Gentherapie in der Augenheilkunde: Von Luxturna bis Ixo-Vec
Neue Chancen für Patientinnen und Patienten mit Netzhauterkrankungen
Gentherapie ist längst Realität in der Augenheilkunde und entwickelt sich rasant weiter. Ihre Fortschritte sind ein Schwerpunkt auf dem Kongress der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft e.V. (DOG).
Mit Luxturna wurde 2018 in der EU erstmals eine Gentherapie für eine seltene erbliche Netzhauterkrankung zugelassen, die bis zur Erblindung führen kann.
„Für Kinder, die im Dunkeln kaum noch etwas sehen konnten, bedeutet diese Behandlung einen Quantensprung: Sie können nach der Therapie sogar nachts wieder Fahrradfahren“, berichtet Priglinger, der als Direktor der Augenklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München diese Gentherapie 2019 erstmalig in Deutschland anwendete.
Die Wirkung, so Priglinger, setze meist innerhalb von Tagen bis wenigen Wochen ein.(1) Schwerwiegende Nebenwirkungen wurden bisher nicht festgestellt.
Hoffnung auf dauerhafte Heilung bei Kindern
Luxturna tauscht in der Netzhaut ein defektes Gen (RPE65) gegen ein gesundes Gen – dazu wird bei einer Operation das funktionstüchtige Gen in einer Art Virus-Taxi in die krankhaften Zellen eingeschleust. Schätzungsweise 200 Menschen leiden in Deutschland an einer RPE65-Mutation.
„Das Besondere an dieser Gentherapie ist: Wir können nicht nur den Krankheitsverlauf bremsen, sondern tatsächlich verloren gegangene Funktionen wiederherstellen – und das möglicherweise dauerhaft“, ergänzt Priglinger.
Grenzen der klassischen Gentherapie
Trotz des Erfolgs von Luxturna bleiben der Gentherapie Grenzen gesetzt. „Viele Gene sind zu groß, um sie mit den gängigen Viren zu transportieren, und wir benötigen für eine erfolgreiche Behandlung noch funktionstüchtige Sinneszellen in der Netzhaut“, betont Priglinger. „Wenn die Degeneration zu weit fortgeschritten ist, hilft die klassische Gentherapie nicht mehr.“ Genau hier setzen innovative Strategien an.
CRISPR, Antisense und Optogenetik
Ein vielversprechender Forschungsansatz ist die Genom-Editierung mit CRISPR-Cas9. „Diese Methode erlaubt es uns, krankmachende Mutationen direkt in den Photorezeptoren, den lichtempfindlichen Sehzellen, zu korrigieren – ein echter Meilenstein“, erklärt Priglinger.
Erste klinische Studien laufen bereits. Auch Antisense-Oligonukleotide eröffnen neue Optionen: Sie verhindern, dass schädliche Proteine entstehen und ermöglichen die Bildung funktionsfähiger Eiweiße. Besonders innovativ ist die Optogenetik, die auch in fortgeschrittenen Krankheitsstadien helfen könnte.
„Wir können damit nicht-lichtsensitive Zellen lichtempfindlich machen. In Kombination mit speziellen Brillen konnten Menschen wieder rudimentär sehen, etwa Bewegungen oder Objekte erkennen“, so Priglinger.
In Erprobung: Augenzellen, die Medikamente produzieren
Während die bisherigen Gentherapien vor allem auf seltene Erkrankungen zielen, richtet sich der Blick der Forschenden nun zunehmend auch auf Volkskrankheiten wie die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) oder die diabetische Retinopathie. „Hier geht es nicht darum, ein defektes Gen zu reparieren, sondern das Auge so umzuprogrammieren, dass es selbst dauerhaft therapeutische Wirkstoffe produziert“, so Priglinger.
Macht Gentherapie bald AMD-Injektionen überflüssig?
Erste klinische Studien, bei denen gentechnisch veränderte körpereigene Zellen Hemmstoffe gegen die krankmachenden Wachstumsfaktoren bei AMD produzieren, fördern jedenfalls vielversprechende Ergebnisse zutage. „AMD-Patientinnen und -Patienten konnten nach der einmaligen Behandlung mit der Ixo-Vec-Gentherapie die Anzahl ihrer regulären Anti-VEGF-Injektionen um 80 bis 98 Prozent reduzieren“,(2) berichtet der DOG-Präsident. Dies sei ein beachtliches Ergebnis.
Neue Chancen für Millionen Menschen
„Die Gentherapie hat am Auge bewiesen, dass sie funktioniert. Luxturna ist ein Meilenstein – aber nur der Anfang“, fasst Priglinger zusammen. Neue Techniken wie CRISPR-Cas9, Antisense-Oligonukleotide, Optogenetik und die Ixo-Vec-Therapie könnten schon bald weitere Durchbrüche ermöglichen. „Für Betroffene heißt das: Erkrankungen, die bisher als unheilbar galten, werden zunehmend behandelbar – und das gilt langfristig auch für Millionen Menschen mit häufigen Netzhauterkrankungen“, freut sich der DOG-Präsident.
Quelle:
Stiftung Auge der DOG Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft - Mitteilung vom 10. September 2025
Literatur:
Gene Therapy with Voretigene Neparvovec Improves Vision and Partially Restores Electrophysiological Function in Pre-School Children with Leber Congenital Amaurosis. Gerhardt MJ, Priglinger CS, Rudolph G, Hufendiek K, Framme C, Jägle H, Salchow DJ, Anschütz A, Michalakis S, Priglinger SG. Biomedicines. 2022 Dec 30;11(1):103.
doi: 10.3390/biomedicines11010103.
Khanani AM, Boyer DS, Wykoff CC, Regillo CD, Busbee BG, Pieramici D, Danzig CJ, Joondeph BC, Major JC Jr, Turpcu A, Kiss S. Safety and efficacy of ixoberogene soroparvovec in neovascular age-related macular degeneration in the United States (OPTIC): a prospective, two-year, multicentre phase 1 study. EClinicalMedicine. 2023 Dec 22;67:102394. doi: 10.1016/j.eclinm.2023.102394. PMID: 38152412; PMCID: PMC10751837.
Russell S et al., Luxturna clinical trial results, Lancet, 2017
ClinicalTrials.gov – PIONEER Optogenetik-Studie (NCT03326336)
Maeder ML et al., First in vivo CRISPR treatment of CEP290-associated retinal disease, Nat Med, 2019