Plasmaproteine als Früh-Biomarker der ALS
Mit Proteom-Analysen wurden 33 Proteine identifiziert, die im Plasma von Menschen mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS) deutlich häufiger zu finden sind als bei Gesunden.
Mit einem Machine Learning-Modell konnte die Erkrankung hochakkurat über Veränderungen des Plasmaproteoms bereits Jahre vor der Krankheitsmanifestation nachgewiesen werden.
Ein vornehmlich US-basiertes Forschungsteam hat über Proteomics molekulare Prozesse in der Prodromalphase der ALS identifiziert [1]. Der Nachweis einer Kombination von Plasmaproteinen könnte künftig erlauben, bei noch asymptomatischen Personen abzuschätzen, wann sich eine ALS höchstwahrscheinlich manifestieren wird.
ALS ist eine zu Muskelschwäche, Muskelatrophie und Atemversagen führende progressive degenerative Motorneuron-Erkrankung, die typischerweise binnen 2 bis 4 Jahren nach Symptombeginn zum Tode führt.
Angesichts der mitunter schwierigen Abgrenzbarkeit von anderen neurologischen Erkrankungen wird nach verlässlichen Biomarkern gesucht. Eine verzögerte Diagnose erschwert derzeit die Teilnahme an Therapiestudien.
Stehen perspektivisch wirksamere Medikamente zur Verfügung als bisher, wird eine frühe Diagnosestellung umso wichtiger.
Die Forschenden ermittelten aus über 3.000 Eiweißen des Plasmaproteoms von 183 Personen mit gesicherter ALS und 309 gesunden Kontrollpersonen zunächst ein Panel aus 33 mit der ALS assoziierten Proteinen. Dies validierten sie anschließend an einer Kohorte von 48 ALS-Patientinnen und -Patienten und 75 Kontrollpersonen und überprüften es bei 355 Personen mit Neuropathien oder Myopathien. Anschließend trainierten sie ein Machine-Learning (ML)-Modell mit den Daten der molekularen Signatur.
Den vom Computer generierten Score, der 17 Proteine, Geschlecht und Alter bei Probenentnahme berücksichtigte, wandten sie bei 23.614 Individuen aus der UK-Biobank-Kohorte an.
Es zeigte sich, dass der Score mit hoher Genauigkeit an ALS erkrankte und gesunde Menschen unterscheiden konnte, die „area under the curve“ (AUC) für die ALS-Diagnose betrug 98,3 %, und auch eine Abgrenzung von anderen neurologischen Erkrankungen ermöglichte.
Hinweise darauf, dass genetische Faktoren einen unmittelbaren Einfluss auf die Proteinveränderungen hatten, gab es nicht.
Der vom ML-Modell generierte Risikoscore eignet sich offenbar auch als Surrogatparameter, um bei noch asymptomatischen Personen vorherzusagen, in welchem Alter sich die Erkrankung wahrscheinlich manifestieren wird.
Tatsächlich stellten die Forschenden fest, dass die Krankheitsprozesse wesentlich eher beginnen als bisher gedacht.
So ist zwar bekannt, dass Neurofilament-Leichtketten (NFL), ein bekannter, aber nicht ALS-spezifischer Biomarker, bereits 12 Monate vor Krankheitsmanifestation ansteigen.
Der ALS-Risiko-Score des Modells wies aber schon bis zu zehn Jahre vor Auftreten von Symptomen erste Veränderungen auf.
Quelle:
Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) - Mitteilung vom 15. September 2025
[1] Chia R, Moaddel R, Kwan JY et al. A plasma proteomics-based candidate biomarker panel predictive of amyotrophic lateral sclerosis. Nat Med. 2025 Aug 19.
https://www.nature.com/articles/s41591-025-03890-6