Neue Therapieoptionen bei Bauchspeicheldrüsenkrebs

Künstliche Intelligenz, RNA-Impfstoffe und OP-Roboter

Die Bauchspeicheldrüse, das Pankreas, zählt zu den Organen, in denen sich bösartige Wucherungen besonders schwer erkennen und therapieren lassen.

Die Möglichkeiten zur Früherkennung eines Pankreaskarzinoms sind im Vergleich zu anderen Krebsarten sehr eingeschränkt und bei der Behandlung gibt es kaum etablierte Verfahren, die über Chirurgie und Chemotherapie hinausgehen.

Noch immer versterben daher über 90 Prozent der Patientinnen und Patienten innerhalb der ersten fünf Jahre nach der Diagnose.

Dank intensiver Forschung gibt es heute jedoch einige vielversprechende Ansätze, die die Prognose der Erkrankung in Zukunft möglicherweise verbessern.

Neben neuen Chancen bei der Früherkennung verbessern sich auch operative und medikamentöse Therapien stetig. Anlässlich des Weltkrebstages am 04. Februar 2024 gibt die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen.

Aus Sicht von Tumorzellen ist das Pankreas ein Ort zum Wohlfühlen: Krebsherde in diesem Organ verursachen zunächst kaum verräterische Beschwerden, auch fehlen Biomarker, die zuverlässig auf ein Pankreaskarzinom hinweisen würden.

„Weil dieser Tumortyp zudem dazu neigt, früh zu metastasieren, wird die Diagnose häufig erst in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium gestellt“, sagt Professor Dr. med. Thomas Seufferlein, Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Ulm.

„Eine regelhafte, effektive Vorsorgeuntersuchung wie beim Brust- oder Darmkrebs ist beim Pankreaskarzinom in der Allgemeinbevölkerung aktuell nicht möglich. Dazu fehlen uns wirksame Instrumente“, ergänzt er.

KI und „deep learning“ ermöglichen bessere Früherkennung (1)

Einen möglichen Weg aus diesem Dilemma weist nun eine Studie, die sich die umfangreichen Daten des dänischen nationalen Patientenregisters zunutze machte.

Mittels KI und deep learning ließen sich damit Menschen identifizieren, deren Risiko, in den folgenden drei Jahren ein Pankreaskarzinom zu entwickeln, deutlich erhöht war. Sie würden deshalb von einem Screening besonders profitieren, zugleich wäre der Screeningaufwand stark reduziert.

„Für die Vorselektion standen der KI lediglich die Diagnoseziffern der bisherigen Krankengeschichten zur Verfügung“, erläutert Seufferlein.

Angepasst an die jeweiligen nationalen Besonderheiten könnte dieses Vorgehen es erlauben, Vorsorgeuntersuchungen deutlich gezielter anzubieten als bisher und zumindest das Screening von Risikogruppen für ein Pankreaskarzinom zu verbessern.

Schonendere Operationen dank Robotik

Auch auf dem Gebiet der Pankreas-Chirurgie gibt es Fortschritte. Insbesondere kleine, zystische Tumoren können heute deutlich schonender operiert werden, ohne dass die Sicherheit darunter leidet. „Mithilfe von minimal-invasiven Verfahren, zum Teil mit robotischer Unterstützung, kann in etlichen Fällen vermieden werden, dass größere Teile der Bauchspeicheldrüse entfernt werden müssen“, sagt DGVS-Experte Seufferlein.

Erfolgreichere Chemotherapie mit Kombination aus verschiedenen Wirkstoffen

Weil viele Pankreaskarzinome jedoch nicht vollständig entfernt werden können oder zum Zeitpunkt der Diagnose bereits gestreut haben, kommt der Chemotherapie bei ihrer Behandlung ein hoher Stellenwert zu. „Hier konnten die bislang recht bescheidenen Therapieerfolge durch die Einführung von Kombinationstherapien, die mit drei oder gar vier Wirkstoffen arbeiten, deutlich verbessert werden“, sagt PD Dr. med. Birgit Terjung, Ärztliche Direktorin der GFO Kliniken Bonn und Mediensprecherin der DGVS.

RNA-Impfstoffe hemmen Tumorwachstum (2)

Optimistisch stimmten auch die Fortschritte bei der Entwicklung sogenannter personalisierter RNA-Impfstoffe, die das Immunsystem auf individuelle und tumorspezifische Oberflächenmarker aufmerksam machen sollen. „Patientinnen und Patienten, die nach einer Operation wegen eines Pankreaskarzinoms spezifische, gegen den eigenen Tumor gerichtete T-Zellen bildeten, erlebten in einer ersten Studie eine sehr lange Zeitspanne ohne erneutes Tumorwachstum“, so Seufferlein, der diesem noch jungen therapeutischen Ansatz ein großes Potenzial bescheinigt.

Bestrahlung bei metastasiertem Pankreaskarzinom (3)

Untersucht wird derzeit auch, inwieweit Patientinnen und Patienten mit bereits an wenigen Stellen im Körper metastasiertem Pankreaskarzinom von einer lokalen Bestrahlungstherapie profitieren, die zusätzlich zur Chemotherapie gegeben wird. „Eine erste kleine Studie hierzu war vielversprechend“, sagt Terjung.

Wie groß der klinische Nutzen dieses kombinierten Vorgehens tatsächlich sei, müsse jedoch noch in größeren Studien untersucht werden. Auch die chirurgischen Möglichkeiten, gegen metastasierte Pankreaskarzinome vorzugehen, werden derzeit in Studien ausgelotet.

Auch bei der genetischen Charakterisierung der Tumoren gibt es Fortschritte. So zeigt die Gruppe der Pankreaskarzinome, bei denen eine bestimmte genetische Veränderung, eine Mutation im KRAS-Gen, nicht nachweisbar ist (betrifft etwa 10 Prozent aller Tumore), viele andere genetische Alterationen, die durch bereits vorhandene Medikamente gezielt behandelbar sind. (4)

Angesichts der weiterhin schlechten Prognose des Pankreaskarzinoms müsse aber der Blick auch auf die palliativen und supportiven Maßnahmen gerichtet werden – Behandlung von Schmerzen, Sicherstellung einer ausreichenden Ernährung und psychoonkologische Unterstützung, so Terjung. Das Pankreaskarzinom sei immer noch eine der am schwierigsten zu behandelnden Tumorerkrankungen.

Es gibt Erfolge, aber es sei noch viel mehr Forschung auf allen Ebenen notwendig, um hier ähnliche Erfolge zu erzielen wie bei anderen Tumorerkrankungen im Magen-Darm-Trakt, so die Forderung der DGVS-Experten.

Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) wurde 1913 als wissenschaftliche Fachgesellschaft zur Erforschung der Verdauungsorgane gegründet. Heute vereint sie über 7000 in Klinik und Forschung tätige Ärztinnen und Ärzte unter einem Dach.

Die DGVS fördert sehr erfolgreich wissenschaftliche Projekte und Studien, veranstaltet Kongresse und Fortbildungen und unterstützt aktiv den wissenschaftlichen Nachwuchs. Ein besonderes Anliegen ist der DGVS die Entwicklung von Standards und Behandlungsleitlinien für die Diagnostik und Therapie von Erkrankungen der Verdauungsorgane – zum Wohle der Patientinnen und Patienten

Wer gern mehr erfahren möchte, schaut bitte direkt unter Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) e.V. - www.dgvs.de

Quelle:
(1)    Placido et al., Nat Medicine doi.org/10.1038/s41591-023-02332-5
(2)    Rojas et al., Nature doi.org/10.1038/s41586-023-06063-y
(3) Versteijne et al., JCO doi: 10.1200/JCO.21.02233
(4)    Strickler et al., NEJM DOI: 10.1056/NEJMoa2208470