BDN-Expertin rät von Nahrungsergänzungsmitteln bei Schilddrüsenproblemen ab

Boomendes Geschäft mit Mariendistel & Co

Betroffene von Schilddrüsenunterfunktionen erkundigen sich immer häufiger nach Nahrungsergänzungsmitteln, die sie zusätzlich zu den Schilddrüsenhormonen einnehmen wollen. Das berichtet eine Expertin des Berufsverbandes Deutscher Nuklearmediziner e.V. (BDN). 

Diese Nahrungsergänzungsmittel hätten jedoch keinen Effekt auf die Grunderkrankung und stellten eine unnötige Geldausgabe dar. 

Wichtiger sei es, sich zu fragen, ob die Beschwerden von den Wechseljahren, der vegetarischen Lebensweise oder psychisch belastenden Lebenssituationen herrühren könnten.

Patientinnen und Patienten, die an einer Schilddrüsenunterfunktion leiden, scheinen derzeit zunehmend auf Nahrungsergänzungsmittel zu setzen. 

„Ich werde seit einiger Zeit in meiner Sprechstunde immer häufiger von Betroffenen darauf angesprochen, ob die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln sinnvoll ist“, berichtet BDN-Expertin Dr. med. Gesche Wieser, Fachärztin für Nuklearmedizin. „Diese Patientinnen und Patienten wollen dann häufig auch wissen, ob sie an einer Umwandlungsstörung leiden“, ergänzt die Schilddrüsenspezialistin aus Südbaden.

 Müdigkeit und Gewichtsprobleme trotz Schilddrüsenmedikamente?

Hintergrund dieses neuen Trends sind offenbar Webseiten, die suggerieren, die Betroffenen litten unter einer sogenannten Konversionsstörung. Eine solche Störung liegt vor, wenn das Schilddrüsenhormon T4 (Thyroxin) nicht ausreichend in seine aktive Form T3 (Trijodthyronin) umgewandelt wird – dieser Prozess geschieht vor allem in Leber und Nieren.

„Die Umwandlungsstörung kann zu Symptomen einer Schilddrüsenunterfunktion führen, obwohl die Patientinnen und Patienten medikamentös gut eingestellt sind und in Bluttests normale TSH- und normale bis erhöhte T4-Werte zeigen“, erläutert Wieser. 

Das aktive Hormon T3 ist in solchen Fällen vermindert.

Unseriöses Geschäft mit der Konversionsstörung

So heißt es dazu auf einschlägigen Portalen: „Was machst du, wenn dein Therapeut dir sagt, dass du gut eingestellt bist und du trotzdem weiterhin alle möglichen Symptome hast?“ 

Die Betreiber empfehlen, zu den Schilddrüsenmedikamenten zusätzlich Nahrungsergänzungsmittel etwa gegen Müdigkeit, Haarausfall oder Gewichtsprobleme einzunehmen. 

Das Problem dabei: Umwandlungsstörungen sind extrem selten und daher sehr unwahrscheinlich. 

„Genaue Zahlen liegen nicht vor, aber genetisch bedingte Umwandlungsstörungen begegnen uns in der Praxis fast nie“, berichtet Wieser. 

Ist die Umwandlung durch einen stressbedingt erhöhten Kortisolspiegel, schwere Krankheit oder Medikamente wie etwa Betablocker gestört, kann die Ursache meist behoben werden.

Im Zweifel klärt eine Laborbestimmung, ob tatsächlich eine Umwandlungsstörung vorliegt.

Wirkstoff-Cocktails für 600 Euro im Jahr

In diesem Zusammenhang betont die BDN-Expertin, dass pflanzliche Arzneimittel wie Mariendistel, die die Leber stimulieren sollen, bei einer genetisch bedingten Konversionsstörung nichts bewirken können. 

„Wir empfinden solche Empfehlungen als hochgradig unseriös“, kritisiert Wieser. „Man gaukelt den Menschen vor, es gäbe eine ‚natürliche‘ Therapie. Aber die gibt es nur, indem man die Schilddrüsenhormone ausgleicht, gegebenenfalls mit einem höheren Anteil des aktivierten T3.“ 

Negativ falle zudem auf, dass auf den Homepages der Nutzen dieser Nahrungsergänzungsmittel auf keine Weise belegt ist.

„Manche Schilddrüsenpatientinnen und -patienten nehmen einen gefährlichen Cocktail an Nahrungsergänzungsmitteln ein, deren Kosten sich schnell auf 600 Euro und mehr im Jahr addieren“, berichtet die Fachärztin aus ihrer Praxis.

Suche nach den wahren Auslösern

Selbstverständlich gebe es auch Patientinnen und Patienten mit Schilddrüsenunterfunktion, denen es trotz Hormontherapie nicht richtig gut gehe, betont die BDN-Expertin. 

„Wenn sich Beschwerden wie Müdigkeit trotz der Schilddrüsenmedikamente einstellen, liegt das fast immer an anderen Ursachen“, so Wieser. 

Zu solchen Auslösern zählen häufig andere Hormondefizite, Eisen- und Vitamin-B12-Mangel bedingt durch die Wechseljahre oder vegetarische oder vegane Ernährung.

„Das lässt sich mit Tests leicht herausfinden“, merkt die Schilddrüsenspezialistin an.

 Auch an die Psyche denken

Es kann sich aber auch um psychosomatische Beschwerden handeln, die etwa aus starker Gewichtszunahme in der Menopause oder aus belastenden Lebenssituationen resultieren. 

„Wir hören dann beispielsweise von einer Patientin, die uns trotz gut eingestellter Schilddrüsenwerte wegen Herzrasen und Schluckbeschwerden aufsucht, dass ihre Mutter im Sterben liegt“, schildert Wieser. „Die Patientin ist so sehr belastet, dass sich das in körperlichen Symptomen zeigen kann.“ 

Die BDN-Expertin rät daher allen, die trotz Einnahme von Schilddrüsenhormonen weiter unter Beschwerden oder Unwohlsein leiden: „Man sollte die Einstellung überprüfen lassen, sich aber auch ganz offen fragen, ob noch andere Ursachen dahinterstecken könnten.“ Das sei zielführender, so Wieser, als viel Geld für fragwürdige Nahrungsergänzungsmittel auszugeben.

Hier finden Sie den BDN online:

https://www.berufsverband-nuklearmedizin.de/ueber-uns/ 
https://www.facebook.com/ZukunftNuklearmedizin/ 
www.linkedin.com/company/bdn-berufsverband-deutscher-nuklearmediziner-innen/