Fibrose-Medikamente: Vertrauen ist gut – verstehen ist besser

Forscher am Helmholtz Zentrum München, Partner im Deutschen Zentrum für Lungenforschung, haben eine neue Wirkweise zweier Medikamente aufgedeckt, die bei der Behandlung von Idiopathischer Lungenfibrose zum Einsatz kommen.

Die Arbeit wurde im ‚American Journal of Respiratory Cell and Molecular Biology‘ publiziert.

Unter dem Begriff Lungenfibrose (Narbenlunge) wird eine Vielzahl verschiedener Krankheitsbilder zusammengefasst. Diese haben gemeinsam, dass es zu einer vermehrten Bildung von Bindegewebe in der Lunge kommt. Vor allem die sogenannten Kollagene werden bei einer Lungenfibrose vermehrt produziert. Das beeinträchtigt die Sauerstoffaufnahme, verringert die Dehnbarkeit der Lunge und führt so zu einer Verschlechterung der Lungenfunktion.

„Aktuell kommen als Medikament vor allem die Wirkstoffe Nintedanib und Pirfenidon in der Behandlung zum Einsatz“, erklärt Dr. Claudia Staab-Weijnitz, Leiterin des Forschungsprojektes am Institut für Lungenbiologie (ILBD) und Comprehensive Pneumology Center (CPC) am Helmholtz Zentrum München. „Beide Substanzen verlangsamen den Krankheitsverlauf, aber die Wirkungsmechanismen sind nur unzureichend geklärt.“

Krankheit in die Petrischale geholt
Um herauszufinden, wie die Wirkung der Medikamente zustande kommt, holten sich die Forscherinnen und Forscher die Fibrose sprichwörtlich in die Petrischale. „Wir haben zunächst ein Zellkultursystem entwickelt, das für die Studie von Kollagenbiosynthese und -reifung optimiert ist“, berichtet Erstautorin Larissa Knüppel. Hierin konnten die Wissenschaftler nun die Wirkung der Medikamente auf Bindegewebszellen der Lunge untersuchen, die ursprünglich aus Lungenfibrose-Patienten stammten.

„Unsere Analysen ergaben, dass sowohl Pirfenidon als auch Nintedanib die Bildung von Kollagenfibrillen inhibieren“, erklärt Studienleiterin Staab-Weijnitz. „Konkret reduzieren sie zum einen die Bildung von neuen Kollagenmolekülen und verhindern zum zweiten, dass diese sich zu größeren Verbänden, den sogenannten Fibrillen, zusammenlagern.“

Nun, da diese Wirkweise der Medikamente verstanden ist, wollen die Wissenschaftler in diese Richtung weiterdenken und nach Ansätzen suchen, um die Kollagenfibrillenbildung noch effizienter zu unterbinden.

Das neu etablierte Zellkulturmodell soll ihnen dabei weiter gute Dienste leisten: „Die Ergebnisse zeigen, dass das optimierte humane System die Studie von Kollagenbiosynthese und Kollagenfibrillenentstehung auf allen regulatorischen Ebenen erlaubt. Somit kann es sehr gut als initiales Testsystem für neuartige therapeutische Strategien für Lungenfibrose genutzt werden“, blickt Staab-Weijnitz voraus.

Hintergrundinformationen zur Studie
Die Studie entstand in Kooperation mit der Abteilung für Analytische Pathologie und mehreren universitären Partnern, unter anderem dem Shriners Hospital for Children in Portland.

Larissa Knüppel ist Mitglied der CPC Research School und Teilnehmerin an der Helmholtz Graduate School Environmental Health, kurz HELENA. Im Juni 2015 hatte das Team um Claudia Staab-Weijnitz einen neuen Ansatz zur Behandlung von idiopathischer Lungenfibrose entdeckt. Die Wissenschaftler stellten fest, dass in den Lungen von Erkrankten erhöhte Mengen des Proteins FKBP10 zu finden sind.

Wenn es gelänge, die Produktion oder die Aktivität dieses Proteins zu hemmen, könnte sich daraus ein weiterer neuer Therapieansatz ergeben.


Original-Publikation:
Knüppel, L. et al. (2017): A Novel Antifibrotic Mechanism of Nintedanib and Pirfenidone: Inhibition of Collagen Fibril Assembly. American Journal of Respiratory Cell and Molecular Biology, DOI: 10.1165/rcmb.2016-0217OC

Das Helmholtz Zentrum München
verfolgt als Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.300 Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 37.000 Beschäftigten angehören.

Das Institut für Lungenbiologie (ILBD)
gehört dem Comprehensive Pneumoloy Center (CPC) an, einem Zusammenschluss des Helmholtz Zentrums München mit dem Universitätsklinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München und den Asklepios Fachkliniken München-Gauting. Ziel des CPC ist die Erforschung chronischer Lungenerkrankungen, um neue diagnostische und therapeutische Strategien zu entwickeln. Das ILBD führt mit der Untersuchung zellulärer, molekularer und immunologischer Mechanismen von Lungenerkrankungen den Schwerpunkt der experimentellen Pneumologie an. Das CPC ist ein Standort des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL).

Die selbstständige Abteilung Analytische Pathologie (AAP)
entwickelt wissenschaftlich in Ergänzung zu klinischen und grundlagenorientierten Forschungseinheiten die translationale Forschung von Erkrankungen, die sich in Geweben manifestieren. AAP beschäftigt sich mit der Übersetzung von z.B. In-vitro-Modellen oder Tiermodellen in die Anwendung am Menschen. So verzahnt AAP gemeinsam mit dem Institut für Pathologie (PATH) die grundlagenorientierte Forschung und die diagnostische Anwendung und übersetzt die Erkenntnisse der experimentellen und molekularen Pathologie in Verfahren der Krankheitstypisierung und prädiktiven Diagnostik am Gewebe.

Das Deutsche Zentrum für Lungenforschung (DZL)
ist ein nationaler Verbund, der Experten auf dem Gebiet der Lungenforschung bündelt und Grundlagenforschung, Epidemiologie und klinische Anwendung verzahnt. Standorte sind Borstel/Lübeck/Kiel/Großhansdorf, Gießen/Marburg/Bad Nauheim, Hannover, Heidelberg und München. Ziel des DZL ist es, über einen neuartigen, integrativen Forschungsansatz Antworten auf offene Fragen in der Erforschung von Lungenkrankheiten zu finden und damit einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung von Prävention, Diagnose und Therapie zu leisten.