Wenn nichts mehr geht beim Dialyse-Shunt

Versagen die Nieren, steht die Dialyse als Langzeittherapie zur Verfügung.

Allerdings nur, solange mittels eines sogenannten Shunts ein ungehinderter Zugang zum Blutsystem möglich ist. Am Universitätsklinikum Regensburg (UKR) wurde nun erstmalig ein Verfahren durchgeführt, um auch bei komplettem Verschluss der herznahen Venen einen Zugang zum Herzen offenzuhalten und damit in einer ansonsten fast alternativlosen Situation wieder einen funktionstüchtigen Dialyse-Shunt anlegen zu können.

Was aussieht wie eine überdimensionale Stricknadel, war für Brigitte Geiger so ziemlich die letzte Option.

Die Rede ist vom sogenannten Surfacer®. Ein System, das den Zugang zu verschlossenen Gefäßen ermöglicht.

Vor neun Jahren hatte Brigitte Geiger einen Infekt, der sich auf die Nieren niedergeschlagen hat. In der Folge versagen ihre Nieren, sie wird dialysepflichtig.

Seitdem erhält die heute 66-Jährige drei Mal pro Woche für jeweils mindestens vier Stunden eine Blutwäsche.

Die Dialyse bringt aber, auch wenn sie lebensrettend ist, ein gewisses Risiko mit sich. Denn die Prozedur ist nicht nur sehr strapaziös, sie hinterlässt auch körperliche Spuren.

Für die Dialyse ist ein ständiger Zugang zu den Blutgefäßen nötig, man spricht dabei von einem Shunt. Dieser kann sich mit der Zeit verschließen oder andere Komplikationen verursachen, die ihn unbrauchbar werden lassen. Was dann? Die Anlage alternativer Shunts im Arm- und Beinbereich ist nicht unbegrenzt möglich.

Wenn noch Gefäßverschlüsse der zentralen Venen hinzukommen, wird es zum Teil sogar unmöglich, einen neuen Shunt anzulegen. „Genau dieses Bild hat sich bei Frau Geiger gezeigt. Aufgrund mehrerer Gefäßverschlüsse, insbesondere in den zentralen Venen, war ihr Shunt nicht mehr punktierbar und eine Neuanlage am Arm nicht möglich. Deswegen haben wir uns dazu entschieden, erstmalig den Surfacer® einzusetzen“, so Professor Dr. Karin Pfister, Leiterin der Abteilung für Gefäßchirurgie des UKR.

Das ca. 50 cm lange System wird über die Leiste in den Körper eingebracht.

Dessen Lage wird dabei ständig durch Röntgentechnik überprüft. „Das Einbringen des Surfacer® ist sehr herausfordernd, da verschlossene Gefäße aufgrund des fehlenden Blutflusses in der Bildgebung nicht sichtbar werden. Man sticht hier sozusagen blind. Der Eingriff erfordert daher ein hohes Maß an Erfahrung sowie ein professionelles Team aus Gefäßchirurgen, Herzchirurgen und Anästhesisten“, erläutert Professor Pfister.

Der Surfacer® eröffnet durch die Leistenvene den Weg zum Vorhof des Herzens.

Um, wie bei Frau Geiger, bei verschlossenen, zentralen Venen einen Zugang zum Herzen zu schaffen und dauerhaft offenhalten, tritt der Surfacer® am Hals, direkt neben der Halsschlagader, aus der Haut.

Durch diese neu geschaffene Öffnung ist es möglich, eine Gefäßprothese, in diesem Fall den sogenannten HeRO®-Graft (Hemodialysis Reliable Outflow), einzubringen.

„Die Prothese überbrückt als künstliches Blutgefäß die verschlossenen Gefäße und ermöglicht eine Verbindung zwischen dem arteriovenösen Shunt am Arm und dem rechten Vorhof des Herzens. Durch dieses neu geschaffene Verbindungsstück, das den Shunt-Abfluss offenhält, war es möglich, einen neuen Shunt am Oberarm zu legen“, erklärt PD Dr. Thomas Betz, Leitender Oberarzt der Abteilung für Gefäßchirurgie des UKR.

Ein Ausweg in einer alternativlosen Situation

Die einzige Alternative, die Brigitte Geiger ansonsten gehabt hätte, wäre eine Shunt-Anlage im Oberschenkel gewesen.

„Dies ist aber für die Patienten meist sehr unangenehm, und aufgrund der speziellen Lage ist die Stelle auch besonders anfällig für Infektionen. Entsprechend ist ein Dialyse-Shunt am Oberschenkel meist keine Langzeitlösung“, beschreibt PD Dr. Wilma Schierling, Oberärztin der Abteilung für Gefäßchirurgie des UKR und Shunt-Verantwortliche, die Möglichkeiten.

Für einen Dialyse-Shunt wird eine Verbindung zwischen einer Arterie und einer Vene geschaffen.

Die Vene dehnt sich durch den Druck der Schlagader auf, so dass sich ihre Wand verdickt und für den Zugang zur Blutwäsche leicht gestochen werden kann.

Die dauerhafte Punktion sowie die für den menschlichen Körper ungewöhnliche Verbindung zwischen dem arteriellen und venösen System birgt aber auf Dauer das Risiko für Infektionen, Thrombosen, Engstellen oder auch Erweiterungen des Gefäßsystems.

Folgen sind neben einer Verschlechterung der Dialysequalität, eine Minderdurchblutung, eine Belastung des Herzens, Blutungen, Entzündungen und schließlich der komplette Verschluss des Dialyse-Shunts.

Was bei Brigitte Geiger eingetreten ist, ist eine gefürchtete Komplikation der Langzeitdialyse: die Verengung bzw. der Verschluss der zentralen Venen. Dadurch wird der Blutfluss massiv behindert oder auch ganz gestoppt, wodurch reguläre Shunt-Techniken nicht oder nur noch stark erschwert genutzt werden können.

Kann keine Dialyse mehr durchgeführt werden, bleibt als letzte Therapieoption die Nierentransplantation.

Im Fall von Frau Geiger ist dies aber aufgrund ihrer Krankheitssituation nicht möglich.

„Nun steht uns mit dem Surfacer® eine neue Option zur Verfügung, durch die wir einen Ausweg in einer ansonsten fast alternativlosen Situation bieten können“, resümiert Professor Pfister. Brigitte Geiger ergänzt: „Ich bin sehr froh und dankbar, dass mir diese Behandlungsmethode zur Verfügung stand. Mit geht es gut, und ich fühle mich in besten Händen.“

Langzeitdialyse stellt eine wichtige Therapieoption dar

Derzeit werden in Deutschland etwa 100.000 Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz mit einem Dialyseverfahren behandelt. Knappe 7.000 Patienten sind auf der Warteliste von Eurotransplant für eine Nierentransplantation registriert, aber nur etwa 2.000 Transplantationen werden aufgrund postmortaler oder Lebendspenden pro Jahr durchgeführt.

„Diese Zahlen machen die Bedeutung der Langzeitdialyse deutlich“, betont Professor Dr. Bernhard Banas, Leiter der Abteilung für Nephrologie des UKR. „Um diese in dauerhaft guter Qualität anbieten zu können, braucht es die enge Zusammenarbeit interdisziplinärer Spezialisten.“ Am Universitätsklinikum Regensburg arbeiten hierfür die Abteilung für Nephrologie, die Abteilung für Gefäßchirurgie und das Institut für Röntgendiagnostik eng zusammen.

Treten Probleme beim Dialyse-Shunt auf, werden diese in regelmäßigen Shunt-Konferenzen im Sinne der besten Optionen für den einzelnen Patienten besprochen.

Quelle:
Mitteilung des Universitätsklinikums Regensburg (UKR) vom 9. November 2022