Neuer Wirkstoff gegen Depression

Keine Frage, Ketamin und Esketamin stellen einen Meilenstein in der Behandlung der Depression und Suizidalität dar.

Aber wie sieht der langfristige Effekt des Esketamin-Nasensprays bei behandlungsresistenter Depression aus?

Mit fast 300 Patienten zeigten Experten nun, dass die Fortführung der Behandlung mit Esketamin ein wirksames Mittel zur Prävention von Rückfällen bei behandlungsresistenter Depression sein kann.

Für Betroffene einer behandlungsresistenten Depression und solche mit suizidalen Episoden kann man die Bedeutung der Neuentwicklungen mit dem Anaesthetikum Ketamin kaum überschätzen. Kurzfristig und mittelfristig hilft Ketamin und sein Nachfolger Esketamin in Form eines Nasensprays, akut Suizidalität und Depression effektiv zu behandeln.

Damit ist ein neuer Meilenstein in der Behandlung der Depression gesetzt. Aber wie sieht der langfristige Effekt des Nasensprays bei behandlungsresistenter Depression aus?

Akuttherapie mit Zukunft bei aggressiver Depression: Ketamin

Um dies zu ermitteln, wurden erwachsene Betroffene in verschiedenen Behandlungszentren zwischen Ende 2015 und Anfang 2018 behandelt. In dieser klinischen Studie der Phase III wurde nach einer Behandlung mit Esketamin mit stabilem Effekt eine Testphase angeschlossen, in der Patienten zufällig entweder weiterhin das Mittel einnahmen (typischerweise ein- oder zweimal pro Woche), oder aber stattdessen ein Placebo erhielten.

Vergleich von längerfristigen Behandlungseffekten mit und ohne Esketamin Nasenspray bei behandlungsresistenter Depression

705 Erwachsene mit bestätigter behandlungsresistenter Depression nahmen an der Untersuchung teil. 455 davon nahmen an einer Optimierungsphase teil, in der sie Esketamin Nasenspray (56 oder 84 mg) ergänzend zu einem oral aufgenommenen Antidepressivum einsetzten.

Nach 16 Wochen der Behandlung mit Esketamin wurden schließlich 297 Patienten ermittelt, die eine stabile Phase der Symptomfreiheit (Remission) oder stabile Besserung der Symptome erreicht hatten. Diese Patienten nahmen dann an der zufallsverteilten Entzugsphase der Studie teil.

In der Entzugsphase wurden die Patienten zufällig entweder weiterhin dem Esketamin Nasenspray oder aber einem Placebo-Nasenspray zugeordnet. Beide Gruppen erhielten weiterhin auch das orale Antidepressivum. Die wesentliche Frage war nun, ob und wann die Patienten einen Rückfall oder eine Verschlechterung der Symptome erlitten – und ob dies abhängig vom Entzug der Esketamin-Behandlung stattfand.

Die 297 Erwachsenen waren im Mittel 46,3 Jahre alt. 197 der Patienten (66,3 %) waren Frauen. 176 dieser Patienten hatten zu diesem Zeitpunkt, also nach einer 16-wöchigen Behandlung mit Antidepressivum und Esketamin eine stabile, symptomfreie Phase (Remission) erreicht. Bei diesen Patienten in Remission erlitten 24 (26,7 %) der Patienten in der Esketamingruppe und 39 (45,3 %) der Patienten in der Placebogruppe einen Rückfall im Studienzeitraum – also messbar weniger in der Gruppe, die weiterhin Esketamin einnahm.

Bei den übrigen 121 Patienten waren die depressiven Symptome nach der 16-wöchigen Behandlung mit Antidepressivum und Esketamin deutlich und stabil verbessert. Bei diesen Betroffenen erlitten 16 (25,8 %) in der Esketamin- und 34 (57,6 %) in der Placebogruppe einen Rückfall. Auch hier waren also deutlich weniger Patienten mit fortgeführter Esketamin-Therapie von einem Rückfall betroffen, als Patienten in der Entzugsgruppe.

Messbar weniger Rückfälle bei Patienten mit Esketaminspray im Vergleich zum Placebo

Rein rechnerisch (bestimmt mit der sogenannten hazard ratio) senkte demnach Esketamin gemeinsam mit dem Antidepressivum das Risiko für einen Rückfall um 51 % bei den Patienten in stabiler Remission. Bei Patienten mit stabiler Verbesserung der Symptome senkte Esketamin das Risiko sogar um 70 % im Vergleich zur Behandlung mit Antidepressivum und Placebo allein.

Aber wie lange hielt sich der antidepressive Effekt von Esketamin im Vergleich zum Placebo?

Die Studie wurde durchgeführt, bis eine ausreichende Zahl von Rückfällen erfolgt war, um die Daten verlässlich analysieren zu können. Entsprechend gaben die Studienautoren zum einen eine Abschätzung der durchschnittlichen Zeit in dieser Behandlungsphase an: Patienten der Esketamingruppe nutzten das Spray im Schnitt im Rahmen dieser randomisierten Phase der Studie für 17,7 (Remission) oder 19,4 (stabile Symptombesserung) Wochen, also mehr als 4 Monate. Patienten der Placebogruppe brachen diese Phase dagegen im Mittel nach 10 Wochen ab.

Die typischsten unerwünschten Effekte von Esketamin waren vorübergehende Geschmacksveränderungen, Schwindel, eine sogenannte Dissoziation, die sich z. B. als veränderte Körperwahrnehmung äußern kann, Schläfrigkeit und Benommenheit. Jedes dieser Symptome wurde dagegen deutlich seltener bei den Patienten berichtet, die zusätzlich zu dem Antidepressivum das Placebo erhielten.

Fazit: Esketamin, ergänzend zum Antidepressivum, hat auch längerfristig deutlichen Mehrwert zur Stabilisierung einer depressiven Erkrankung

Die Fortführung der Behandlung mit Esketamin zeigte sich demnach als ein wirksames Mittel zur Prävention von Rückfällen bei behandlungsresistenter Depression. Die Patienten, die weiterhin das Nasenspray mit Wirkstoff zusätzlich zum Antidepressivum nutzten, erlitten messbar seltener einen Rückfall als die Patienten, die das Placebo erhielten.

Eine fortgeführte Behandlung mit Esketamin Nasenspray plus Antidepressivum kann demnach antidepressive Effekte bei Patienten mit behandlungsresistenter Depression effektiver aufrechterhalten als ein oral eingenommenes Antidepressivum allein.

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Original Titel:
Efficacy of Esketamine Nasal Spray Plus Oral Antidepressant Treatment for Relapse Prevention in Patients With Treatment-Resistant Depression

Referenzen:
Daly EJ, Trivedi MH, Janik A, et al. Efficacy of Esketamine Nasal Spray Plus Oral Antidepressant Treatment for Relapse Prevention in Patients With Treatment-Resistant Depression. JAMA Psychiatry. June 2019. doi:10.1001/jamapsychiatry.2019.1189