Tabakentwöhnung: Neue Empfehlungen zum Umgang mit E-Zigaretten

... medizinische Fachgesellschaften fordern bessere Unterstützung für den Rauchstopp

Zu großes Rückfall- und Gesundheitsrisiko: Elektronische Zigaretten eignen sich nicht zur Tabakentwöhnung. Zu diesem Ergebnis kommt das heute veröffentliche Empfehlungspapier der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), dem sich 14 weitere medizinische Fachgesellschaften und Organisationen angeschlossen haben.

„Wer entzündungsfördernde, toxische Substanzen sowie Aromen durch die E-Zigarette inhaliert, riskiert einen fortlaufenden Schaden an den Bronchien und am Lungengewebe“, sagt Professor Wolfram Windisch, stellvertretender Präsident der DGP.

Wer den Rauchstopp allein nicht schafft, sollte wissenschaftlich geprüfte Behandlungen in Anspruch nehmen. Dazu gehören die Beratung und Begleitung durch medizinisches Personal und eine Therapie mit Nikotinersatzpräparaten oder suchthemmenden Medikamenten.

„Vor allem ausstiegswillige Raucherinnen und Raucher mit dauerhaft verengten Atemwegen durch die chronische Lungenerkrankung COPD, mit Asthma oder anderen Lungenerkrankungen sollten nicht auf E-Zigaretten umsteigen.“ Die Mediziner fordern von der Gesundheitspolitik mehr Geld für funktionierende Programme zur Tabakentwöhnung.

Die Publikation der DGP richtet sich an Raucherinnen und Raucher sowie medizinisches Personal gleichermaßen.

„Es ist essentiell, dass wir in unserer Gesundheitsversorgung ein Beratungsangebot für die Rauchentwöhnung verankern, das allen leicht zugänglich ist“, sagt Professor Stefan Andreas, Leiter der DGP-Taskforce Tabakentwöhnung, von der die Empfehlungen grundlegend ausgearbeitet worden sind.

Individuelle Telefonberatungen seien z. B. ein erster Schritt der Unterstützung.

„Noch ist das flächendeckende Beratungsangebot zur Rauchentwöhnung in Deutschland unterentwickelt, unterorganisiert und unterfinanziert. Deswegen unser dringender Appell an die Gesundheitspolitik: Wir brauchen ein dauerhaft finanziertes Therapieangebot für Menschen, die ernsthaft mit dem Rauchen aufhören wollen“, so Professor Andreas, Chefarzt der Lungenfachklinik Immenhausen, pneumologische Lehrklinik der Universitätsmedizin Göttingen.

Wer dann noch nicht von seiner Rauchabhängigkeit loskomme, solle zusätzlich eine weitergehende evidenzbasierte Unterstützung durch Tabak-Entwöhnungsprogramme mit medikamentöser Unterstützung angeboten bekommen.
 
Tabakentwöhnung: Mehrheit der E-Zigaretten-Nutzer raucht weiter – auch Tabakprodukte
 
Die Mediziner raten vom Gebrauch der E-Zigaretten ab, weil diese gesundheitsschädlich sind und von einer Mehrheit ausstiegswilliger Raucher dauerhaft weiter genutzt werden – im Unterschied zur zeitlich begrenzten Nikotinersatztherapie mit beispielsweise Nikotinpflastern oder der kurzzeitigen Einnahme von suchthemmenden Medikamenten.

Viele Forschungsergebnisse weisen nach, dass E-Zigaretten schädigende Wirkungen auf die Lunge und das Herz-Kreislauf-System haben.

Auch für eine krebsfördernde Wirkung gibt es Hinweise. Führende nationale wie internationale wissenschaftliche Fachgesellschaften, nationale Medizin-Leitlinien und Erkenntnisse der Weltgesundheitsorganisation WHO stimmen damit überein. Bisher fehlen Langzeituntersuchungen, um das Gesundheitsrisiko genauer einzuschätzen.

„Zudem haben wir beobachtet, dass 60 bis 80 Prozent der Umsteiger von der Tabak- auf die E-Zigarette nebenher auch weiterhin Tabakprodukte konsumieren – gerade dieser duale Gebrauch birgt zusätzliche Gesundheitsrisiken“, sagt der Lungenarzt Professor Wulf Pankow, DGP-Vertreter im Aktionsbündnis Nichtrauchen (ABNR) und einer der federführenden Autoren der neuen Empfehlungen.

„E-Zigaretten haben keinen Vorteil gegenüber der Tabakentwöhnung nach medizinischen Leitlinien mit persönlicher Beratung, Telefonberatung, Gruppenkursen und medikamentöser Unterstützung“, so Pankow.
 
Erfolgversprechend: Kombination aus Verhaltenstherapie und Nikotinersatztherapie
 
Grundsätzlich raten die Autoren der Arbeit dazu, sich schnellstmöglich professionelle Hilfe zu holen: „Wer mit dem Rauchen aufhören möchte und es allein nicht schafft, sollte auch seinen Hausarzt direkt darauf ansprechen und sich beraten lassen”, so Pankow. „Die besten Erfolge zur Tabakentwöhnung sehen wir aktuell bei der Kombination aus Verhaltenstherapie und medikamentöser Unterstützung.”

Geprüft und wirksam sind  neben den rezeptfreien Nikotinersatzpräparaten die suchthemmenden Medikamente Vareniclin, Bupropion und Cytisin. „Sollten Raucherinnen und Raucher die E-Zigarette gegenüber anderen Hilfsmitteln dennoch bevorzugen, dann nur für einen begrenzten Zeitraum, und anschließend ganz absetzen.“ 

Nur jeder fünfte Raucher unternimmt Rauchstoppversuch – Krankenkassen sollen Kosten tragen

Die Autoren der Empfehlungen zum E-Zigaretten-Gebrauch bemängeln, dass es derzeit noch viel zu wenig unabhängige Studien über die tatsächlichen Auswirkungen der elektronischen Geräte und Tabakerhitzer gibt.

Aus der jüngsten Deutschen Befragung zum Rauchverhalten (DEBRA) ist bekannt, dass nur jeder fünfte Raucher in Deutschland mindestens einen Rauchstoppversuch im Jahr unternimmt. Hohe individuell zu tragende Therapiekosten würden vor allem sozioökonomisch schwächere Raucher benachteiligen, heißt es in der Studie.

„Auch deshalb fordern wir die Kostenübernahme von evidenzbasierten Therapien durch Krankenkassen“, bekräftigt DGP-Experte Professor Stefan Andreas.

Das Risiko für Raucher sei derweil gut belegt: Einer aktuellen Metaanalyse zufolge bedingt bereits der Konsum einer Zigarette pro Tag ein mehr als 50 Prozent zusätzliches Risiko für ischämische Herzerkrankungen oder Schlaganfälle.

„Wir empfehlen aus medizinischer Sicht den kompletten Rauchstopp. Und dafür gibt es bessere Hilfsmittel anstelle der E-Zigarette“, sagt Andreas. 

Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP)
hat sich als wissenschaftlich-medizinische Fachgesellschaft darauf spezialisiert, die Prävention, Diagnostik sowie Therapie von Atemwegs- und Lungenerkrankungen zu verbessern. Lange stand dabei die Tuberkulose im Vordergrund, seit den 1960er-Jahren haben Volkskrankheiten wie Asthma, die dauerhaft atemwegsverengende Lungenerkrankung COPD, Lungenentzündung und Lungenkrebs die Pneumologie zu einem der großen Schwerpunktfächer der Inneren Medizin gemacht.
 
Wichtige aktuelle Themen sind die Entwöhnung vom Rauchen, die Auswirkungen von Luftschadstoffen auf die Atemluft, schlafbezogene Atmungsstörungen, die Beatmungsentwöhnung sowie das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 und die daraus resultierende Infektionskrankheit COVID-19. Die DGP wurde 1910 gegründet und hat heute rund 4.600 Mitglieder aus Medizin und Forschung.

Weitere Informationen gibt es unter: www.pneumologie.de