Geisterfahrer: Horror auf der Autobahn

... alles zum Unfallrisiko, zur Vorbeugung und Tipps für Fahrer

Drei Tote auf der A38 bei Eisleben (Sachsen-Anhalt), zwei Tote und vier Schwerverletzte auf der A3 bei Passau: Das ist die bittere Bilanz von Falschfahrerunfällen Ende 2014.

Am letzten Tag des Jahres starben auf der A29 in Niedersachsen zwei weitere Menschen. Ein Falschfahrer, der in Schlangenlinien auf der A1 unterwegs war, wurde von der Polizei auf einem Parkplatz gestoppt. Als die Polizisten ihn kontrollieren wollten, gab er aber sofort wieder Gas und fuhr in falscher Richtung zurück auf die Straße, wo es auf der Überholspur der A29 schließlich zum tödlichen Unfall kam.

Die Ursachen für Falschfahrten sind vielfältig:
Sie reichen von Reizüberflutung und Orientierungslosigkeit über Alkohol- oder Drogeneinfluss bis hin zu Mutproben und Suizidversuchen.

Das Risiko
Die Gefahr, einem Falschfahrer zu begegnen, ist nicht überall und zu jeder Zeit gleich: Abends an Wochenenden ist das Risiko laut einer aktuellen Auswertung des ADAC am höchsten. „23 Prozent aller gemeldeten Falschfahrten wurden am Sonntag, 20 Prozent am Samstag registriert“, sagt Andreas Hölzel, Sprecher des ADAC im Bereich Verkehr. Die anderen Wochentage kamen auf Anteile von elf bis zwölf Prozent. Zwischen 20 Uhr abends und 5 Uhr morgens besteht das höchste Risiko, einem Geisterfahrer zu begegnen. Von fünf bis neun Uhr morgens ist die Gefahr am geringsten. Dass es in der dunklen Jahreszeit mehr Geisterfahrten gibt, kann der ADAC nicht feststellen: „Die meisten Meldungen gehen zwischen August und Oktober ein, die wenigsten im Februar und März“, sagt der Verkehrsexperte.

Gefährlichste Autobahnen Deutschlands
Von Falschfahrern betroffen sind laut dem ADAC besonders die Autobahnen in den Stadtstaaten Hamburg, Berlin, Bremen sowie im Saarland. „Dies liegt aber nicht an einer schlechteren Qualität der Autobahnen, sondern an der Vielzahl kurzer Autobahnverbindungen mit Zubringer-Charakter und den vielen Auffahrten“, erklärt Andreas Hölzel. Kurze, oft nur wenige Kilometer lange Autobahnabschnitte bergen offensichtlich das größte Risiko, auf einen Geisterfahrer zu treffen oder selbst in falscher Richtung aufzufahren. Ostdeutsche Bundesländer sind vergleichsweise unauffällig. „Das liegt vermutlich daran, dass es dort relativ lange Abschnitte mit wenigen Auffahrten gibt.“ Das Risiko, zum Falschfahrer zu werden, ist deswegen und aufgrund der im Vergleich zu Ballungsräumen geringeren Bevölkerungsdichte niedriger.

Aufgrund von Falschfahrermeldungen zu den zehn gefährlichsten Autobahnen Deutschlands zählen laut ADAC:

  • A661 (Darmstadt) 
  • A391 (Braunschweig-Südwest) 
  • A516 (Oberhausen) 
  • A293 (Oldenburg-West)
  • A98 (Weil am Rhein)
  • A562 (Bonn-Rheinaue)
  • A559 (Köln-Porz)
  • A643 (Mainz)
  • A980 (Walthofen)
  • A255 (Hamburg-Süd)

Die Zahl der gemeldeten Falschfahrer auf deutschen Autobahnen im Jahr 2012 lag laut ADAC bei rund 1.900 und damit in etwa auf dem Niveau der Vorjahre. Dabei kam es zu rund 40 Unfällen.

Gelbe Warntafeln
Nach Meinung des ADAC würde es helfen, wenn alle Autobahnanschlussstellen und Rastanlagen mit neongelben Warntafeln nach österreichischem Vorbild ausgestattet wären. Da etwa die Hälfte aller Falschfahrten ihren Ausgangspunkt an Anschlussstellen hat, sollten dort durch Änderungen in der Markierung die Autofahrer eindeutiger auf die Autobahn geführt werden.

In Österreich konnte mit den Schildern die Zahl der Geisterfahrten gesenkt werden. Die Kosten für die Warntafeln an allen 4.000 Auffahrten und 2.000 Rastanlagen Deutschlands würden sich auf 30 Millionen Euro belaufen, so der ADAC. Sinnvoll sei es zudem, wenn alle Autobahnanschlussstellen und -kreuze sowie die Auf- und Abfahrten an Rastanlagen regelmäßig von den zuständigen Behörden in so genannten Nachtverkehrsschauen überprüft werden. Dabei werden unter anderem die Sichtbarkeit und Begreifbarkeit der Markierungen und der Beschilderung untersucht.

Der Bund forscht nach Ursachen
Die derzeit an Autobahnen vorhandenen Schilder und Markierungen sind bereits ein Schutz vor Falschfahrten, ist Richard Schild, Leiter des Pressereferats beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung überzeugt: „Grundsätzlich sind wir der Ansicht, dass an Autobahnanschlussstellen eine unter Beachtung des bestehenden technischen Regelwerks ausgeführte eindeutige, unmissverständliche Verkehrsführung (dies schließt neben der baulichen Gestaltung des Knotens auch und vor allem die Beschilderung und Markierung mit ein) bereits einen effizienten Beitrag zur Verhinderung von Falschfahrten leistet. Optimierungspotenziale werden aber auch hier gesehen.“

Der Bund befasst sich regelmäßig mit Überlegungen zu weiteren Verbesserungen der verkehrstechnischen Standards, um dem Falschfahren auf der Autobahn zu begegnen. Derzeit wird untersucht, wie durch Veränderung der Fahrbahnmarkierung an Anschlussstellen eine Falschfahrt bestmöglich verhindert werden kann, indem Verkehrsteilnehmer möglichst intuitiv richtig auf die Autobahn auffahren. Mögliche neue Regelungen sollen in die Richtlinien für die Markierung von Straßen aufgenommen werden. Das Ziel ist eine bessere optische Führung in den Autobahnzufahrten.

Zudem wurde die Bundesanstalt für Straßenwesen damit beauftragt, Prüfkriterien zur Sicherheitskontrolle von Anschlussstellen zu entwickeln, die den Landesverwaltungen zeitnah zur Verfügung gestellt werden können. Auf dieser Basis könnten die Länder dann Sicherheitskontrollen durchführen.

Pilotprojekt in Bayern
Bereits seit Ende des Jahres 2011 läuft in Bayern ein Pilotversuch zur Warnung von Falschfahrern: Die aus Österreich bekannten neongelben „Geisterfahrerwarntafeln“ wurden auf Teilabschnitten der Bundesautobahnen A8 und A3 sowie der A94 (sowohl an Autobahnauffahrten als auch an Rastanlagen) aufgestellt. Ergänzend zu solchen reaktiven Maßnahmen, die bereits entstandene Fehler korrigieren sollen, sei aber auch die Verdeutlichung der richtigen Zufahrt eine Unterstützung für alle Fahrer, erklärt Richard Schild, Leiter des Presse-Referats beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.

Daher werde im Rahmen des Feldversuchs auf benachbarten Teilstücken der A3 und A8 auch untersucht, inwieweit die Fahrer durch veränderte Markierungen an Anschlussstellen besser in die richtige Zufahrt geleitet werden können. Diese verkehrstechnische Optimierung wird auch an den Anschlussstellen der A94 erprobt, dort zusammen mit der Maßnahme „Geisterfahrerwarntafel“. Das Pilotprojekt wird von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) wissenschaftlich begleitet. Der Bericht zum Pilotprojekt „Geisterfahrerwarntafeln“ wird voraussichtlich im Frühjahr 2013 vorliegen. (Anm. d. R.: Die Warntafeln führten nicht zu einer Abnahme der Zahl der Warnmeldungen – diese blieb nahezu konstant oder nahm sogar zu).

Wenn ein Falschfahrer gemeldet wird
„Wenn man im Radio eine Falschfahrermeldung hört, sollte man seine Geschwindigkeit verringern, auf dem rechten Fahrstreifen weiterfahren, nicht überholen, ausreichend Abstand halten und den Seitenstreifen im Blick behalten um eventuell auf diesen auszuweichen“, rät Andreas Hölzel. Wer einen Geisterfahrer beobachtet, muss umgehend die Polizei verständigen, damit andere Verkehrsteilnehmer direkt gewarnt werden können. Streifenwagen der Polizei bremsen den entgegenkommenden Verkehr mit Hilfe von Blaulicht und dem Schriftband „Achtung Falschfahrer“ ab. Notfalls werden so genannte „Stop Sticks“ ausgelegt: Überquert der Geisterfahrer sie, entweicht kontrolliert die Luft aus seinen Reifen.

Wenn man selbst Geisterfahrer ist
Wer versehentlich falsch auf die Autobahn aufgefahren ist, dem rät Andreas Hölzel folgendes: „Man sollte sofort die Warnblinkanlage und das Licht einschalten und an den nächstgelegenen Fahrbahnrand fahren.“ Dann sollte man das Fahrzeug möglichst außerhalb der Fahrbahn dicht neben der Schutzplanke abstellen, vorsichtig aussteigen und sich in sicherer Entfernung zum Fahrzeug hinter die Leitplanke stellen. Anschließend muss man sofort die Polizei informieren.

Quelle:
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