Was hast du denn für blöde Klamotten an!“

Mobbing und physische Gewalt an Schulen

Gewalt im Schulkontext hat viele Gesichter.
Die Palette reicht von einfachen Formen des Mobbing über Bedrohung bis hin zu polizeilich relevanten Straftaten. „Aber das ist die Ausnahme“, betont Klaus Seifried, Mitglied des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen. Im Vergleich zu vielen anderen Umfeldern ist die Schule seiner Meinung nach ein friedlicher Ort. Vor allem in sozialen Brennpunkten stellt sie den stabilen Faktor im Leben eines Kindes oder Jugendlichen dar.

Auch wenn es immer wieder zu verbalen und körperlichen Angriffen durch Mädchen kommt, ist Gewalt an Schulen überwiegend ein Thema, das Jungs betrifft. „Das erkennt man alleine schon an den Strafanzeigen“, so der Experte. Ob die fiese Bemerkung über die Kleidung als Mobbing oder der Schubser gegen die Wand als körperliche Gewalt bezeichnet werden können, entscheidet nach Meinung Seifrieds immer das Opfer. Fühlt sich der oder die Betroffene angegriffen, kann man von Gewalt sprechen.

Das Netz als Multiplikator von Gewalt
Auch wenn sich die Gewaltbereitschaft der Kinder und Jugendlichen nicht erhöht hat, sind die psychischen Auswirkungen für das Opfer heutzutage oft viel verheerender. Grund dafür sind nach Aussage Seifrieds das Internet und die sozialen Medien: „Wenn früher auf dem Schulhof oder dem Nachhauseweg jemand verprügelt wurde, ist er oder sie nach Hause gelaufen und es war zu Ende. Heutzutage wird so etwas häufig mit dem Handy gefilmt und bei YouTube hochgeladen. Dann haben es nicht nur die vier oder fünf Umstehenden gesehen, sondern alle Anderen auch.“

Zudem sind die Inhalte dadurch meist über einen langen Zeitraum abrufbar. Das Beispiel lässt sich auch auf Mobbing übertragen. So werden fiese Bilder und gemeine Sprüche über den Außenseiter gerne per WhatsApp oder Facebook an die ganze Klasse geschickt. Somit endet die Gewalt heute nicht mehr mit Verlassen des Schulgeländes, sondern wird in die Öffentlichkeit übertragen. Das kann dramatische Folgen für die Opfer haben. „Nicht selten führt so etwas zu massiven persönlichen Krisen“, so Klaus Seifried.

Fragt man nach den Ursachen von Gewalt an Schulen, spielt nach Meinung des ehemaligen Schulpsychologiedirektors die persönliche Leistung von Schülerinnen und Schülern eine große Rolle: „Wenn sie über Jahre keinerlei Erfolgserlebnisse in der Schule haben, suchen sie sich Bereiche, in denen sie erfolgreich sind. Gehöre ich in meiner Klasse zu den Schlechtesten, bin ich vielleicht der Star in meiner Jugendgang, wenn ich jemanden verprügelt habe.“ Das Klischee des gewaltbereiten Migrantenkindes stimmt seiner Ansicht nach nicht.

„Der Migrationshintergrund alleine ist kein Grund für Gewalttätigkeit. An deutschen Schulen gibt es Schüler, deren Eltern aus anderen Ländern kommen und trotzdem Spitzenleistungen bringen“, so der Experte.

Das Problem liegt seiner Meinung nach eher bei der sozialen Schicht:
„Wenn ich Arbeitslosigkeit schon durch mein Elternhaus kenne und ich weiß, dass ich keinen Schulabschluss schaffe, dann ist mit oft alles egal. Dann kann ich mich auf der Straße und eben auch auf dem Schulhof bewähren.“

Auch wenn Kinder und Jugendliche durch die Eltern oder die Geschwister mit Gewaltbereitschaft vertraut sind, steigt das Aggressionspotential. Zusätzlich zum sozialen Umfeld spielt auch die Persönlichkeit eine Rolle.

So neigen nach Aussage Seifrieds Kinder und Jugendliche häufiger zu Gewalt, wenn sie selber ängstlich sind:„Sie kompensieren ihre Unsicherheit und die eigenen Ängste, indem sie in der Gruppe agieren. Hier spüren sie plötzlich Macht und Anerkennung, wenn sie gemeinsam auf jemanden losgehen.“

Opfer schützen und Täter integrieren
Kommt es zu Gewalt an Schulen, sollten Lehrerinnen und Lehrer, aber auch die Schulleitung schnell und entschieden reagieren. Denn die Kinder und Jugendlichen müssen merken, dass das Problem ernst genommen wird und solche Auseinandersetzungen nicht geduldet sind. So sollte zum einen sichergestellt sein, dass das Opfer künftig vor weiteren Angriffen geschützt ist.

Auf der anderen Seite muss versucht werden, den Täter nicht einfach nur zu bestrafen, sondern auch wieder in die soziale Gemeinschaft zu integrieren diesem und eine zweite Chance zu geben. Viel wichtiger als den Täter zu versetzen ist nach seiner Meinung ein Täter-Opfer-Ausgleich. Handelt es sich beispielsweise um einen Mobbingvorfall im Internet, muss sich der Täter dort beim Opfer entschuldigen.

Aus pädagogischer Sicht geht es beim Täter-Opfer-Ausgleich darum, einen Fehler einzugestehen und zu versuchen, diesen ein Stück weit wieder gutzumachen. „Das ist sehr viel wichtiger als ein Klassen- oder Schulverweis.

Kinder und Jugendliche sind nicht so nachtragend wie Erwachsene.
Eigentlich sind sie froh, wenn sich jemand entschuldigt. Dabei muss es sich aber um eine ehrliche Entschuldigung handeln“, führt Seifried weiter aus.

Vor allem in schwereren Fällen von Gewalt fühlen sich Lehrerinnen und Lehrer häufig überfordert. Daher rät der Experte dazu, sich bei Bedarf Hilfe bei der Schulleitung und den Schulpsychologen bzw. den schulpsychologischen Beratungsstellen zu suchen.

Zudem besteht immer die Möglichkeit, einen Präventionsbeauftragten der Polizei hinzuzuziehen. Diese können die betroffenen Lehrerinnen und Lehrer ausführlich zum Thema informieren und beraten. „Zudem hat es meist eine große Wirkung auf die Kinder und Jugendlichen, wenn Polizisten in Uniformen in die Klasse kommen und zum Beispiel an einer Klassenkonferenz teilnehmen, die aufgrund einer solchen Problemsituation einberufen wurde“, fügt Seifried hinzu.

Quelle:
Polizei, Dein Partner - www.polizei-dein-partner.de