Neue Studienanalyse bestätigt Wirkung von Senfölen bei Blasenentzündungen

Senföle aus Kapuzinerkresse und Meerrettich sind als Arzneimittel aus der Apotheke seit mehr als 60 Jahren in der Therapie von Blasenentzündungen und Erkältungskrankheiten etabliert.

Eine neue in der Fachzeitschrift „Der Urologe“ publizierte Studienanalyse[1] bestätigt die Ergebnisse zahlreicher internationaler Forschungsarbeiten aus jüngster Zeit: Die Pflanzenstoffe verfügen über vielfältige Wirkmechanismen, die eine effiziente Behandlung bei akuten und wiederkehrenden Blasenentzündungen ermöglichen. Sie besitzen ein ausgeprägtes antibakterielles[2-9] und entzündungshemmendes[10-18] Wirkspektrum und können, wie Laboruntersuchungen zeigen, die Ausbildung von so genannte Biofilmen hemmen[19-22] sowie das Anheften von bakteriellen Erregern an die Zellen der Blasenwand verhindern[23,24]

„Dies sind vermutlich die Gründe dafür, dass die Pflanzenstoffe dem Auftreten von erneuten Infektionen der Harnwege erfolgreich entgegenwirken können“, sagt PD Dr. Winfried Vahlensieck, Facharzt für Urologie und Autor der Großstudie. Demzufolge wird bei unkomplizierten wiederkehrenden Blasenentzündungen in der für Ärzte wichtigen Behandlungsleitlinie der Einsatz von Kapuzinerkresse und Meerrettich als pflanzliche Behandlungsmöglichkeit empfohlen[25].

Die Senfölkombination biete auch die Möglichkeit den Antibiotikagebrauch zu reduzieren und damit die Resistenzgefahr zu verringern, so der Chefarzt der Fachklinik Urologie, Kurpark-Klinik Bad Nauheim.

Die besorgniserregende Entwicklung von Bakterienresistenzen gegenüber Antibiotika ist immer noch eine der großen und globalen medizinischen Herausforderungen unserer Zeit.

Der Fachbereich Urologie ist von der Resistenzproblematik in besonderem Maße betroffen[26,27]. Immer mehr Experten rufen daher zu einem zurückhaltenden Einsatz von Antibiotika auf, um diese wichtige Arzneistoffgruppe für ernste und bedrohliche Erkrankungen zu bewahren. Daher sollten besonders bei unkomplizierten Infektionen, wie zum Beispiel Blasenentzündungen, arzneilich wirksame Pflanzenstoffe wie die Senföle bevorzugt eingesetzt werden[28]

Übersichtsarbeit analysiert antiinfektive Eigenschaften der Senföle

Für die neue Übersichtsarbeit wurden mehr als 30 zwischen 2000 und 2019 publizierte Forschungsarbeiten analysiert, bei denen die antibakteriellen Effekte der Senföle sowie die Wirkung der Pflanzenstoffe bei lasenentzündungen im Fokus standen[1]

Die umfangreichen wissenschaftlichenDaten bestätigen das bereits in früheren In-vitro-Untersuchungen nachgewiesene breite antimikrobielle Wirkspektrum der Pflanzenstoffe – sogar gegen antibiotikaresistente Bakterienstämme.

Die Forschungsarbeiten zeigen zudem, dass sich Kapuzinerkresse und Meerrettich in ihrer Wirkung sogar noch gegenseitig verstärken. Das heißt erst durch die Kombination der in den beiden Heilpflanzen enthaltenen
Senföle wird eine besonders große Wirkung gegen Krankheitserreger erreicht.

Aufgrund des vielfältigen Wirkmechanismus dieser Pflanzenstoffe wird bei Bakterien die Entwicklung möglicher Resistenzmechanismen gegen die Senföle deutlich erschwert[7,8].

Weitere Untersuchungen belegen, dass die Senföle das Anheften von Bakterien an die Zellen der Blaseninnenwand hemmen und gegen bakterielle Biofilme wirken. Solche "schleimigen Schutzschilde" bilden Bakterien aus, um sich vor äußeren Einflüssen, wie zum Beispiel einer Antibiotikatherapie oder der körpereigenen Immunabwehr zu schützen. Beide bakteriellen Abwehrmechanismen werden für wiederkehrende Infektionen der Harnwege und Resistenzentwicklungen verantwortlich gemacht.

Mit Senfölen Ursachen und Symptome einer Blasenentzündung umfassend behandelnSenföle wirken im Gegensatz zu vielen anderen Substanzen, die nur einzelne Effekte ausüben, nach dem sogenannten Multi-Target-Prinzip. Das heißt sie greifen an verschiedenen Punkten im Krankheitsgeschehen an und bieten daher den Vorteil eines umfassenden Behandlungsansatzes.

Sie besitzen vielfältige antibakterielle Effekte und bekämpfen aufgrund ihrer entzündungshemmenden[10-18] Wirkung auch die schmerzhaften Beschwerden einer Harnwegsinfektion.

„Die Wirksamkeit und gute Verträglichkeit der Senföle bei Blasenentzündungen ist in mehreren Studien belegt, ebenso wie ihr Nutzen bei der Therapie von häufig wiederkehrenden Infektionen der Harnwege[33-35]“, erklärt Vahlensieck.

Als Mitglied des Leitlinien-Gremiums macht sich der Urologe dafür stark, dass Kapuzinerkresse und Meerrettich in der Neufassung der Leitlinie „unkomplizierte Harnwegsinfektionen“ auch für akute Harnwegsinfektionen berücksichtigt werden, nicht wie bisher nur für häufig wiederkehrende Blasenentzündungen.

Quelle:
CGC Cramer Gesundheits-Consulting GmbH

Literatur:
1. Vahlensieck W., Scheffer K. Unkomplizierte Harnwegsinfektionen – Senföle zeigen Effizienz. Der Urologe 1: 52-58 (2021)

2. Dufour V. et al. The antibacterial properties of isothiocyanates. Microbiology 161: 229-243 (2015)

3. Romeo I. et al. An overview of their antimicrobial activity against human infections. Molecules 3 (2017)

4. Aires A. et al. The antimicrobial effects of glucosinolates and their respective enzymatic hydrolysis products on bacteria isolated from the human intestinal tract. Journal of applied Microbiology 106: 2086-2095 (2009)

5. Borges A. et al. Antibacterial activity and mode of action of selected glucosinolates hydrolysis products against bacterial pathogens. J Food Sci Technol 52 (8): 4737- 48 (2015)

6. Dias C. et al. Antimicrobial activity of isothiocyanates from cruciferous plants against methicillinresistant Staphylococcus aureus (MRSA). Int. J. Mol. Scji. 15: 19552-19561 (2014)
7. Conrad A. et al. Broad spectrum antibacterial activity of a mixture of isothiocyanates from nasturtium (Tropaeoli majoris herba) and horseradish (Armoraciae rusticanae radix). Drug Res 63: 65–68 (2013)

8. Conrad A. et al. In-vitro-Untersuchungen zur antibakteriellen Wirksamkeit einer Kombination aus Kapuzinerkressenkraut (Tropaeoli majoris Herba) und Meerrettichwurzel (Armoraciae rusticanae radix), Drug Res 56/12: 842-849 (2006)

9. Kurepina, N. et al.: Growth-inhibitory activity of natural and synthetic isothiocyanates against representative human microbial pathogens, Journal of applied microbiology 115, 943-954 (2013)

10. Herz C. et al. Evaluation of an aqueous extract from horseradish root (Armoracia rusticana radix) against lipopolysaccharide-induced cellular inflammation reaction. Evidence-Based Complementary and Alternative Medicine, Volume 2017, Article ID 1950692 (2017)

11. Marzocco A. et al. Anti-inflammatory activity of horseradish (Armoracia rusticana) root extracts in LPS-stimulated macrophages. Food Func. 6 (12): 3778-88 (2015)

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21. Borges A. et al. Evaluation of the effects of selected phytochemicals on quorum sensing inhibition and in vitro cytotoxicity. Biofouling 30, No. 2: 183-195 (2014)

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24. Vollmer P. et al. In-vitro anti-adhäsive und anti-inflammatorische Eigenschaften eines hydroalkoholischen Extraktes aus Tropaeolum majus L. Poster-Präsentation beim Jahreskongress 2019 der Gesellschaft f. Phytotherapie

25. S3-Leitlinie unkomplizierte Harnwegsinfektionen – Update 2017 [Interdisziplinäre S3 Leitlinie „Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten“, AWMF-Register-Nr. 043/044]

26. Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e. V., Infektiologie Freiburg (2014) GERMAP2012

27. Vahlensieck W. et al. Management multiresistenter Erreger in der Urologie. Der Urologe 56 (6):764–772 (2017)

28. Konsensuspapier zum interdisziplinären Experten-Round-Table „Aktualisierte S3-Leitlinie befürwortet reduzierten Antibiotika-Einsatz: Pflanzliche Senföle – eine phytotherapeutische Option bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen“, 04. Dezember 2018, Frankfurt am Main

29. Pleschka S. et al. Testing of the antiviral activity of ANGOCIN® Anti-Infekt N mixture on influenza virus A/Hamburg/01/09 (H1N1v) replication on MDCK-II-cells and A549-cells via Focus- and HAAssay; Publikation in Vorbereitung

30. Sprössig M., Schabinski-Stepan M. Einfluss des Wirkstoffes aus der Kapuzinerkresse auf die intracelluläre Virussynthese. Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten 143: 215-222 (1956)

31. Winter A.G., Rings-Willeke L. Untersuchungen über den Einfluss von Senfölen auf die Vermehrung des Influenza-Virus im exembryonierten Hühnerei. Archives of Microbiology 31: 311-318 (1958)

32. Mutters N. et al. Treating urinary tract infections due to MDR E. coli with Isothiocyanates – a phytotherapeutic alternative to antibiotics? Fitoterapia 129: 237-240 (2018)33. Goos K.-H. et al. Wirksamkeit und Verträglichkeit eines pflanzlichen Arzneimittels mit Kapuzinerkressenkraut und Meerrettich bei akuter Sinusitis, akuter Bronchitis und akuter Blasenentzündung im Vergleich zu anderen Therapien unter den Bedingungen der täglichen Praxis. Drug Res 56 (3): 249-257 (2006)

34. Goos K.-H. et al. Aktuelle Untersuchungen und Verträglichkeit eines pflanzlichen Arzneimittels mit Kapuzinerkressenkraut und Meerrettich bei akuter Sinusitis, akuter Bronchitis und akuter Blasenentzündung bei Kindern im Vergleich zu anderen Antibiotika. Drug Res 57 (4): 238-246 (2007)

35. Albrecht, U. et al. Eine randomisierte, Placebo-kontrollierte Doppelblindstudie eines pflanzlichen Arzneimittels aus Kapuzinerkresse und Meerrettich in der Prophylaxe von rezidivierenden Harnwegsinfekten. Curr Med Res Opin 28 (11): 2415-2422 (2007)