2017)

13. Marzocco A. et al. Anti-inflammatory activity of horseradisch (Armoracia rusticana) root extracts in LPS-stimulated macrophages. Food Func 6: 3778-88 (2015)

14. Dey M. et al. In-vitro and in-vivo anti-Inflammatory activity of a seed preparation containing phenethylisothiocyanate. J Pharmacol Exp The 317: 326-333 (2006)

15. Tsai J. et al. Suppression of inflammatory mediators by cruciferous vegetable-derives indole-3-carbinole and phenylethylisothiocyanate in lipopolysaccharide-activated macrophages. Mediators Inflamm, Article ID 293642 (2010)

16. Boyanapalli S.S. et al. Nrf2 knockout attenuates the anti-Inflammatory effects of phenethylIsothiocyanate and curcumin. Chem Res Toxicol 27: 2036–2043 (2014)

17. Cheung K.L. et al. Synergistic effect of combination of phenethylisothiocyanate and sulforaphane or curcumin and sulforaphane in the inhibition of inflammation. Pharm Res 26: 224–231(2009)

18. Tran H. et al. Nasturtium (Indian cress, Tropaeolum majus nanum) dually blocks the COX an LOX pathway in primary human immune cells. Phytomedicine 23: 611-620 (2016)

19. Marton M.R. et al. Determination of bioactive, free isothiocyanates from a glucosinolatecontaining phytotherapeutic agent: A pilot study with in vitro models and human intervention. Fitoterapia 85: 25-34 (2013)

20. Lee M.L. et al. Benzyl isothiocyanate exhibits anti-inflammatory effects in murine macrophages and in mouse skin. J Mol Med 87: 1251-1261 (2009)

21. Konsensuspapier zum interdisziplinären Round-Table: Die effektive Behandlung von Atemwegsinfektionen – Status quo und alternative Therapieansätze mit Isothiocyanaten (2014)

22. Goos K.-H. et al. Wirksamkeit und Verträglichkeit eines pflanzlichen Arzneimittels mit Kapuzinerkressenkraut und Meerrettich bei akuter Sinusitis, akuter Bronchitis und akuter Blasenentzündung im Vergleich zu anderen Therapien unter den Bedingungen der täglichen Praxis. Drug Res 56: 249-257 (2006)

23. Goos K.-H. et al. Aktuelle Untersuchungen und Verträglichkeit eines pflanzlichen Arzneimittels mit Kapuzinerkressenkraut und Meerrettich bei akuter Sinusitis, akuter Bronchitis und akuter Blasenentzündung bei Kindern im Vergleich zu anderen Antibiotika. Drug Res 57: 238-246 (2007)

24. Hubert M.: Schub für die rationale Antibiotika-Therapie in der Praxis. https://www.springermedizin.de/springermedizin-de/schub-fuer-die-rationale-antibiotika-therapie-in-der-praxis/ (abgerufen am 18. Dezember 2019)